UHH Newsletter

Juni 2015, Nr. 75

INTERVIEW



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Prof. Dr. Gabi Reinmann
Leiterin des Interdisziplinären Zentrums für universitäres Lehren und Lernen
Universität Hamburg

t. 040.42838-9634
e. gabi.reinmann"AT"uni-hamburg.de
w. www.izull.uni-hamburg.de/


Weiterführende Links:
Gabi Reinmanns Blog: http://gabi-reinmann.de/

Prof. Dr. Gabi Reinmann ist seit dem 1. Juni Professorin für „Lehren und Lernen an der Hochschule“. Foto: privat

Prof. Dr. Gabi Reinmann ist seit dem 1. Juni Professorin für „Lehren und Lernen an der Hochschule“. Foto: privat

Herausforderungen der Hochschuldidaktik. Interview mit Gabi Reinmann, der neuen Leiterin des IZuLL

Wer sich mit dem Einsatz digitaler Medien in der Hochschullehre befasst, kennt ihren Namen: Prof. Dr. Gabi Reinmann. Die habilitierte Psychologin, Hochschuldidaktik-Professorin und Bloggerin hat nun einen Ruf an die Universität Hamburg angenommen und zum 1. Juni die Professur für „Lehren und Lernen an der Hochschule“ angetreten. Damit verbunden ist die Leitung des erst im vergangenen Jahr gegründeten Interdisziplinären Zentrums für universitäres Lehren und Lernen (IZuLL). Wir haben mit ihr über die Ideen gesprochen, die sie in Bezug auf universitäres Lehren und Lernen und das neue Zentrum mit an die Universität Hamburg bringt.

Erst einmal: Herzlichen Glückwunsch auch von uns zu Ihrer Berufung. Ihr Ruf eilt Ihnen ja voraus – aber wie sieht es eigentlich umgekehrt aus: Welchen Platz nimmt in Ihrer Wahrnehmung die Universität Hamburg im Bereich Hochschuldidaktik ein? Gab es bereits Berührungspunkte zur Universität Hamburg in Ihrer bisherigen Tätigkeit?

Da gab es in den letzten Jahren einige Berührungspunkte über Projekte und Veranstaltungen: Ich habe nicht alle, aber doch mehrere Einladungen zu Expertisen, Workshops, Vorträgen etc. an die Universität Hamburg immer sehr gerne angenommen und von dem Austausch profitiert, der daraus resultierte.

Denkt man an die Hochschuldidaktik, wie sie sich in Deutschland seit den 1960er Jahren entwickelt hat, kommt man an der Universität Hamburg gar nicht vorbei: Viele auch heute noch aktiv Forschende und eine Fülle von hochschuldidaktischen Schriften haben hier in ihren Ausgang genommen. Nicht zuletzt hat natürlich die langjährige Zusammenarbeit mit Rolf Schulmeister, dem Leiter des Vorgängerzentrums ZHW, mein persönliches Verhältnis zur Universität Hamburg mit geprägt.

Wo wird der Schwerpunkt liegen im Rahmen Ihrer Professur „Lehren und Lernen an der Hochschule“?

Bereits die Denomination markiert einen Schwerpunkt, denn „Lernen und Lehren an der Hochschule“ ist keine Disziplin, sondern eine Eingrenzung auf ganz bestimme bildungswissenschaftliche Fragen und Herausforderungen, nämlich auf Fragen und Herausforderungen einer Bildung durch Wissenschaft.

Die Theorie, Empirie und Praxis des Lehrens und Lernens an Hochschulen unter der regulativen Idee einer Bildung durch Wissenschaft ist auch mein Verständnis von Hochschuldidaktik als dem Fokus meiner Arbeit. Hochschuldidaktik wiederum ist interdisziplinär, weshalb ich sehr froh bin über die Bezeichnung „Interdisziplinäres Zentrum für universitäres Lehren und Lernen“ (über deren Abkürzung wir uns derzeit noch Gedanken machen).

Hochschuldidaktik ist nämlich meiner Einschätzung nach immer zugleich Hochschulforschung, Wissenschaftsforschung und Bildungsforschung. Das heißt: Hochschuldidaktik beschäftigt sich mit dem Lehren und Lernen an der Institution Hochschule und impliziert daher Hochschulforschung; ihr Gegenstand ist die Wissenschaft, was sie deutlich von anderen Didaktiken unterscheidet, weshalb sie genau genommen immer auch Wissenschaftsdidaktik sein muss; in diesem Rahmen schließlich hat sie nicht alle Phänomene im Blick, sondern primär das äußert komplexe Verhältnis von Lehren und Lernen und ist somit eine Form der Bildungsforschung.

