UHH Newsletter

April 2016, Nr. 84

IN­TER­VIEW

Wenn das Wetter die Weiterfahrt verhindert, ist auch Zeit zur Beobachtung von Pinguinen: Hier schüttelt ein Felsenpinguin von den Falklandinseln Sand ab. Foto: UHH/Brandt

Wenn das Wet­ter die Wei­ter­fahrt ver­hin­dert, ist auch Zeit zur Be­ob­ach­tung von Pin­gui­nen: Hier schüt­telt ein Fel­sen­pin­gu­in von den Falk­land­in­seln Sand ab. Foto: UHH/Brandt

Der Epibenthosschlitten, der den Meeresboden abfährt, kommt zurück an Deck. Foto: UHH/Brandt

Der Epi­bent­hos­schlit­ten, der den Mee­res­bo­den ab­fährt, kommt zu­rück an Deck. Foto: UHH/Brandt

Die James Clark Ross vor einem Gletscher, South Georgia. Foto: UHH/Brandt

Die James Clark Ross vor einem Glet­scher, South Geor­gia. Foto: UHH/Brandt

Makrofauna aus 1000 m Tiefe südlich von Signy Island. Foto: Claudio Ghiglione

Ma­kro­fau­na aus 1000 m Tiefe süd­lich von Signy Is­land. Foto: Clau­dio Ghig­lio­ne

Von hoher See und der Sehn­sucht nach Salat – 5 Fra­gen an Prof. An­ge­li­ka Brandt zur Ex­pe­di­ti­on „SO-​An­tE­co“

Prof. Dr. An­ge­li­ka Brandt ist Lei­te­rin der Ab­tei­lung „Wir­bel­lo­se Tiere II“ des Cen­trums für Na­tur­kun­de und war vom 19.02. bis zum 25.03. im Rah­men der Ex­pe­di­ti­on „South Or­kneys – State of the An­tarc­tic Ecosys­tem“ (SO-​An­tE­co) un­ter­wegs auf dem Schiff „James Clark Ross“. Es ging von Port Stan­ley (Falk­land­in­seln) über sechs Sta­tio­nen zu den Süd­li­chen Or­kney­in­seln im Süd­pol­ar­meer. Wir haben ihr fünf Fra­gen zu den Her­aus­for­de­run­gen ihrer Ex­pe­di­ti­on ge­stellt.

Das Ex­pe­di­ti­ons­team um­fass­te Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler aus neun ver­schie­de­nen Län­dern. Vor den In­seln be­fin­det sich eine Re­gi­on, die auf­grund ihres hohen Krill­vor­kom­mens als „Ma­ri­ne Pro­tec­ted Area“ aus­ge­wie­sen ist. Der Mee­res­bo­den und die dort le­ben­den Arten sind an die­sen Sta­tio­nen bis­her un­be­kannt, wes­halb mit die­ser Ex­pe­di­ti­on die Grund­la­gen ge­legt wer­den soll­ten, um die bo­den­le­ben­den Ge­mein­schaf­ten zu be­schrei­ben und zu ver­ste­hen. Im Mit­tel­punkt stand die Frage: Sind die Le­bens­ge­mein­schaf­ten am Mee­res­bo­den – an­ders als in an­de­ren Re­gio­nen – sehr di­vers? Prof. Brandt be­schäf­tigt sich dabei vor allem mit der Ord­nung Iso­po­da, den Mee­re­sas­seln.

Sie waren jetzt wo­chen­lang auf hoher See. Was war die größ­te Her­aus­for­de­rung?

Zu­nächst ein­mal braucht man ca. zwei Tage, um sich an das Ge­schau­kel auf dem Schiff zu ge­wöh­nen. Für mich war es auch das erste Mal, in 12-​Stun­den-​Schich­ten zu ar­bei­ten. Auf mei­nen ei­ge­nen Ex­pe­di­tio­nen tei­len wir die Ar­beit an­ders ein, näm­lich nach Ge­rä­te­ver­ant­wort­lich­keit. Nach 12 Stun­den das Labor ver­las­sen zu müs­sen, egal was ge­ra­de an in­ter­es­san­ten Tie­ren auf dem Tisch liegt, ist teil­wei­se eine wirk­li­che Her­aus­for­de­rung. Da­durch kam es auch, dass in der an­de­ren Schicht das eine oder an­de­re in­ter­es­san­te Tier in Pro­ben­ge­fä­ßen ver­schwand, ohne dass man ein mög­li­ches „High­light“ schon gleich an Bord ent­de­cken konn­te.

