UHH Newsletter

Au­gust 2011, Nr. 29

IN­TER­VIEW

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Po­li­tik­wis­sen­schaft­ler Hart­mut Mayer (Uni­ver­si­tät Ox­ford) zu Gast an der Uni­ver­si­tät Ham­burg, Foto: pri­vat



Kon­takt:

Prof. Dr. Hart­mut Mayer

e. Hartmut.​mayer@​spc.​ox.​ac.​uk

Zu Gast am HIGS: In­ter­view mit Prof. Dr. Hart­mut Mayer

Im Juni hat der Po­li­tik­wis­sen­schaft­ler Hart­mut Mayer vom St. Peter´s Col­le­ge der Uni­ver­si­tät Ox­ford eine Gast-​Pro­fes­sur an der „Ham­burg In­ter­na­tio­nal Gra­dua­te School for the Study of Re­gio­nal Powers“ (HIGS) an­ge­tre­ten. Drei Jahre lang wird der Spe­zia­list für In­ter­na­tio­na­le Po­li­tik nun zwi­schen Ox­ford und Ham­burg pen­deln und zur Rolle Eu­ro­pas im Ge­fü­ge der Re­gio­nal­mäch­te for­schen und leh­ren. Im In­ter­view gibt Prof. Mayer einen Aus­blick auf Eu­ro­pa und Deutsch­land im Jahr 2030, räumt mit einem Vor­ur­teil ge­gen­über Ox­ford auf und er­zählt, wor­auf er sich be­son­ders freut, wenn er nach Ham­burg kommt.
Prof. Mayer, Sie waren schon an vie­len in­ter­na­tio­na­len Unis. Was hat Sie ge­reizt, an die Uni­ver­si­tät Ham­burg zu kom­men?

Ich ar­bei­te seit ei­ni­gen Jah­ren mit dem GIGA zu­sam­men und wurde von Mit­glie­dern des GIGA ein­ge­la­den, die Gast­pro­fes­sur am HIGS an­zu­neh­men. Au­ßer­dem liebe ich Ham­burg, ich habe frü­her schon hier ge­ar­bei­tet, und auch Ver­wand­te von mir leb­ten hier. Nach zwan­zig Jah­ren im Aus­land ver­mis­se ich auch Deutsch­land.

Sie haben im Juni die Gast-​Pro­fes­sur am HIGS an­ge­tre­ten und wer­den auch das Lehr­an­ge­bot in der Wi­So-​Fa­kul­tät er­wei­tern. Was heißt das kon­kret? Was sind Ihre Pläne für die Zeit in Ham­burg?

Es ist ge­plant, dass ich drei bis vier Dok­to­ran­den im HIGS be­treue, die dort zum Thema Re­gio­nal­mäch­te for­schen wer­den. Die In­ter­na­tio­na­li­sie­rung von HIGS soll mit Ox­ford als Part­ner ge­stärkt wer­den: Ox­ford be­sitzt ein gro­ßes in­ter­na­tio­na­les Netz­werk, und aus­ge­such­te HIGS-​Dok­to­ran­den kön­nen nach Ox­ford kom­men und drei bis vier Mo­na­te dort for­schen. HIGS und GIGA pla­nen üb­ri­gens, Dis­ser­ta­ti­ons­sti­pen­di­en aus pri­va­ten Stif­tun­gen im Wirt­schafts-​ und Me­di­en­be­reich ein­zu­wer­ben. Dabei soll ich hel­fen. Im kom­men­den Win­ter­se­mes­ter werde ich au­ßer­dem eine Lehr­ver­an­stal­tung zum Thema „Eu­ro­pa und Re­gio­nal­mäch­te“ an der Fa­kul­tät WiSo an­bie­ten.

Ihr For­schungs­schwer­punkt ist die zu­künf­ti­ge Rolle Eu­ro­pas im Aus­tausch und in der Kon­kur­renz mit an­de­ren glo­ba­len Re­gio­nen und Re­gio­nal­mäch­ten. Kön­nen Sie uns einen Aus­blick dar­auf geben, wie sich Eu­ro­pa und Deutsch­land in den nächs­ten zwan­zig Jah­ren ver­än­dern wer­den?

