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September 2013, Nr. 54

INTERVIEW

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Prof. Dr. Matthias Klatt ist Herausgeber des Sammelbandes „Lehre als Abenteuer: Anregungen für eine bessere Hochschulausbildung“. Foto: privat


Kontakt:


Jun.-Prof. Dr. Matthias Klatt
Fakultät für Rechtswissenschaft

t. 040.42838-2380
e. matthias.klatt-at-jura.uni-hamburg.de


Matthias Klatt und Sabine Koller (Hrsg). „Lehre als Abenteuer: Anregungen für eine bessere Hochschulausbildung“, Campus Verlag, 252 Seiten, 19,90 Euro.

Abenteuer Lehre: Interview mit Prof. Dr. Matthias Klatt

Über gute Lehre wird viel gesprochen. Doch was ist das eigentlich? Antworten gibt der Sammelband „Abenteuer Lehre: Anregungen für eine bessere Hochschulausbildung“, in dem Praktikerinnen und Praktiker über ihre Ideen und ganz persönlichen Erfahrungen berichten. Herausgegeben wurde die Essaysammlung von Prof. Dr. Matthias Klatt und Prof. Dr. Sabine Koller. Matthias Klatt ist Inhaber der Juniorprofessur für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg. Wir haben mit ihm über den Sammelband und darüber gesprochen, was er selbst beim Herausgeben des Buches gelernt hat.

Herr Prof. Dr. Klatt, was macht Ihrer Meinung nach gute Hochschulausbildung aus?

Gute Hochschullehre besteht für mich aus einer klugen Verbindung von Forschung und Lehre. Sie bildet den ganzen Menschen, prägt Persönlichkeiten. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass sich wissenschaftliche Bildung und die Einübung berufsrelevanter Kompetenzen nicht ausschließen, sondern vielmehr wunderbar ergänzen.

Wissenschaftlichkeit heißt vor allem Bildung zur Kritik und zu Reflektion. Sie vertraut, wie Präsident Lenzen das einmal formuliert hat, auf Prozesse des Verstehens, Zweifelns und Kritisierens statt auf fertige Ergebnisse. Wissenschaftlichkeit bedeutet Erziehung zum eigenständigen, methodisch geschulten Denken. Diese Fähigkeiten spielen auch für die Berufsfähigkeit außerhalb der Wissenschaft die entscheidende Rolle.

Wie sind Sie darauf gekommen, das Buch zu machen?

Das Buch ist als Projekt der Jungen Akademie in Berlin entstanden. Dort hatten wir eine Arbeitsgruppe zum Thema Lehre gegründet, um gemeinsam unsere Lehrerfahrungen zu reflektieren und gute Ideen untereinander weiterzugeben. Wir haben eine Podiumsdiskussion veranstaltet und ein Thesenpapier zur Zukunft der Lehre an den Universitäten veröffentlicht.

Das Buch war dann das dritte Projekt. Wir wollten aus unserer Lehrpraxis berichten und die bunte Vielfalt an guter Lehre sichtbar machen. Und dabei auch eine besondere Botschaft mitteilen: Die Einheit von Forschung und Lehre lebt, auch in der modernen Massenuniversität. In die Junge Akademie waren wir alle ja nur wegen unserer Forschungsleistungen berufen worden. Mit einem gewissen Augenzwinkern haben wir festgestellt, dass das Thema Lehre für uns eine große Rolle spielte.

Wie haben Sie die Professorinnen und Professoren sowie Studierenden gefunden, die sich in den 40 Kurzessays zur Hochschullehre äußern? Nach welchen Kriterien haben Sie sie ausgesucht?

Das ist über einen längeren Zeitraum gewachsen. Den Grundstock bilden Beiträge von Mitgliedern der Jungen Akademie, die ganz konkret und handfest über die Gestaltung ihrer Lehre berichten und reflektieren. In einem zweiten Schritt wollten wir von den Mitgliedern unserer Mutterakademien, also der Berlin-Brandenburgischen Akademie und der Nationalakademie Leopoldina, wissen, welchen Stellenwert die Lehre in ihrem Berufsleben hat.

