UHH Newsletter

Au­gust 2011, Nr. 29

CAM­PUS

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Eine Plasteschale deckt die Vertiefungen mit dem Elektrosinn ab und kann elektrische Reize gesteuert zulassen oder blocken. Foto: Alexander LiebschnerElektrische Reize wahrnehmen? Der Ameisenbär kann das auch! Foto: GNU-Lizenz für freie Dokumentation/Fir0002
Das Schnabeltier ist neben dem Ameisenbär der einzige Säuger, bei dem der Elektrosinn schon bekannt war. Foto: CC BY-NC-SA 2.0/Adventures in LibrarianshipNeben Delfinen könnten auch weitere Walarten diesen sechsten Sinn besitzen ... Foto: CC BY-SA 2.0/NOAA's National Ocean Service
Ex­pe­ri­men­te mit einem Zoo-​Del­fin. Zur Be­loh­nung gibt es fri­schen Fisch. Foto: Alex­an­der Lieb­sch­ner



Kon­takt:

Dr. Ni­co­le Czech-​Da­mal
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin
Zoo­lo­gi­sches In­sti­tut/Tier­phy­sio­lo­gie

t. 040.42838-​5646
e. nicole.​czech@​uni-​ham­burg.de

Pro­cee­dings of the Royal So­cie­ty B, doi: 10.1098/rspb.2011.1127

For­schung: Del­fi­ne und der sechs­te Sinn

Del­fi­ne fin­den ihre Nah­rung nicht nur im of­fe­nen Meer, son­dern auch am Mee­res­grund. Doch oft sind Beu­te­tie­re im Sand ver­gra­ben, und auf­ge­wühl­ter Schlamm trübt die Sicht. Wie fin­den die Mee­res­säu­ger also ihre Beute? Die Bio­lo­gin Ni­co­le Czech-​Da­mal von der Uni­ver­si­tät Ham­burg hat eine über­ra­schen­de Ant­wort dar­auf ge­fun­den. Del­fi­ne be­sit­zen einen Elek­tro­sinn.
Der Gu­ya­na-​Del­fin, der fla­che Küs­ten­re­gio­nen und Fluss­del­tas Süd­ame­ri­kas be­wohnt, kann mit sei­nem Elek­tro­sinn elek­tri­sche Reize wahr­neh­men, die durch die Be­we­gung von po­ten­ti­el­len Beu­te­tie­ren er­zeugt wer­den. „Diese Er­kennt­nis ist eine klei­ne Sen­sa­ti­on, da bei Zahn­wa­len davon aus­ge­gan­gen wird, dass sie ihre Beute meis­tens mit­tels Echo­or­tung fin­den“, sagt die Zoo­lo­gin Dr. Ni­co­le Czech-​Da­mal von der Uni­ver­si­tät Ham­burg. Nur für die ei­er­le­gen­den Aus­nah­me-​Säu­ger Schna­be­li­gel und Schna­bel­tier in Aus­tra­li­en und Neu­gui­nea war bis jetzt be­kannt, dass sie elek­tri­sche Fel­der wahr­neh­men und zum Auf­spü­ren von Beu­te­tie­ren nut­zen. We­sent­lich stär­ker ver­brei­tet ist die­ses Phä­no­men bei Am­phi­bi­en und Fi­schen wie Hai oder Ro­chen. Sie neh­men sogar Feld­stär­ken im Na­no­volt-​Be­reich wahr. Gu­ya­na-​Del­fi­ne er­ken­nen erst stär­ke­re Si­gna­le ab rund fünf Mi­kro­volt pro Zen­ti­me­ter.

Elek­tro­sinn auch bei an­de­ren Wal-​Ar­ten mög­lich

Mög­lich wird das durch Elek­tro­re­zep­to­ren an der Del­fins­chnau­ze, die sich aus den Fol­li­keln (Ein­stül­pun­gen der Haut) von Bart­haa­ren ent­wi­ckelt haben. Da Del­fi­ne ihre Bart­haa­re, die na­he­zu alle Säu­ge­tie­re be­sit­zen, kurz nach der Ge­burt ver­lie­ren, wur­den diese un­be­haar­ten Ver­tie­fun­gen lange Zeit von der Wis­sen­schaft als ver­küm­mer­te Kör­per­tei­le ver­nach­läs­sigt. Sie haben sich, so ver­mu­tet das For­scher­team, von einem Tast­sin­nes­or­gan zu einem elek­tro­sen­si­ti­ven Sin­nes­or­gan ent­wi­ckelt. Del­fi­ne ge­hö­ren zur Fa­mi­lie der Zahn­wa­le. Es ist mög­lich, dass noch wei­te­re Wal-​Ar­ten oder an­de­re Säu­ge­tier­ar­ten elek­tri­sche Fel­der wahr­neh­men kön­nen.

Per­fek­te Er­gän­zung zum Echo­lot

Um das her­aus­zu­fin­den, ar­bei­te­ten die be­tei­lig­ten Wis­sen­schaft­ler und Wis­sen­schaft­le­rin­nen mit einem 28 Jahre alten Gu­ya­na-​Del­fin (So­ta­lia guia­nen­sis) im Zoo Müns­ter zu­sam­men. Das Tier wurde so trai­niert, dass es für eine Ex­pe­ri­ment­rei­he in einen Rei­fen schwamm und seine Schnau­ze auf einen Plas­tik­ball legte, über dem zwei Elek­tro­den po­si­tio­niert waren. Nahm es dort leich­te elek­tri­sche Si­gna­le wahr, ver­ließ es den Ring. Spür­te es kein Si­gnal, blieb es in sei­ner Po­si­ti­on. Rich­ti­ge Ent­schei­dun­gen be­lohn­te ein Trai­ner mit Fut­ter. Der so nach­ge­wie­se­ne Elek­tro­sinn er­gänzt per­fekt das Echo­lot-​Sys­tem der Del­fi­ne. Die Tiere sto­ßen Ul­tra­schall­lau­te aus und wer­ten die Schall­wel­len aus, die ihnen von ihrer Um­ge­bung zu­rück­ge­wor­fen wer­den. Ist die Ent­fer­nung zur Beute zu ge­ring, um das Echo­lot (Sonar) an­zu­wer­fen, kom­men die Sen­so­ren an der seit­li­chen Schnau­ze zum Ein­satz. Der Vor­teil: Die Del­fi­ne kön­nen auch Beu­te­tie­re auf­spü­ren, die sich am Mee­res­bo­den unter Sand und Schlamm ver­steckt hal­ten.

Die Stu­die ent­stand in Zu­sam­men­ar­beit mit der Uni­ver­si­tät Ros­tock, der Goe­the-​Uni­ver­si­tät in Frank­furt/Main, dem Bun­des­amt für Na­tur­schutz und der Texas A&M Uni­ver­si­ty in den USA. Ge­för­dert wurde sie von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft und von der Volks­wa­gen-​Stif­tung.
C. Kieke
 
 
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