Eu­ro­pa wird an glo­ba­lem Ein­fluss ver­lie­ren, was In­no­va­tio­nen, Tech­no­lo­gie und den Ge­samt­an­teil an der Welt­wirt­schaft be­trifft. Aber Eu­ro­pa wird nicht ir­re­le­vant, son­dern braucht neue For­men des Dia­logs mit an­de­ren Re­gio­nal­mäch­ten. Deutsch­land wird wie bis­her mit den USA, China und – immer noch – Japan kon­kur­rie­ren, aber auch mit auf­stre­ben­den süd­ame­ri­ka­ni­schen und süd­asia­ti­schen Län­dern wie Chile, Bra­si­li­en, In­di­en.

Wie be­ur­tei­len Sie die Zu­kunft des Euro?

Trotz der gro­ßen Krise bleibt das Pro­jekt Euro sehr wich­tig, er ist ein ent­schei­den­des In­te­gra­ti­ons­in­stru­ment. Ob es zu Ver­än­de­run­gen kom­men wird, kann man nicht sagen. Der Euro könn­te aber, wenn es hart kommt, lang­fris­tig auch in einer klei­ne­ren Grup­pe, einem klei­ne­ren Zu­sam­men­schluss in­ner­halb der jet­zi­gen EU Be­stand haben.

Sie haben auch als Jour­na­list für ver­schie­de­ne große Me­di­en ge­ar­bei­tet. Für wie wich­tig hal­ten Sie es, dass Wis­sen­schaft­ler sich und ihre For­schung in den Me­di­en prä­sen­tie­ren?

Das finde ich sehr wich­tig. Wis­sen­schaft­ler müs­sen her­aus­tre­ten und der Ge­sell­schaft zei­gen, was sie er­ar­bei­ten. Uni­ver­si­tä­ten müs­sen einen ge­sell­schaft­li­chen Bei­trag leis­ten, die­ser Bei­trag muss sich aber nicht auf Me­di­en­ar­beit be­schrän­ken.

Sie leh­ren in Ox­ford, einer Eli­te-​Uni­ver­si­tät mit einem har­ten Aus­wahl­ver­fah­ren. Wie man hört, sol­len die In­ter­views in die­sem Aus­wahl­ver­fah­ren bis­wei­len skur­ril sein: Da wer­den Stu­di­en­be­wer­ber von Pro­fes­so­ren in­ter­viewt, die ihnen – mit­un­ter im Schlab­ber-​Out­fit – bi­zar­re Fra­gen stel­len, auf die sie mög­lichst ge­witzt ant­wor­ten sol­len. Ist das so? Haben Sie sich auch schon ver­klei­det?

Nein, ich habe mich noch nie ver­klei­det (lacht). Merk­wür­di­ge Fra­gen stel­le ich auch nicht. Sol­che In­ter­views ge­hö­ren zu den Kli­schees über Ox­ford und sind wohl eine Ge­ne­ra­tio­nen­fra­ge: Äl­te­re Pro­fes­so­ren ma­chen das viel­leicht noch immer so, wir Jün­ge­ren nicht. Ich führe seit 15 Jah­ren In­ter­views mit un­se­ren Stu­di­en­be­wer­bern, und das sind immer so­li­de Fach­ge­sprä­che.

Wür­den Sie sich auch an deut­schen Uni­ver­si­tä­ten sol­che Aus­wahl­ver­fah­ren wün­schen?