Schließlich war es uns wichtig, die Perspektive von Studierenden einzubeziehen. Dabei haben wir Herausgeber einige Studierende persönlich angesprochen, deren Meinung uns interessiert hat.

Welchen Beitrag würden Sie jeder Hochschullehrerin und jedem Hochschullehrer ans Herz legen und warum?

Ich halte gerade die Vielfalt des Bandes für einen großen Wert. Daher lade ich alle ein, durch den ganzen Band zu stöbern und sich mal hier, mal dort überraschen zu lassen. Das Buch ist als Vademecum konzipiert, und sein Inhalt folgt keiner strengen Logik, sondern erschließt sich über verschiedene Zugänge, Kategorien und Lesepfade.

Mein persönliches Highlight ist der Beitrag des Germanisten Wolfgang Frühwald über den Kathedervortrag – ein fulminantes Plädoyer für den Wert der Vorlesung in Zeiten von MOOCs (Massive Open Online Courses) und eLearning.

Gibt es etwas, dass Sie selbst im Rahmen Ihrer Herausgeberschaft lernen konnten?

Meine wichtigste Erkenntnis ist: Das größte Hindernis einer Verbesserung der Lehre an den Universitäten steckt in unseren eigenen Köpfen: Es ist die Reputationsasymmetrie zwischen Forschung und Lehre.

Die Befreiung von der Lehrpflicht zugunsten der Forschungsfreiheit bringt Prestige. In Berufungsverfahren kommt Lehrleistungen und Lehrqualität entgegen anderslautenden Lippenbekenntnissen praktisch keine Bedeutung zu – eine erschreckende Dysfunktionalität der Personalauswahl, wenn man an die von Hochschullehrern zu erbringende berufliche Tätigkeit denkt.

Die Fakultäten halten ja mit jedem Berufungsverfahren ein wirksames Mittel für den benötigten Paradigmenwechsel selbst in der Hand, sie nutzen es bloß nicht. Herausragende Lehre trägt ebenso wie ein Forschungsschwerpunkt zur Profilbildung einer Universität bei.

Sie wurden neben vielen anderen Auszeichnungen 2011 mit dem Hamburger Lehrpreis ausgezeichnet, bei dem Verdienste und Innovationen in der Lehre gewürdigt werden. Nominiert wurden Sie dafür von Studierenden. Was ist Ihr Geheimnis?

Entscheidende Impulse gehen sicherlich von einer bestimmten inneren Haltung aus. Ich interessiere mich für Studierende und ihre Belange, dafür, wie und was sie lernen, was ihnen hilft und was sie behindert.

Getragen bin ich dabei von einem Wissen um die tiefe Verankerung der Berufung des Hochschullehrers zur Menschenbildung in der europäischen Geistesgeschichte, wie sie etwa George Steiner so bewegend beschreibt („Lessons of the Masters“). Schließlich bin ich bereit, mit meinem Engagement in der Lehre ein ganz beträchtliches Karriererisiko einzugehen. Alles Weitere ergibt sich aus dieser Haltung.

Möglicherweise sagt sich der ein oder andere: Gute und interessante Vorlesungen halten, das kann nicht jeder. Oder kann man Unterrichten lernen?

Auch wenn es sicherlich – wie überall – unterschiedliche Begabungen gibt, kann man es selbstverständlich lernen. Qualifizierungsangebote gibt es genug. Das Problem ist nicht das Angebot an hochschuldidaktischen Kursen, sondern die Nachfrage. Und dies ist auch der Grund, warum in Berufungsverfahren viel stärker auf entsprechende Qualifikationen geachtet werden sollte. Lehrproben und vergleichende Gutachten zur Lehrleistung sollten überall Standard sein.


Über Prof. Dr. Matthias Klatt

Matthias Klatt ist seit April 2008 Inhaber der Juniorprofessur für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht und Rechtsphilosophie an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg. Er hat sich dort im August 2013 habilitiert. Von 2007 bis 2012 war er Mitglied der „Jungen Akademie“ an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften. Von 2010 bis 2011 war er Mitglied im Vorstand der „Jungen Akademie“.

Das Gespräch führte Luisa Tauschmann.
 
 
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