Das war die Aktive Mittagspause zum Thema „Geschlechtergerechte Sprache“ mit Prof. Dr. Gabriele Diewald (Universität Hannover)
1. Februar 2021, von Stabsstelle Gleichstellung
Foto: UHH/ Newig
In der von der Stabsstelle Gleichstellung organisierten digitalen Aktiven Mittagspause am 21. Januar 2021 hielt die Professorin für Germanistische Linguistik der Universität Hannover, Gabriele Diewald, einen Vortrag zur geschlechtergerechten Sprache aus linguistischer Perspektive. In ihrem Vortrag erörterte Prof. Diewald neben grundlegenden linguistischen Fragestellungen auch praktische Hinweise für einen gendersensiblen Sprachgebrauch sowie Herausforderungen im Umgang mit geschlechtergerechter Sprache.
Dem Argument, die Verwendung des generischen Maskulinums[1] würde alle Geschlechter grundsätzlich immer gleichermaßen einbeziehen, entgegnete Prof. Diewald, dass es sich sprachgeschichtlich hierbei in erster Linie um eine Gebrauchsgewohnheit handle, die Frauen benachteiligt und nicht sichtbarmacht. Empirische Untersuchungen[2] aus dem Bereich der Psycholinguistik würden belegen, dass die Verwendung des generischen Maskulinums auch heute noch als diskriminierend wahrgenommen werde. Demnach sei geschlechtergerechte Sprache durchaus ein probates Mittel der Gleichstellung[3].
Eine Normierung geschlechtergerechter Sprache sieht Prof. Diewald kritisch, handelt es sich hierbei doch um einen Wandlungsprozess der Sprache, der auch in seiner linguistisch-theoretischen Ausdifferenzierung noch nicht abgeschlossen ist. Die einzige Regel für einen reflektierten Sprachgebrauch laut Prof. Diewald: die Verwendung des generischen Maskulinums vermeiden!
Für einen diskriminierungsfreien und gendersensiblen Sprachgebrauch stellte Prof. Diewald verschiedene Ansätze aus dem „geschlechtergerechten Werkzeugkasten“ vor, die einfach und grammatikalisch korrekt umzusetzen sind. Zu den bekanntesten Methoden zählen die Sichtbarmachung durch Verwendung des sogenannten „gendergap“ (Unterstrich), des Gendersternchens oder des Binnen-I sowie die Neutralisierung, also geschlechtsindifferente Nennungen wie beispielsweise „Lehrende“ oder „Studierende“. Auch die Abstraktion erweist sich als hilfreiche Methode, bei der Funktionen anstelle von Personen benannt werden (z.B. „das Ministerium“ und „die Leitung“).
Den Grund dafür, dass der Diskurs um gendergerechte Sprache häufig sehr emotional geführt wird, sieht Prof. Diewald darin, dass in diesem Zusammenhang immer auch Geschlechterordnungen, Status und Privilegien mitverhandelt werden. Oftmals rücke das sprachliche Problem hierbei in den Hintergrund.
Während der Aktiven Mittagspause bestand für das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen, was rege in Anspruch genommen wurde.
[1] Vgl. Diewald, Gabriele: Zur Diskussion: Geschlechtergerechte Sprache als Thema der germanistischen Linguistik – exemplarisch exerziert am Streit um das sogenannte generische Maskulinum, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik, 46/2018, S. 283–299.
[2] Siehe exemplarisch Heise, Elke: Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Untersuchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner Alternativen, in: Zeitschrift für Sprache und Kognition 19/2000, S. 3-13; Irmen, Lisa; Steiger, Vera: Zur Geschichte des Generischen Maskulinums: Sprachwissenschaftliche, sprachphilosophische und psychologische Aspekte im historischen Diskurs, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik, 33/2005, S. 212–235.
[3] Siehe Hölter, Katharina: „Das Problem ist und bleibt unsere patriarchale Gesellschaft“. Interview mit Gabriele Diewald, in: Spiegel Online, 13.01.2021, URL: https://www.spiegel.de/start/berufswahl-von-frauen-so-beeinflusst-sprache-ihre-entscheidung-a-96067e35-70ce-43e1-9e89-882de7fa06d3 [zuletzt eingesehen am 29.01.2021].