Gibt es schon konkrete Projekte, die Sie verfolgen werden oder verfolgen wollen?

Ich bin dieses wie auch das nächste Jahr zusammen mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die noch an der Zeppelin Universität verblieben sind, damit beschäftigt, zwei BMBF-Projekte abzuschließen. Ein drittes und noch ganz junges Projekt aus dem BMBF-Programm „Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre“ bringe ich an die Universität Hamburg mit. Es widmet sich der Forschungsorientierung in der Studieneingangsphase (FideS). Dieses Verbundprojekt, das wir zusammen mit Wissenschaftlerinnen der TU Kaiserslautern und der Universität Potsdam durchführen, liegt mir sehr am Herzen, weil es uns in der Frage weiter bringen kann, wie sich Lernen, Lehren und Forschen verknüpfen lassen – und zwar auch im Bachelorstudium und das von Anfang an. Und genau dieses forschungsnahe Lehren und Lernen konkretisiert (unter anderem) das, was ich oben Bildung durch Wissenschaft genannt habe.

Nicht als Projekt, sondern als langfristiges und querliegendes Vorhaben möchte ich den forschungsmethodischen Ansatz der Educational Design Research mit einem neuen Zeitschriftenprojekt weiter forcieren und speziell für die hochschuldidaktische Arbeit am Interdisziplinären Zentrum für universitäres Lehren und Lernen fruchtbar machen. Dieses Thema begleitet mich schon lange und ich möchte es noch gezielter in Hamburg verfolgen.

Schließlich hoffe ich, dem Thema Prüfungen bald nicht nur theoretische Aufmerksamkeit schenken zu können, sondern dazu auch Mittel für Forschungsprojekte zu akquirieren, denn: Ich bin überzeugt davon, dass wir nur dann wirklich umfassende Verbesserungen in der Hochschullehre erreichen, wenn wir dabei das Prüfungswesen und die Prüfungskultur berücksichtigen und in die hochschuldidaktische Forschung mit einbeziehen.

Die Beispiele zeigen, dass mein Schwerpunkt – wie schon in den letzten Jahren auch – in der hochschuldidaktischen Forschung liegen wird, während der mediendidaktische Schwerpunkt stärker auf der W2-Professur des Zentrums liegen wird.

Wie wird Ihre Aufgabe als Leiterin des Interdisziplinären Zentrums für universitäres Lehren und Lernen aussehen?

Mein Verständnis von Leitung eines Interdisziplinären Zentrums für universitäres Lehren und Lernen beinhaltet, alle daran Beteiligten, also die Professorinnen, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Verwaltungspersonal und Studierenden, für klare Leitlinien in Theorie, Empirie und Praxis des Zentrums zu gewinnen und in diesem Rahmen eine möglichst hohe Eigenständigkeit aller Beteiligten zu fordern und zu fördern.

Wenn man das so sieht, dann braucht man ein wenig Zeit, um z.B. bereits bestehende Perspektiven kennenzulernen und die Bedingungen und vorhandene Verknüpfungen des Zentrums mit anderen Einrichtungen der Universität zu verstehen, sodass ich an dieser Stelle und zu diesem frühen Zeitpunkt bewusst etwas zurückhaltend bei der Beantwortung Ihrer Frage bin.

Als eine besondere Herausforderung sehe ich die enge Verbindung zum Universitätskolleg, die dadurch vorab festgelegt worden ist, dass ich deren wissenschaftliche Leitung übernehmen werde. Ich sehe das als große Chance, die Arbeit des Zentrums neben anderen Zielen mit den besonderen Belangen der Universität Hamburg zu verknüpfen.

Wie würden Sie die zentrale Aufgabe des Interdisziplinären Zentrums für Universitäres Lehren und Lernen beschreiben?

Die zentralen Aufgaben des Zentrums liegen in der Forschung. Und das ist eine Besonderheit, denn hochschuldidaktische Zentren haben sich in den zwei Jahrzehnten vielerorts zu reinen Service-Zentren entwickelt – ohne hochschul- und mediendidaktische Forschung, ohne entsprechende Professuren und Forschungsziele.

