UHH Newsletter

Sep­tem­ber 2015, Nr. 77

FOR­SCHUNG

Prof. Dr. Thomas Kaiser vom CeNak und Prof. Dr. Michael Hofreiter von der Universität Potsdam begutachten den mehr als 300 Jahre alten Narwalschädel, der von den Forscherinnen und Forschern der Universität Hamburg liebevoll „Lisa“ genannt wird. Foto: UHH, RRZ/MCC, Mentz

Prof. Dr. Tho­mas Kai­ser vom CeNak und Prof. Dr. Mi­cha­el Hof­rei­ter von der Uni­ver­si­tät Pots­dam be­gut­ach­ten den mehr als 300 Jahre alten Nar­wal­schä­del, der von den For­sche­rin­nen und For­schern der Uni­ver­si­tät Ham­burg lie­be­voll „Lisa“ ge­nannt wird. Foto: UHH, RRZ/MCC, Mentz

Prof. Dr. Michael Hofreiter bohrt den Knochen an, in dem sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genug DNA-Material erhoffen, um das Geschlecht von „Lisa“ bestimmen zu können. Foto: UHH, RRZ/MCC, Mentz

Prof. Dr. Mi­cha­el Hof­rei­ter bohrt den Kno­chen an, in dem sich die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler genug DNA-​Ma­te­ri­al er­hof­fen, um das Ge­schlecht von „Lisa“ be­stim­men zu kön­nen. Foto: UHH, RRZ/MCC, Mentz

Die bisher einige Quelle für das Geschlecht des Tieres ist ein Flugblatt aus dem Jahr 1684, das den Fang dokumentiert und neben dem Schädel auch einen Wal-Embryo zeigt. Faksimile nach einem Original aus der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

Die bis­her ei­ni­ge Quel­le für das Ge­schlecht des Tie­res ist ein Flug­blatt aus dem Jahr 1684, das den Fang do­ku­men­tiert und neben dem Schä­del auch einen Wal-​Em­bryo zeigt. Fak­si­mi­le nach einem Ori­gi­nal aus der Staats-​ und Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek Ham­burg

Rät­sel bald ge­löst? Nar­wal­schä­del mit zwei Stoß­zäh­nen des Cen­trums für Na­tur­kun­de wird er­forscht

Auch die „Mona Lisa der Ham­bur­ger Na­tur­kun­de“ ist ein­zig­ar­tig: Nur 20 Nar­wal­schä­del mit gleich zwei Stoß­zäh­nen sind welt­weit be­kannt, und bis­her wird nur einer einem weib­li­chen Tier zu­ge­schrie­ben, näm­lich „Lisa“ aus der Zoo­lo­gi­schen Samm­lung des Cen­trums für Na­tur­kun­de (CeNak) der Uni­ver­si­tät Ham­burg. Diese Zu­ord­nung wird nun als Teil einer ak­tu­el­len wis­sen­schaft­li­chen Un­ter­su­chung erst­mals auf die Probe ge­stellt.

Am 31. Au­gust wur­den im Bei­sein von zahl­rei­chen Pres­se­ver­tre­te­rin­nen und -​ver­tre­tern Pro­ben aus dem mehr als 300 Jahre alten Schä­del ent­nom­men, der dafür zum ers­ten Mal seit Jahr­zehn­ten aus der Vi­tri­ne im Zoo­lo­gi­schen Mu­se­um ge­nom­men wurde. Die Be­pro­bung führ­ten Prof. Dr. Tho­mas Kai­ser, Säu­ge­tier-​Ku­ra­tor und Ex­per­te für die Un­ter­su­chung von Säu­ger­zäh­nen am CeNak, und Prof. Dr. Mi­cha­el Hof­rei­ter aus der Ab­tei­lung Evo­lu­ti­ve und Ad­ap­ti­ve Ge­no­mik des In­sti­tuts für Bio­che­mie und Bio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Pots­dam durch.

