Ein unrühmliches Kapitel der Universitätsgeschichte wurde mit 1933 aufgeschlagen, als sich die Universität dem neuen Regime andiente, sich „selbst-gleichschaltete“ und ihre jüdischen Gelehrten entlassen wurden. Nach dem Neuanfang 1945 zeichneten sich die 1950er und 60er Jahre besonders durch die Verdreifachung der Studierendenzahlen und neue Forschungsgebiete aus. Und auch der moderne Campus (Von-Melle-Park und Martin-Luther-King-Platz) nahm Gestalt an. Eine besondere Rolle spielte die Universität Hamburg in den Erneuerungsbestrebungen der „68er“. Von Hamburg aus ging 1967 der viel zitierte Spruch „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“ in die Republik, Ausdruck eines Veränderungswillens, der schließlich dazu führte, dass aus der Ordinarienuniversität eine Gruppenuniversität wurde.
Und auch heute lässt sich ein stetiger Wandel, eine Beweglichkeit und Dynamik an der Universität erkennen, dass es schwer fällt, sich das Bild einer 90-jährigen Dame in den Kopf zu rufen. Eine Feier mit den Abwesenden, den Geistern der Vergangenheit (à la Dinner for One), war der Festakt im Rathaus denn auch nur bedingt. Im Gegenteil war die Rede von Prof. Lenzen ausgesprochen lebendig und mitreißend, ebenso die Wünsche, die er der Jubilarin mit auf den Weg in die Zukunft gab. Diese seien hier kurz wiedergegeben:
„Die Universität gehört dem ganzen Volk“ (Jaspers) – diese von Lenzen als „hamburgisch“ charakterisierte Haltung stellte das erste Zitat dar, das er als „Blume“ der Universität übergab.
Nicht in dem, was man aus sich mache, „…einzig in der Hingabe an die Sache, in der intellektuellen Arbeit … wie in der selbstbewussten Praxis“ drücke sich, so Horkheimer, Gebildetheit aus.
Und auch die dritte Blume stammt von Horkheimer: „Zeit aber steht für Liebe; der Sache, der ich Zeit schenke, schenke ich Liebe; die Gewalt ist rasch.“
Bei Helmut Schelsky, in den 1950ern Professor in Hamburg, fand Lenzen die vierte Blüte: „Bildung ist heute eine geistige und sittliche Souveränität gegenüber Handlungszwängen der Welt und des Lebens, wie sie im wissenschaftlich geführten praktischen Handeln aktuell werden.“
Auch die fünfte und letzte Blume entlieh er Schelsky, als er von der Aufgabe der Universität sprach, zu „realem Weltbürgertum zu erziehen“. „Bildung“, das Wort, das der Stifter Edmund Siemers dem Universitätsgebäude eingeschrieben hat, bekam in Lenzens Rede wichtige Deutungen an die Seite gestellt: Hingabe, Zeit (für die Liebe zur Sache), Bildung als Souveränität, Bildung fürs ganze Volk und als Erziehung zum Weltbürgertum.
Einen so reichen Strauß an inspirierenden Gedanken und wohlmeinenden Wünschen nahm die „alte Dame“ Universität gern entgegen.
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Die Texte der Rednerinnen und des Redners zum Nachlesen finden Sie hier:
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Wer mehr über die Geschichte der Universität lesen möchte, der findet eine reiche Quelle in der Publikation von Rainer Nicolaysen: „Frei soll die Lehre sein und frei das Lernen“. Zur Geschichte der Universität Hamburg, Hamburg 2008.