Testosteron ist bekannt für seinen Einfluss auf das Verhalten in Situationen von Konkurrenz- bzw. Wettbewerb und Bedrohung, und man verbindet mit dem Hormon eher negative Eigenschaften wie erhöhte Aggressionsbereitschaft, Dominanz oder unsoziales Verhalten.
Obwohl es auch Studien gibt, die einen prosozialen Effekt von Testosteron nachweisen konnten, wurden bisher Faktoren wie „Gruppenzugehörigkeit“ nicht in Testosteron-Verhaltensstudien einbezogen. Daher hat das Forschungsteam um Jun.-Prof. Diekhof im vergangenen Jahr untersucht, inwiefern Testosteron das Verhalten während einer Konkurrenzsituation zwischen Gruppen beeinflusst.
50 Fußballfans als Probanden
Bei der Studie wurden 50 männliche Fußballfans getestet, die am PC ein sogenanntes Ultimatumspiel spielen mussten. Das Ultimatumspiel wird in der Verhaltensforschung angewendet, um Altruismus (Selbstlosigkeit) bzw. Egoismus zu erforschen. Bei dem Spiel wird untersucht, inwieweit die Spielerinnen und Spieler nur ihren eigenen Nutzen maximieren oder auch die Interessen anderer in ihre Entscheidungen mit einbeziehen, Spielregeln einhalten und Gerechtigkeitssinn zeigen. In dieser Studie wurde die körpereigene Testosteronkonzentration anhand von Speichelproben gemessen, die am Morgen des Testtages abgegeben wurden.
Die Fußballfans spielten das Ultimatumspiel auf zweierlei Weise: Zum einen sollten sie für sich selbst Punkte sammeln. Zum anderen gab es einen Wettbewerb, bei dem sie in der Gruppe gegen Fans der anderen Vereine spielen sollten und am Ende der Verein gewann, der als Gruppe die meisten Punkte hatte – die Teilnehmer mussten also zwischen persönlichem Gewinn und dem Erfolg ihrer Gruppe abwägen.
Negatives Image des Hormons beruht auf alten Befunden
Die Daten zeigten, dass Testosteron bei Männern z.B. den Verzicht auf persönliche Vorteile zum Wohle der eigenen Gruppe oder eine erhöhte Kooperationsbereitschaft gegenüber eigenen Gruppenmitgliedern fördert. Dies galt vor allem in Situationen, bei denen sie sich für die eigene Gruppe einsetzen und gegen andere behaupten mussten.
„Das negative Verständnis der Wirkung von Testosteron beruht zumeist auf recht alten und nur korrelativen Befunden, zum Beispiel aus Fragebögen. Wir haben auch nach den positiven Eigenschaften dieses Hormons gesucht und experimentelle Beobachtungen verwendet sowie individuelle Unterschiede im Testosteronspiegel einbezogen. Unsere Ergebnisse ergänzen das Verständnis über die Wirkung von Testosteron um einen wichtigen Aspekt: das Leben in sozialen Gruppen. Hier finden wir einen positiven Einfluss. Eine durchaus interessante Nachricht im Hinblick auf das schlechte Image dieses wichtigsten männlichen Sexualhormons“, so Juniorprofessorin Diekhof.
Mehr zur Studie: Esther K. Diekhof, Susanne Wittmer, Luise Reimers (2014). ”Does Competition Really Bring Out the Worst? Testosterone, Social Distance and Inter-Male Competition Shape Parochial Altruism in Human Males”, PLoS ONE 9(7): e98977. doi:10.1371/journal.pone.0098977
L. Reimers/Red.