UHH Newsletter

März 2015, Nr. 72

INTERVIEW



Kontakt:

Dr.-Ing. Steffi Beckhaus
Karriere-Coach und Beraterin

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„Kein Weg ist eine Einbahnstraße“, sagt Karriereberaterin Steffi Beckhaus. Foto: UHH/Ramforth

„Kein Weg ist eine Einbahnstraße“, sagt Karriereberaterin Steffi Beckhaus. Foto: UHH/Ramforth

Follow your bliss! Frauen und Karriere in der Wissenschaft. Interview mit Dr.-Ing. Steffi Beckhaus, Coach, selbstständige Beraterin für Unternehmer und ehemalige Juniorprofessorin

Sie weiß, wovon sie redet: Dr.-Ing. Steffi Beckhaus war von 2004 bis 2011 Juniorprofessorin an der Universität Hamburg und berät heute – nach einer eigenen beruflichen Umorientierung – Teams und Einzelpersonen in Bezug auf berufliche Veränderungen. Besonderen Fokus legt sie auf Nachwuchswissenschaftlerinnen, die ihre Karriere in oder außerhalb der Wissenschaft planen. Wir haben sie gefragt, welche Tipps sie jungen Wissenschaftlerinnen mit auf den Weg gibt, um ihre Karriereziele zu erreichen.

Sie haben im Februar an der Uni im Rahmen des Women Career Day einen Workshop abgehalten für Doktorandinnen und Postdocs der MIN-Fakultät, in der es darum ging, sich über mögliche Karriereziele klarzuwerden. Warum sind solche Workshops notwendig?

Weil sich viele Menschen gar keine Gedanken über ihre (Lebens-)Ziele machen. Karriere passiert eben und innerhalb vordefinierter klassischer Bahnen; die gibt es aber heute immer weniger und im akademischen Umfeld sind sie außerhalb der Professur kaum bekannt und definiert.

Dabei gibt es ein breites Angebot an Jobs in den unterschiedlichsten organisationalen Kontexten und mit verschiedenen Arbeitsmodellen. Die „Karrierelandschaft“ ist ebenso vielfältig wie die Menschen, die ihren Platz in der Arbeitswelt suchen.

Wir unterscheiden uns alle in Persönlichkeit, Werten, Bedürfnissen und Zielen. Das zu verstehen, die eigene Einzigartigkeit schätzen zu lernen und mit Zuversicht die Karrierelandschaft auf der Suche nach interessanten und passenden Zielgebieten zu erkunden, ist Intention eines solchen Workshops.

Und könnten Männer davon nicht auch profitieren?

Natürlich profitieren Männer wie Frauen davon, sich über ihre Interessen, Wünsche und Ziele klar zu werden. Männer scheinen dann allerdings tendenziell weniger ein Problem damit zu haben, einfach etwas auszuprobieren.

Sie trauen sich mehr zu und scheuen weniger davor zurück, sich für ihre Interessen einzusetzen. Frauen warten eher darauf, entdeckt und gefördert zu werden, ohne allerdings klare Signale zu setzen.

Auch scheint es immer noch so, dass Frauen viel mehr „unter einen Hut“ bekommen müssen. Deshalb ist es sinnvoll, Frauen zusätzlich in diesen Fragen zu unterstützen, insbesondere wenn man möchte, dass sie nicht weiter unter der „gläsernen Decke“ hängen bleiben.

Worin besteht denn für Nachwuchswissenschaftlerinnen bzw. Frauen in der Wissenschaft die besondere Herausforderung?

Frauen sind tendenziell selbstkritisch und hinterfragen sich und ihre laufenden Projekte. Sie analysieren viel, denken für andere mit und suchen Probleme eher bei sich selbst. Ihre männlichen Kollegen haben weniger Schwierigkeiten, Aufstiegsmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen oder Gehalt klar und deutlich einzufordern. Deshalb ist es besonders für Frauen wichtig, ihre eigenen Stärken zu kennen und zu lernen, sich zu vertrauen und ihre Interessen durchzusetzen.

Die Wissenschaft im MIN-Bereich und die höheren Führungspositionen in Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind nach wie vor vorwiegend männlich besetzt. Wenn Frau da weiterkommen will, lohnt es sich für sie, sich mit männlichen Kommunikationsstilen zu befassen, Wettbewerb aktiv anzunehmen und mitzuspielen, aktiv zu netzwerken und sich Rat und Unterstützung auch bei anderen Frauen zu suchen.