Das werden wir in Hamburg anders machen und unseren Beitrag zu einer Hochschulbildungsforschung leisten und daran arbeiten, auch wissenschaftliche Erkenntnisse zum universitären Lehren und Lernen zu generieren. Wir werden uns in den nächsten Wochen insbesondere auf der Ebene der Professuren noch sortieren und die jeweiligen Forschungsschwerpunkte dann nach innen und außen deutlich machen.

In Hamburg wird ja gerade die Hamburg Open Online University aus der Taufe gehoben. Welchen Stellenwert haben die digitalen Medien aus Ihrer Sicht für die Zukunft der Hochschullehre? Hinken die Hochschulen derzeit gnadenlos der Digitalisierung hinterher, wie kürzlich behauptet wurde?

Zwischen ca. 1995 und 2012 habe ich mich dem Lehren und Lernen vorrangig aus der Perspektive der Mediendidaktik gewidmet. Das ist eine lange Zeit und daher ist es für mich selbstverständlich, dass bei Lehren und Lernen an der Hochschule digitale Medien mit dabei sind.

Das funktioniert freilich nur, wenn zum einen die technischen Rahmenbedingungen dafür gegeben sind und wenn zum anderen Lehrende, aber auch Studierende fähig und willens sind, digitale Medien für ihre Aktivitäten zu nutzen.

Ob die Hochschulen hier „hinterherhinken“ oder nicht, ist eine müßige Frage, schon allein deshalb, weil offen bleibt, woran man das „Hinterherhinken“ festmacht: am Freizeitverhalten der Hochschuldangehörigen oder am Lehr-Lernalltag an anderen Bildungsinstitutionen oder an noch etwas anderem?

Erst kürzlich habe ich an der Universität Wien einen Vortrag gehalten, der genau diese Frage aufgegriffen hat. Zum Ausgangspunkt am dortigen Tag der Lehre 2015 hatten die Organisatoren die viel diskutierten „Digital Natives“ gemacht. Den Vortrag kann man als Text auf meinem Blog abrufen und das wäre dann die ausführliche Antwort auf Ihre Frage.

Kurz auf den Punkt gebracht, würde ich sagen: Wir müssen auch die Integration digitaler Medien an Hochschulen zwingend unter die regulative Idee einer Bildung durch Wissenschaft stellen, was viele Implikationen hat, auf die ich hier nicht eingehen kann. Es kann jedenfalls nicht darum gehen, unkritisch einem ökonomischen Impetus zu folgen und eine Digitalisierung vorrangig deshalb voranzutreiben, weil es dazu angeblich einen unausweichlichen Sachzwang gibt.

Was würden Sie gern in fünf Jahren erreicht haben?

Ich stelle eine Gegenfrage: Was hat die Hochschuldidaktik in den letzten 50 Jahren erreicht? Es gab und gibt so viele kreative wie anspruchsvolle Ansätze und ich bleibe immer wieder in dem äußerst fruchtbaren Jahrzehnt der 1970er Jahre (bis in die 1980er Jahre reichend) hängen, ohne damit sagen zu wollen, dass danach ein Stillstand eingetreten wäre.

Trotzdem sind viele dieser damaligen Ansätze ohne nachhaltige und flächendeckende Resonanz geblieben. Gleichzeitig haben wir heute eine wirklich hoffnungsvolle und breit gefächerte Förderlandschaft im Bereich der Hochschuldidaktik, die dem Thema wieder deutlich mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden lässt als in den letzten beiden Jahrzehnten.

Ich vermisse aber den früheren kritischen und in die Fachwissenschaften hineinreichenden Anspruch, den die Protagonisten der Hochschuldidaktik von vor 50 und 40 Jahren verfolgt haben. Es ist mir ein großes Anliegen – neben ganz konkreten Zielen, die die Arbeit am Interdisziplinären Zentrum für universitäres Lehren und Lernen betreffen –, an diesen Anspruch in den kommenden Jahren anzuknüpfen und mit unseren aktuellen Bedingungen (Diversität der Studierenden, Digitalisierung, Bologna etc.) zu verknüpfen.

Ob ich das in fünf Jahren schaffe bzw. ob wir das schaffen werden, weiß ich nicht – wir werden es versuchen.

Das Interview führte Giselind Werner.
 
 
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