DNA-​Pro­ben aus dem Nar­wal­schä­del

„Wir möch­ten her­aus­fin­den, ob es sich bei ‚Lisa‘ tat­säch­lich um ein Weib­chen han­delt – und damit um eine Welt­sen­sa­ti­on“, er­klärt Prof. Kai­ser vom CeNak. Die bis­her ein­zi­ge Quel­le für das Ge­schlecht sei ein Kup­fer­stich aus dem Jahr 1684, der den spek­ta­ku­lä­ren Wal­fang vor Spitz­ber­gen do­ku­men­tie­re und auch ein un­ge­bo­re­nes Jung­tier zeige. Die „an­ci­ent DNA“, also die im Kno­chen er­hal­te­ne alte Erb­sub­stanz, soll nun Klar­heit brin­gen.

Der Wal­schä­del hat schon viel durch­ge­macht: Nach dem Fang des Tie­res 1684 ging er auf eine Odys­see durch zahl­rei­che Pri­vat­samm­lun­gen und lan­de­te schließ­lich im da­ma­li­gen Ham­bur­ger Na­tur­kun­de­mu­se­um, wo er 1943 zum Schutz vor den Brand­bom­ben ein­ge­mau­ert wurde. Das Na­tur­kun­de­mu­se­um wurde voll­stän­dig zer­stört und der Schä­del ge­lang­te ins Zoo­lo­gi­sche Mu­se­um der Uni­ver­si­tät, wo bei einer Re­stau­rie­rung in den 80er-​Jah­ren eine Be­hand­lung mit Na­tron­lau­ge not­wen­dig war, die wie­der­um Gift für DNA ist. „Ob wir genug Ma­te­ri­al ge­win­nen konn­ten, kann man jetzt noch nicht sagen. Das muss man aus­pro­bie­ren“, so Prof. Hof­rei­ter.

Für den DNA-​Ver­gleich wur­den bei dem Pres­se­ter­min nicht nur Pro­ben von „Lisa“ ge­nom­men, son­dern auch von wei­te­ren in der Zoo­lo­gi­schen Samm­lung vor­han­de­nen Nar­wal­schä­deln, von denen einer ein­zah­nig ist und ein­deu­tig einem Männ­chen zu­ge­ord­net wer­den kann. Die DNA-​Be­stim­mung fin­det am In­sti­tut für Bio­che­mie und Bio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Pots­dam statt.

Un­ter­su­chung des Nut­zens der Stoß­zäh­ne

„Dar­über hin­aus wer­den wir im Ver­lauf der kom­men­den drei Jahre eine Viel­zahl mo­derns­ter For­schungs­me­tho­den an Lisa zum Ein­satz brin­gen“, be­rich­tet Prof. Kai­ser. Dazu ge­hö­ren die Er­stel­lung prä­zi­ser 3D-​Mo­del­le und die Mo­del­lie­rung des Was­ser­wi­der­stan­des eben­so wie die Ober­flä­chen­ana­ly­se der ge­wal­ti­gen Stoß­zäh­ne. Die For­sche­rin­nen und For­scher er­hof­fen sich so Hin­wei­se dar­auf, wie die Tiere ihre mäch­ti­gen Lan­zen unter Was­ser be­nut­zen.

„Die­ser Nar­wal­schä­del ist ein her­vor­ra­gen­des Bei­spiel für das Po­ten­zi­al wis­sen­schaft­li­cher Samm­lun­gen“, er­klärt Prof. Mat­thi­as Glau­brecht, wis­sen­schaft­li­cher Di­rek­tor des CeNak. „Mit den heu­ti­gen Me­tho­den kön­nen wir auch jahr­hun­der­te­al­te Stü­cke noch für die mo­der­ne For­schung nut­zen und neue Er­kennt­nis­se ge­win­nen, die vor ei­ni­gen Jah­ren nicht mög­lich ge­we­sen wären.“

PM/Red.
 


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Da­ni­el Bein
Cen­trum für Na­tur­kun­de (CeNak)

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