Wenn jemand unsicher ist oder Zweifel an dem eingeschlagenen Weg hat, was sollte er bzw. sie dann vor allem tun?

Kein Weg ist eine Einbahnstraße. Es gibt immer eine Möglichkeit, in eine andere Richtung zu steuern und das bisher Erlernte in einem neuen Feld anzuwenden. Man ist ja nicht „ein Wissenschaftler“, sondern zum Beispiel fähig zu forschen, Hypothesen zu bilden, zu schreiben, Sachverhalte zu sortieren, kritisch zu analysieren, Projekte zu organisieren, in der Öffentlichkeit vorzutragen, unter Zeitdruck zu agieren und so weiter.

Nicht alles macht man gerne, aber jede Promovierte hat all diese Fähigkeiten bereits gezeigt. Sie kann diese und ihre vielen weiteren Fähigkeiten in jedem anderen Bereich erfolgreich einsetzen. Dazu muss sie sich aber klar darüber werden, was sie gerne tut und in welchem Feld und unter welchen Bedingungen sie in der näheren Zukunft tätig werden möchte.

Wie sehen denn typische Karrierebilder von jungen Wissenschaftlerinnen aus?

Sie werden Professorinnen, Lehrende an Universitäten oder Fachhochschulen, Forscherinnen in Forschungseinrichtungen, gehen in die Wirtschaft und leiten F&E-Teams in großen Firmen, werden Produktmanagerinnen, Kundenberaterinnen und Marketingleiterinnen, leiten Innovationsabteilungen, gründen eine eigene Firma, werden Autorinnen oder Patentanwältinnen.

Viele verwirklichen ihren Wunsch nach Freiraum für Familie und andere Interessen über Teilzeitarbeit oder flexible Arbeitsmodelle. Ihre Karrierewege sind dann tendenziell bunter und weniger aufstiegsorientiert.

Welche Tipps geben Sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Bezug auf ihre Karriereplanung mit auf den Weg?

Ich rate ihnen, ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten auf ein weiteres Forschungsthema anzuwenden, nämlich auf die eigenen beruflichen Wünsche und Ziele, auf die für sie nötigen Arbeitsbedingungen, um erfolgreich tätig zu werden, und auf die mögliche Karrierelandschaft, die dazu passt.

Arbeitgeber und ihre Kulturen sind so vielfältig. Die jeweiligen Themen und Führungsstile unterscheiden sich, das kollegiale Miteinander in den Arbeitsgruppen und die Menge an Struktur, Freiheit und Verantwortung, die man als Mitarbeiter hat.

Nicht alles passt zu einem, es gilt daher auszuprobieren, unterstützende Faktoren zu suchen, behindernde Faktoren langfristig zu verringern und so aktiv den eigenen stimmigen Platz im (Arbeits-)Leben zu erforschen.

Das geht nicht im „Trockenen“, eine Gefahr bei theoretisch veranlagten Wissenschaftlern. Ob ich Führungsverantwortung möchte und in welchem Ausmaß, muss ich erst ausprobieren, bevor ich wissen kann, dass es mir nicht entspricht. Das kann, muss aber nicht im beruflichen Umfeld ausgelotet werden. Private und soziale Projekte sind eine wunderbare Bühne, sich auszuprobieren.

Meiner Erfahrung nach wächst man schnell in neue Aufgaben herein, die sich gerade Frauen im Voraus nicht zutrauen. Außerdem gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich über neue Herausforderungen in Büchern, Seminaren und Coachings zu informieren und sich in Mentoring-Programmen begleiten zu lassen. Deshalb kann ich nur raten, mutig den eigenen Weg zu beschreiten und sich dabei aktiv Unterstützung zu suchen.

Auch bezogen auf Ihren eigenen Karriereweg: Was ist Ihnen am wichtigsten bei der beruflichen Planung?

Das Wichtigste ist etwas zu machen, was einem wirklich Freude macht. Nicht jede Teilaufgabe darin muss perfekt sein. Aber das große Ganze muss Lust machen, morgens dafür aufzustehen. Was das für den Einzelnen ist – sei es das hochspannende Thema, ein bestimmtes Ziel, der Arbeitsprozess selbst, das verdiente Geld –, ist höchstindividuell und kann sich auch ändern. Was immer es ist: Es vor Augen zu haben, hilft ungemein, mit Kraft durch den Tag zu gehen und langfristig eine stimmige Karriere und ein erfülltes Leben zu leben.

Das Interview führte Giselind Werner.
 
 
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