Von Alpha bis Omega in 55 Jahren: Lexikon des frühgriechischen Epos fertiggestellt
Vom 6. bis 9. Oktober 2010 fand das Abschlusskolloquium für das „Lexikon des frühgriechischen Epos“ im Hauptgebäude der Universität Hamburg statt. Bruno Snell, Altphilologe und ehemaliger Rektor der Universität Hamburg, initiierte das Projekt nach dem Zweiten Weltkrieg. Alle Wörter der ältesten Texte der griechischen Literatur werden in dem Lexikon aufgeführt. Von der Publikation des ersten bis zum Erscheinen des letzten Kapitels vergingen 55 Jahre.
Gründer des „Lexikons des frühgriechischen Epos“ war Bruno Snell, der von 1945 bis 1946 als erster Dekan nach dem Zweiten Weltkrieg die Philosophische Fakultät leitete, und von 1951 bis 1953 Rektor der Universität Hamburg war. Der Professor für Klassische Philologie plante das Lexikon ursprünglich als Teil eines Gesamtprojekts, eines Archivs für griechische Lexikographie, des „Thesaurus Linguae Graecae“, das der Universität Hamburg angegliedert war. Aus dieser Idee wurden der „Index Hippocraticus“ und das „Lexikon des frühgriechischen Epos“ verwirklicht, das nun seinen Abschluss fand.
Im „Lexikon des frühgriechischen Epos“ begannen Snell und seine Mitarbeiter die Wörter der ältesten griechischen Texte zu sammeln, die die Grundlagen der griechischen und europäischen Literatur bilden. Diese sind im Wesentlichen die homerischen Epen „Ilias“ und „Odyssee“, die Gedichte von Hesiod und die Homerischen Hymnen. Die ältesten Wörter Europas wurden aber nicht nur in einem Lexikon aufgeführt und übersetzt, sondern auch in ihrer ursprünglichen Bedeutung dargestellt.
Abschlussveranstaltung für ein großes Lexikon
Die ersten Lexikoneinträge erschienen 1955, die letzten Ausgaben, Nummer 24 und 25, wurden 2010 veröffentlicht, somit sind alle Wörter des frühgriechischen Epos vollständig in alphabetischer Reihenfolge in vier Bänden von Alpha bis Omega dargestellt. Im Rahmen eines dreitägigen internationalen Abschlusskolloquiums mit dem Titel „Homer, gedeutet durch ein großes Lexikon“ wurde der Abschluss des Projektes gefeiert.
Der Koordinator der Hamburger Arbeitsstelle und einer der Autoren der Lexikoneinträge ist Dr. William Beck: „Es ist ein historisches Ereignis, dass wir die Arbeit am Lexikon des frühgriechischen Epos nun abgeschlossen haben. Man merkt der positiven Stimmung auf dieser Veranstaltung an, dass viele Teilnehmer direkt beteiligt waren und mitgearbeitet haben.“
In Anwesenheit des Präsidenten der Akademie, Professor Christian Starck, und des Vorsitzenden der LfgrE-Kommission, Professor Arbogast Schmitt, dankte der Vizepräsident der Universität Hamburg, Professor Holger Fischer, der Akademie der Wissenschaft zu Göttingen. Er betonte aber auch die enge Verbundenheit des Werkes – als Erbe Bruno Snells – mit der Geschichte der Universität Hamburg: „Ein Stück Hamburger Geschichte wird heute zu einem sehr erfolgreichen Abschluss geführt. Das ist wirklich bewundernswert, denn es ist nicht unbedingt die Regel, dass ein solches Monumentalwerk über so viele Jahre – ich möchte sagen, still, leise und beharrlich – im wahrsten Sinne des Wortes buchstäblich zu Ende gebracht wird.“
Dienstleistung für ein Fachpublikum
Das Lexikon des frühgriechischen Epos bietet durch die von Snell und seinen Mitarbeitern eingeführte Gründlichkeit eine umfangreiche und solide Basis für das Verständnis des epischen Wortschatzes. Es ist eine Dienstleistung für ein interessiertes Fachpublikum und ermöglicht fundierte Erforschung der weiteren Entwicklung des Wortschaftes vor allem in der Dichtung und der Philosophie.
55-jährige Geschichte eines Lexikons
Die Vorgehensweise war folgende: die Autoren der Lexikonartikel verteilten unter sich die zu bearbeitenden griechischen Wörter auf einer jährlichen Konferenz, ließen den jeweils von einem Autor verfassten Artikel dann von einem Fachkollegen gegenlesen und anschließend von einem Redaktor prüfen. Der erste Band, der nach 26 Jahren fertiggestellt wurde, bearbeitet nur den Buchstaben Alpha, wobei man wissen muss, dass sehr viele griechische Wörter mit Alpha beginnen – rund 1/6. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) wollte sich 1976 aus die Finanzierung des Projekts zurückziehen. Erst eine internationale Unterschriftensammlung erreichte, dass sie ihre Unterstützung noch bis 1980 fortsetzte. Danach übernahm die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen das „Lexikon des frühgriechischen Epos“. An der Universität Hamburg blieb jedoch eine Arbeitsstelle des Lexikon bestehen, und das Projekt bekam bis zuletzt finanzielle, sachliche und räumliche Unterstützung durch die Freie und Hansestadt Hamburg.
Ab dem Buchstabe Beta wurde eine deutliche Straffung der Arbeit und Kürzung der Darstellung vorgenommen.
Bruno Snells Erbe
Bruno Snell hat der Universität Hamburg nicht nur das
Erbe seines wissenschaftlichen Wirkens hinterlassen, wie das große Lexikon des altgriechischen Epos. Vizepräsident Professor Holger Fischer betonte bei den Feierlichkeiten zum Lexikonabschluss auch, „dass Bruno Snell an dieser Universität in Erinnerung bleibt, weil er als einer von wenigen Professoren, in der Zeit des Nationalsozialismus aufrecht blieb und sich couragiert der Gleichschaltung widersetzte. Deshalb ist er eine Symbolfigur.“
A. Bärthel