Überraschenderweise können zwei nicht-magnetische und elektrisch isolierende Materialien in diesem Grenzbereich metallisch und magnetisch werden. Grund für den Charakterwechsel der Materialien ist die gebrochene Symmetrie an ihrer Grenzfläche: Beide Materialien haben verschiedene Eigenschaften und Strukturen; bringt man sie in Kontakt, müssen sie sich sozusagen miteinander arrangieren, was zu neuen Eigenschaften führt.
Röntgenanalyse am DESY
Bei ihrer Untersuchung nutzten die Forscherinnen und Forscher eine besondere Röntgenanalyse des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY). Als Beispiel hat die Gruppe die Grenzfläche der beiden Übergangsmetalloxide Strontiumtitanat (SrTiO3) und Lanthanaluminat (LaAlO3) untersucht. Die beiden Isolatoren bilden eine elektrisch leitende Grenzschicht. Basierend auf bisherigen physikalischen Grundsätzen wäre dabei eine zehnfach höhere Leitfähigkeit zu erwarten gewesen. Stattdessen schienen 90 Prozent der Elektronen verschwunden.
Forschungslichtquelle macht bisher Unsichtbares sichtbar
Auf der Suche nach diesen verschwundenen Elektronen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Grenzregion der beiden Materialien mit DESYs heller Forschungslichtquelle DORIS III ausgeleuchtet und dafür Licht aus einem breiteren Ultraviolett-Energiebereich benutzt als je zuvor. Die Untersuchung zeigt, dass nur ein Teil der erwarteten Elektronen tatsächlich zur Grenzregion wandert, um eine leitende Schicht zu formen. Die meisten Elektronen verteilen sich in Untereinheiten des Lanthanaluminats um, wo sie bisherigen Techniken in früheren Untersuchungen verborgen blieben.
„Im Prinzip kann unsere Untersuchungstechnik für jede Art Grenzfläche benutzt werden“, betont Rübhausen. „Wir haben gerade erst angefangen, die grundlegenden Eigenschaften von Grenzflächen damit zu untersuchen.“ Weitere Untersuchungen müssen allerdings warten, bis die sogenannte Superlumi-Messstation, die für diese Arbeit benutzt wurde, von der inzwischen abgeschalteten Lichtquelle DORIS III an die DESY-Lichtquelle PETRA III transferiert worden ist. „Im Moment gibt es keine Anlage weltweit, die dieses messen kann.“
Bessere Solarzellen oder Supraleiter, kleinere Festplatten
Mit einem besseren Verständnis der Grenzflächen lassen sich deren Eigenschaften besser steuern, erwarten die Forscher. „Wenn wir lernen, wie wir die Grenzflächen kontrollieren, können wir völlig neue Eigenschaften konstruieren“, so Rübhausen. Das Grenzflächen-Phänomen lässt sich ausnutzen, um z.B. bessere Solarzellen, Supraleiter oder kleinere Festplatten zu entwerfen.
Über CFEL und DESY
Das CFEL ist eine Kooperation von DESY, der Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. Das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY ist das führende deutsche Beschleunigerzentrum und eines der führenden weltweit.
Originalveröffentlichung
"Mechanisms of charge transfer and redistribution in LaAlO3/SrTiO3 revealed by high-energy optical conductivity"; T.C. Asmara et al.; Nature Communications (2014); DOI: 10.1038/ncomms4663
PM/Red.