UHH Newsletter

März 2013, Nr. 48

FORSCHUNG

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Das biologisch-physikalische Klimamodell zeigt: Durch den Klimawandel könnte sich die Biomasse der Cyanobakterien mehr als verdoppeln (gemittelt über 30 Jahre). Zudem beginnt die Wachstumsperiode früher. Grafik: UHH/KlimaCampus/Hense



Kontakt:

Prof. Dr. Inga Hense
KlimaCampus
t. 040-42838-6641
e. inga.hense-at-zmaw.de

Ute Kreis
KlimaCampus
Öffentlichkeitsarbeit
t. 040.42838-4523
e. ute.kreis-at-zmaw.de

Klimawandel: Künftig doppelt so viele Blaualgen in der Ostsee?

Die Zahl der Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, könnte sich in der Ostsee im Zuge des Klimawandels womöglich verdoppeln. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg, Exzellenzcluster CliSAP berechnet. Das könnte schwerwiegende Folgen für die Ökosysteme haben. Für ihre Erkenntnisse kombinierten die Forscherinnen und Forscher erstmals physikalische und biologische Modelle. Über die Ergebnisse berichten sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Climatic Change“.
„Unsere Ergebnisse zeigen bei zunehmenden Wassertemperaturen nicht nur eine verlängerte jährliche Wachstumsphase, sondern auch mehr als zweimal so viel Algenbiomasse bis zum Ende des Jahrhunderts“, berichtet Prof. Dr. Inga Hense vom Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft.

Nach den Berechnungen der Klimaforscherinnen und -forscher vermehren sich die Einzeller aufgrund der steigenden Wassertemperaturen. Dazu trägt vor allem ihr besonderer Lebenszyklus bei: Cyanobakterien wachsen nur in sehr warmem Wasser, überdauern ansonsten in einer Art Ruhestadium am Boden der meist flachen Gewässer. „Das ist wie bei Aussaat und Ernte – je mehr schlummernde Zellen den Winter überleben, desto rascher wächst die Population im Frühjahr“, erläutert Hense. Gleichzeitig treibt die hohe Zelldichte nahe der Wasseroberfläche die Temperatur weiter in die Höhe. Eine Rückkopplung, die für noch mehr Wachstum sorge, berichtet Hense in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Climatic Change“.

Kombination physikalischer und biologischer Modelle

Bisher hatte man den Wachstumsschub durch den Klimawandel deutlich niedriger eingeschätzt: „Für Prognosen biologischer Systeme müssen auch nichtlineare Effekte berücksichtigt werden. Das macht die Berechnungen aufwändiger“, so Hense. Die Biologin und ihr Team haben deshalb – zusammen mit Kolleginnen und Kollegen vom Swedish Meteorological and Hydrological Institut – ein physikalisches Klimamodell mit einem biologischen Modell gekoppelt und dabei erstmals den kompletten Lebenszyklus der Cyanobakterien abgebildet.

Entscheidend ist dabei offenbar auch die Abfolge von kalten und warmen Wintern: „Halten wir alle Eckdaten im Modellexperiment konstant, ergeben sich dennoch unterschiedliche Zuwachsraten – je nachdem, wie sich die Kälteperioden aneinanderreihen und die Produktivität der Einzeller begünstigen oder benachteiligen“, berichtet Hense. Verglichen hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Zunahme einer gegebenen Blaualgenpopulation über einen Zeitraum von jeweils 30 Jahren – unter den Bedingungen von 1969 bis 1998, und als Gegenstück hierzu unter den Rahmenbedingungen, die uns voraussichtlich von 2069 bis zum Jahr 2098 mit zunehmender globaler Erderwärmung erwarten.

Tiefgreifende Auswirkungen auf Ökosysteme

„Schon heute lässt sich ein Anstieg der Cyanobakterien beobachten. Unsere Untersuchungen geben außerdem erste Hinweise, dass wir künftig mit großen Veränderungen rechnen müssen“, berichtet Hense. Denn die möglichen Folgen der berechneten Entwicklung sind tiefgreifend: plötzliche Algenblüten, die nicht nur unangenehm für den Tourismus sind, sondern zum Teil auch gesundheitsschädlich.

Weil die Blaualgen, die nicht nur in der Ostsee vorkommen, sondern auch in den Tropen und Subtropen, in flachen Gewässern und Süßwasserseen, das umgebende Meerwasser mit wachstumsförderndem Stickstoff anreichern, könnten darüber hinaus auch andere Algen-Arten boomen und das Ökosystem in Schieflage bringen. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb auch horizontale Meeresströmungen, mit denen die Algen verdriften, in ihre Berechnungen einbeziehen.

Der Fachartikel finden Sie hier
PM/Red.
 
 
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