UHH Newsletter

April 2012, Nr. 37

INTERVIEW

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Die Diagnose Burnout ist soziokulturell besser vermittelbar als die Diagnose Depression. Der Sportmediziner Prof. Dr. med. Klaus-Michael Braumann gab Auskunft über das Krankheitsbild „Burnout“. Bild: privat



Kontakt:

Prof. Dr. med. Klaus-Michael Braumann
Fachbereich Bewegungswissenschaft
Mollerstraße 10
20148 Hamburg

t. 040.42838-6339
e. klaus-michael.braumann-at-uni-hamburg.de

Angebote der Universität für Beschäftigte: www.verwaltung.uni-hamburg.de/6/gesundheitsfoerderung.html

Angebote der Universität für Studierende: www.verwaltung.uni-hamburg.de/campuscenter/waehrend-des-studiums/seminarangebot/burnout.html


Burnout: ein anderes Wort für Depression? Interview mit Prof. Dr. med. Klaus-Michael Braumann

Am 14. April fand im Museum für Völkerkunde zum Thema „Burnout und Depression – Sport als Therapie oder Ursache?“ eine Tagung des Forum Sportmedizin statt. Mitveranstalter und Organisator ist Prof. Dr. med. Klaus-Michael Braumann vom Fachbereich Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg. Ihn haben wir nach der aktuellen Debatte zum Thema Burnout befragt.
Wie macht sich Burnout eigentlich bemerkbar?

Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man darunter einen ausgeprägten Erschöpfungszustand, meist als Resultat intensiver Arbeitsbelastungen mit einem hohen Stressfaktor. Burnout-Patienten sind müde, fühlen sich überlastet und oftmals nicht den Anforderungen des Alltags gewachsen.

Aus der permanenten Überforderung resultiert ein Schuldgefühl, die Arbeit nicht leisten zu können. Es werden vermehrte Anstrengungen unternommen, die aber in Erfolglosigkeit münden und dann oftmals mit Schlafstörungen einhergehen. Daraus folgt dann Erschöpfung verbunden mit einer Abneigung gegenüber der Arbeit. Dieser Zustand kann sich dann zu typischen Symptomen einer Depression mit Ängsten und sogenannten „Somatisierungsstörungen“ entwickeln. Typischerweise kommt es in Urlaubsphasen allenfalls nur zur geringfügigen Linderung der Symptomatik.

Wer ist besonders bedroht?

Zunächst alle Menschen, die im Arbeitsleben eine hohe Stressbelastung haben. Das kann durch Arbeitsverdichtung geschehen, weil immer mehr Aufgaben in gleicher Arbeitszeit erledigt werden müssen, durch Zeitdruck, immer häufiger auch Zukunftsängste etc. Offensichtlich spielt Stress eine entscheidende Rolle.

Gibt es ein Frühwarnsystem? Wie können andere, Kollegen beispielsweise, erkennen, ob jemand auf dem Weg zum Burnout ist?

Das ist schwer und wird ja neuerdings auch Führungskräften in speziellen Schulungen vermittelt. Aber die Gefahr der dramatischen Zunahme dieses Krankheitsbildes – egal wie man es bezeichnet: Burnout oder Depression – scheint erkannt. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Gegenmaßnahmen der Unternehmen, die häufig im Rahmen betrieblicher Gesundheitsförderungsmaßnahmen angeboten werden, auch adäquat sind.

Und wie unterscheiden Sie Burnout und Depression?

Das war genau ein Thema der Tagung. Viele Psychiater betrachten „Burnout“ als Depression, die Diagnose „Burnout“ ist soziokulturell aber besser „vermittelbar“. Gerade für Männer in Führungspositionen scheint es extrem schwierig zu sein, die Diagnose „Depression“ zu akzeptieren. Da ist es dann unverfänglicher und letztlich auch normal, von „Burnout“ zu sprechen.

Es bestand unter den Referenten Konsens, dass der Begriff „Burnout“ keine Diagnose, sondern eher ein Konstrukt ist, unter dem verschiedene Symptome eigenständiger Diagnosen zusammengefasst werden.

Welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es?

Es gibt natürlich verschiedene Möglichkeiten der psychiatrischen oder psychologischen Therapie: bspw. eine Gesprächs- oder Verhaltenstherapie oder eine medikamentöse Behandlung. In letzter Zeit hat aber auch die Bewegungstherapie zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Was genau umfasst eine Bewegungstherapie?


Bewegungstherapie umfasst jede Form von gezielt eingesetzter körperlicher Aktivität, die idealerweise ausgerichtet ist an der aktuellen körperlichen Belastbarkeit der Erkrankten. In der Regel besteht Bewegungstherapie aus Elementen zur Verbesserung der Ausdauer, der Kraft, aber auch – und das ist gerade für ältere Menschen besonders wichtig – der Koordination und Gleichgewichtsfähigkeit.

Und wie lässt sich die positive Wirkung der Bewegungstherapie erklären?

Dabei lassen sich zwei Mechanismen unterscheiden: Einmal führt körperliche Belastung zu einer Ermüdung; man kann dadurch besser schlafen und auf diese Weise den psychischen Stress besser kompensieren, der ja oftmals mit erheblichen Schlafstörungen verbunden ist. Bewegung wird in diesem Zusammenhang manchmal auch als „somatischer Tranquilizer“ bezeichnet.

Und zweitens kommt es durch körperliche Belastung zu Veränderungen des Hirnstoffwechsels; die Konzentration der Stresshormone wird durch körperliche Belastung erhöht und auch der Botenstoff Serotonin wird besser synthetisiert und ins Gehirn transportiert. Dieser Mechanismus gilt als ein Grund für die gute Wirkung einer Bewegungstherapie bei Depression und würde hier die These stützen, dass Burnout eher Depression ist.

Sport, besonders Hochleistungssport, kann aber auch Auslöser von Depressionen sein. Das wurde auch auf Ihrer Tagung thematisiert. Wie kann ein Spitzensportler einer Depression vorbeugen?

Hochleistungssport ist mit teilweise extrem hohem Stress verbunden. Die meisten Menschen sehen dabei nur die Top-Profis mit mehreren Millionen Euro Jahreseinkommen, kaum jemand die vielen Sportlerinnen und Sportler, die durch den Sport zwar für eine bestimmte Zeit ihres Lebens ein teilweise erhebliches Einkommen haben, aber dabei immer wieder auf dem Prüfstand stehen, um die Förderung weiterhin zu erhalten.

Das beginnt bereits bei Jugendlichen bei der Frage, ob sie in einen Förderungskader kommen, ein Stipendium bekommen oder – in manchen Sportarten – bereits einen Profivertrag. Und kaum jemand macht sich klar, was es für diese jungen Menschen bedeutet, wenn die Fortsetzung ihrer Karriere z.B. durch eine Verletzung oder durch Formschwankungen zu scheitern droht. Der Druck ist enorm.

Die Zahl von Profisportlern, die ihre Probleme mit Alkoholismus oder auch Depression bzw. Burnout öffentlich machen, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Burnout und Depression sind im Profi-Sport dabei vermutlich deutlich höher als angenommen.

Es besteht ein deutlicher Nachholbedarf im Rahmen der sportmedizinischen Betreuung, gefährdete Athletinnen und Athleten frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

Das Gespräch führte Giselind Werner.
 

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