Sol­che auf­wän­di­gen Aus­wahl­ver­fah­ren funk­tio­nie­ren nur bei klei­nen Be­wer­ber­zah­len und sind nicht auf deut­sche Unis über­trag­bar, zu­min­dest nicht bei der Aus­wahl von Stu­di­en­an­fän­gern. Bei HIGS kön­nen wir die Dok­to­ran­den al­ler­dings sorg­fäl­tig aus­wäh­len: Vor­aus­set­zun­gen für die Pro­mo­ti­on am HIGS sind her­vor­ra­gen­de Ab­schlüs­se und die Be­reit­schaft, wis­sen­schaft­lich zu pu­bli­zie­ren. In einem Ge­spräch finde ich dann her­aus, ob die Be­wer­ber Mo­ti­va­ti­on und Dis­zi­plin mit­brin­gen und be­reits zum Thema ge­forscht haben. Be­geis­te­rung für unser Fach und das Thema ist eine Grund­vor­aus­set­zung, sonst wird das nichts mit der Dok­tor­ar­beit.

Die Gast­pro­fes­sur ist für die nächs­ten drei Jahre ge­plant, in denen Sie par­al­lel in Ox­ford und in Ham­burg un­ter­rich­ten und for­schen wer­den. Fehlt Ihnen manch­mal etwas in Ox­ford, und was wer­den Sie in Ham­burg un­ter­neh­men?

Ich fühle mich als Deut­scher und finde, dass die Le­bens­qua­li­tät in Deutsch­land höher ist als in Eng­land, auch wenn Ox­ford sehr schön ist. Die Nähe zum deut­schen Me­di­en-​ und Po­li­tik­be­trieb ver­mis­se ich eben­falls, des­halb freue ich mich dar­auf, in Ham­burg alte Me­di­en­kon­tak­te wie­der­zu­be­le­ben. Auf die neuen Ent­wick­lun­gen in der Ha­fen-​Ci­ty bin ich schon sehr ge­spannt, eben­so möch­te ich Aus­flü­ge an die Nord- und Ost­see ma­chen und das kul­tu­rel­le An­ge­bot der Stadt wahr­neh­men. Ich werde das, was Ham­burg bie­tet, ge­nie­ßen!

Das Interview führte Christine Knust.


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Was ist HIGS?
Die Gra­dua­te School HIGS wird ge­mein­sam von der Fa­kul­tät Wirt­schafts-​ und So­zi­al­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Ham­burg und dem GIGA Ger­man In­sti­tu­te for Glo­bal and Area Stu­dies (Leib­nitz-​In­sti­tut) ge­tra­gen. Sie ist auf die Dok­to­ran­den­aus­bil­dung im Be­reich der Ver­glei­chen­den Re­gio­nal­stu­di­en und der In­ter­na­tio­na­len Be­zie­hun­gen spe­zia­li­siert.

Zur Per­son
Hart­mut Mayer lehrt seit 1998 In­ter­na­tio­na­le Po­li­tik am St. Peter´s Col­le­ge der Uni­ver­si­tät Ox­ford. Zuvor stu­dier­te er Ge­schich­te, Po­li­tik­wis­sen­schaf­ten und In­ter­na­tio­nal Re­la­ti­ons an der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin, der Flet­cher School of Law and Di­plo­ma­cy (Tufts Uni­ver­si­ty), der Har­vard Uni­ver­si­ty und der Cam­bridge Uni­ver­si­ty (Gon­vil­le and Caius Col­le­ge). Pro­mo­viert wurde er am St. An­t­o­ny´s Col­le­ge, Uni­ver­si­ty of Ox­ford. Frü­he­re For­schungs­auf­ent­hal­te und Gast-​Pro­fes­su­ren brach­ten ihn an das Eu­ro­päi­sche Hoch­schul­in­sti­tut in Flo­renz (1995), das Fin­ni­sche In­sti­tut für In­ter­na­tio­na­le Po­li­tik in Hel­sin­ki (2003), die Stif­tung Wis­sen­schaft und Po­li­tik in Ber­lin (2004), ein Jahr lang an die Wa­se­da Uni­ver­si­tät in Tokio (2006-​07) sowie zu­letzt (2010) an die Hi­tot­su­ba­shi Uni­ver­si­ty in Tokio. Hart­mut Mayer ar­bei­te­te zudem als Jour­na­list für ver­schie­de­ne große Me­di­en.
 
 
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