UHH Newsletter

Mai 2015, Nr. 74

FORSCHUNG



Kontakt:

Prof. Dr. Dr. Christian Betzel
Institut für Biochemie und Molekularbiologie

t. 040.42838-6069
e. christian.betzel"AT"uni-hamburg.de

Struktur des Spiegelmers NOX-E36, gebunden an das Entzündungsprotein CCL2. Grafik: Dominik Oberthür/CFEL:

Struktur des Spiegelmers NOX-E36, gebunden an das Entzündungsprotein CCL2. Grafik: Dominik Oberthür/CFEL:

Forschern gelingt Analyse neuartiger Entzündungshemmer

Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Christian Betzel vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Hamburg hat erstmals die dreidimensionale Struktur von neuen biotechnischen Wirkstoffen entschlüsselt, den sogenannten Spiegelmeren. Mit Spiegelmeren sollen künftig z.B. Entzündungsreaktionen oder Krebserkrankungen besser behandelt werden.

Das Team um Prof. Betzel, der auch Mitglied im Exzellenzcluster „The Hamburg Centre for Ultrafast Imaging“ (CUI) ist, sowie Kolleginnen und Kollegen der Universität Aarhus (Dänemark) stellten ihre Analysen jetzt zusammen mit der Berliner Biotech-Firma NOXXON im britischen Fachblatt „Nature Communications“ vor.

Ein Spiegelmer ist die künstlich hergestellte Spiegelbild-Version von DNA- oder RNA-Molekülen. Spiegelmere beruhen auf Bausteinen der Nukleinsäuren (RNA oder DNA), die im Organismus unterschiedliche Aufgaben erfüllen, etwa die Speicherung und Übertragung von Erbinformationen oder die Regulierung von Genen.

Ohne unerwünschte Nebenwirkungen

Da körpereigene Enzyme nur die natürlich vorkommenden RNA-Moleküle abbauen können und nicht die Spiegelbild-Version, sind Spiegelmere im Gegensatz zu normalen RNA- und DNA-Molekülen im Körper stabil. Außerdem binden sich Spiegelmere exakt nur an ein Ziel und rufen daher – anders als bisher verwendete Stoffe, die oft auf mehrere Ziele im Körper passen – keine unerwünschten Nebenwirkungen hervor.

Die Ergebnisse der Forschungsarbeit ermöglichen ein tieferes Verständnis der Funktion dieser Wirkstoffe: „Spiegelmere werden im Labor über ein ausgeklügeltes evolutives Verfahren identifiziert und optimiert. Allerdings gab es bislang keinerlei Strukturinformationen von Spiegelmeren“, so Dr. Dominik Oberthür vom Center for Free-Electron Laser Science (CFEL), einer Kooperation zwischen Universität Hamburg, Max-Planck-Gesellschaft und dem Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY). Wäre die räumliche Struktur eines Spiegelmers zusammen mit der Bindungsstelle an seinem Zielprotein bekannt, ließe sich der genaue Wirkmechanismus aufklären und bei Bedarf die Form des Wirkstoffs gezielt optimieren.

Wirkstoff als Entzündungshemmer bereits in der klinischen Erprobung

Das Team um Prof. Betzel hat nun mit dem hellen Röntgenlicht von PETRA III am DESY ein Spiegelmer der Firma NOXXON mit der Bezeichnung NOX-E36 analysiert. Es hemmt ein Protein namens CCL2, das an zahlreichen Entzündungsprozessen im Körper beteiligt ist.

„Wenn man so ein Entzündungsprotein gezielt mit einem Spiegelmer blockiert, hat man gute Chancen, die Entzündung im Körper herunterzufahren“, erläutert Betzel. NOX-E36 ist bereits erfolgreich in einer sogenannten Phase-IIa-Studie mit Patientinnen und Patienten getestet worden.

Für die Strukturanalyse des neuartigen Wirkstoffs züchteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst Kristalle aus dem Spiegelmer und dem daran gebundenen Protein CCL2.

„Die Kristallisation war eine Herausforderung“, berichtet Betzel. Denn die meisten Biomoleküle lassen sich nur sehr schwer in Kristallform zwingen, weil das ihrer natürlichen Funktion widerspricht. Eine Gruppe um Laure Yatime, PhD von der Universität Aarhus analysierte ein zweites Spiegelmer: NOX-D20 koppelt an das Protein C5a, das ebenfalls an zahlreichen Entzündungsprozessen beteiligt ist. Die Analysen zeigen die räumliche Struktur der beiden Spiegelmere mit einer Detailgenauigkeit von 0,2 Nanometern, das sind Millionstel Millimeter – die Größenordnung einzelner Atome.

PM/Red.
 

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