UHH Newsletter

Sep­tem­ber 2015, Nr. 77

FOR­SCHUNG

Die Kreuzritter-Schnecke  Levantina spiriplana  auf Rhodos, hier in Spalten von Kalkfelsen bei Kamiros. Foto: UHH/Glaubrecht

Die Kreuz­rit­ter-​Schne­cke Le­van­ti­na spi­ri­pla­na auf Rho­dos, hier in Spal­ten von Kalk­fel­sen bei Ka­mi­ros. Foto: UHH/Glau­brecht

Stu­die be­legt: Kreuz­rit­ter ver­brei­te­ten Schne­cken­ar­ten über das Meer

Schne­cken kön­nen bei­na­he alles – nur flie­gen nicht. Die Gat­tung Le­van­ti­na al­ler­dings kommt nicht, wie der Name Le­van­te ver­mu­ten las­sen würde, nur im heu­ti­gen Is­ra­el, Li­ba­non und Sy­ri­en vor, son­dern auch weit ab des öst­li­chen Mit­tel­mee­res auf ei­ni­gen ägäi­schen In­seln. Wie die Weich­tie­re dort hin­ge­langt sind, un­ter­such­te der Ham­bur­ger Zoo­lo­ge und Bio­sys­te­ma­ti­ker Mat­thi­as Glau­brecht. Nun konn­te er – ge­mein­sam mit sei­nem Kol­le­gen Va­le­rio Ket­mai­er von der Uni­ver­si­tät Rom – nach­wei­sen, dass die Jo­han­ni­ter-​Kreuz­rit­ter den Schne­cken bei der Be­sied­lung die­ser Le­bens­räu­me be­hilf­lich waren. Die Er­geb­nis­se der Un­ter­su­chung wur­den im Fach­jour­nal „Zoo­sys­te­ma­tics and Evo­lu­ti­on“ ver­öf­f­ent­licht.

Glau­brecht und Ket­mai­er un­ter­such­ten mit­tels mo­derns­ter mo­le­ku­lar­ge­ne­ti­scher Ver­fah­ren ver­schie­de­ne Pro­ben der Gat­tung Le­van­ti­na und konn­ten die ver­wandt­schaft­li­chen Be­zie­hun­gen ein­zel­ner Vor­kom­men über com­pu­ter­ge­ne­rier­te Stamm­bäu­me re­kon­stru­ie­ren.

Zwei Be­sied­lungs­wel­len nach­weis­bar

Dem­nach wurde die Re­gi­on der heu­ti­gen ägäi­schen In­seln um Rho­dos gleich zwei­mal vom ana­to­li­schen Fest­land von den Land­schne­cken Le­van­ti­na be­sie­delt. Das erste Mal dürf­te dies auf na­tür­li­chem Weg be­reits im Plio­zän, also vor 2,8 bis 3,5 Mil­lio­nen Jah­ren, er­folg­te sein, als es noch land­fes­te Ver­bin­dun­gen in der Re­gi­on gab.

Da­ge­gen kamen die Schne­cken wäh­rend einer zwei­ten, sehr viel jün­ge­ren Be­sied­lungs­wel­le di­rekt aus der Le­van­te nach Rho­dos. Beide Li­ni­en be­sie­deln auch die be­nach­bar­ten In­seln Kar­pa­thos und Symi.

„Wir kön­nen aus un­se­ren Stamm­bäu­men deut­li­che zeit­li­che Un­ter­schie­de der Be­sied­lung er­ken­nen und damit auch die ver­mut­lich ver­ant­wort­li­chen Ur­sa­chen“, er­läu­tert Glau­brecht die Be­fun­de. „Da Schne­cken nicht übers Meer flie­gen, ist es wahr­schein­lich, dass Kreuz­rit­ter sie auf und vor allem in­ner­halb der In­seln ver­schleppt haben.“ Ob dies al­ler­dings un­ab­sicht­lich, etwa mit Bau­ma­te­ri­al, oder ge­zielt, z.B. als Fas­ten­spei­se, ge­schah, lässt sich der Stu­die von Ket­mai­er und Glau­brecht zu­fol­ge nicht mehr sagen.

Spe­zi­fi­sche Vor­kom­men an Be­fes­ti­gungs­an­la­gen der Kreuz­rit­ter

Mit die­ser ak­tu­el­len Un­ter­su­chung be­stä­tigt Glau­brecht eine These, die er be­reits vor mehr als 20 Jah­ren in sei­ner Di­plom­ar­beit auf­ge­stellt hatte. Da­mals hatte er auf der In­sel­grup­pe Do­de­ka­nes, die u. a. Rho­dos und Kar­pa­thos um­fasst, nicht nur das Vor­kom­men ein­zel­ner Le­van­ti­na-​Ar­ten nach­ge­wie­sen, son­dern ent­deck­te auch, dass be­stimm­te For­men stets nur an Orten leben, die eng mit der Ge­schich­te der Jo­han­ni­ter-​Kreuz­rit­ter ver­knüpft sind.

Eine der Arten von Le­van­ti­na, die auf­fäl­lig sol­chen aus der Le­van­te gleicht, kam etwa aus­schließ­lich in den Be­fes­ti­gungs­an­la­gen der Jo­han­ni­ter vor. Da­ge­gen wird die ge­sam­te üb­ri­ge Insel von einer an­de­ren, deut­lich ver­schie­de­nen Art be­sie­delt.

Es waren genau diese in den 90er-​Jah­ren ge­sam­mel­ten und in der Uni­ver­si­tät Ham­burg hin­ter­leg­ten Pro­ben, aus denen nun das DNA-​Ma­te­ri­al für die ge­ne­ti­schen Un­ter­su­chun­gen ent­nom­men wurde.

„Da­mals stütz­te sich die Kreuz­rit­ter-​The­se auf Scha­len­mor­pho­lo­gie und Bio­geo­gra­fie“, er­klärt Glau­brecht. Nun sei die mo­le­ku­lar­ge­ne­ti­sche Be­stä­ti­gung er­folgt.

„Die Le­van­ti­na-​Land­schne­cken der grie­chi­schen In­seln sind ein gutes Bei­spiel dafür, wie sich die an­thro­po­ge­ne Aus­brei­tung – also die Ver­brei­tung von Tier­ar­ten durch den Men­schen – ent­schei­dend auf die Zu­sam­men­set­zung von Fau­nen und Flo­ren aus­wirkt“, so Glau­brecht.

PM/Red.
 


Kon­takt:

Prof. Dr. Mat­thi­as Glau­brecht
Cen­trum für Na­tur­kun­de (CeNak) – Zoo­lo­gi­sches Mu­se­um

t. 040.42838-​2275/-5633
e. mat­thi­as.glau­brecht"AT"uni-​ham­burg.de

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