Was ist das Schöns­te an sol­chen Ex­pe­di­tio­nen, was das Ner­vigs­te bzw. Schlimms­te?

Das ab­so­lut Schöns­te ist, dass man Bio­lo­gin sein kann und sich wirk­lich auf die Bio­lo­gie, die Or­ga­nis­men und den Aus­tausch mit Kol­le­gen kon­zen­trie­ren kann. Das Schlimms­te ist, dass man weit weg von der Fa­mi­lie ist und – wenn man von E-​Mail und ge­le­gent­li­chen Te­le­fo­na­ten ab­sieht – von zu Hause ab­ge­schnit­ten ist.

Wie muss man sich die Ar­beit auf dem Schiff vor­stel­len?

Wir ar­bei­ten hier wie ge­sagt in 12-​Stun­den-​Schich­ten und er­le­di­gen dann alles was an­fällt – vom Ein­satz der Ge­rä­te über die Vor­be­rei­tung der Pro­ben­ge­fä­ße bis zum Sor­tie­ren in Tier­stäm­me oder auch Ord­nun­gen oder Klas­sen im Labor. Dazu ge­hö­ren dann auch das Wie­gen der Tiere (Nass­ge­wicht), Fotos in­ter­es­san­ter und schö­ner Arten und Ein­trag ins Sta­ti­ons­buch mit Num­mern­ver­ga­be sowie ein Ein­trag in eine di­gi­ta­le Da­ten­bank.

Das Ma­te­ri­al der Epi­bent­hos­schlit­ten­fän­ge ver­schwin­det, wenn es an Deck kommt, aus den Netz­be­chern der Ge­rä­te so­fort un­sor­tiert in -20 Grad kal­ten Etha­nol und dann in der -​20-​Grad-​Ge­frier­zel­le. Nach 12 Stun­den wird der Al­ko­hol ge­wech­selt, alle drei Stun­den die Probe vor­sich­tig be­wegt. Jedes ein­zel­ne Pro­ben­glas be­kommt eine Num­mer und wird dann in eine Da­ten­bank ein­ge­tra­gen. Wird es wei­ter sor­tiert, gibt es Un­ter­num­mern, die auf die­ses Ori­gi­nal­glas hin­wei­sen, etc. Dann wird das Deck ge­säu­bert und das nächs­te Gerät wird ge­fah­ren. Wir haben an Bord aus dem Su­pra­netz­fän­gen knapp 4.000 Wir­bel­lo­se sor­tiert.

Was ver­misst man auf sol­chen Ex­pe­di­tio­nen am meis­ten?

Salat. Zu An­fang gibt es noch viel Obst und Ge­mü­se und Salat, zum Ende der Ex­pe­di­ti­on sind dann diese Vor­rä­te aus den Kühl­kam­mern ver­schwun­den oder be­gin­nen zu gam­meln, daher essen wir sie vor­her (lacht). Aber mehr als die ku­li­na­ri­schen Ge­nüs­se ver­mis­sen alle vor allem die Fa­mi­lie, ihre Part­ner, Kin­der, El­tern und Freu­de. Wenn man so weit weg ist, dann ist einem die Fa­mi­lie trotz der Ferne sehr nah.

Wel­che Ar­beits­schrit­te fol­gen jetzt, wo Sie wie­der an Land sind?

So­bald die Pro­ben zu­rück in Eng­land sind, wer­den die Kis­ten­in­hal­te aus den Kühl­räu­men an die je­wei­li­gen Wis­sen­schaft­ler ver­sen­det und dann be­ginnt die Ar­beit erst rich­tig. Da wir auf dem Schiff im Ak­kord die Pro­ben „ein­ge­macht haben“, hat­ten wir wenig Zeit für die De­ter­mi­na­ti­on oder ent­spre­chen­de Ana­ly­sen. Das muss nun zu Hause an Land durch­ge­führt wer­den, um zu über­prü­fen, ob auch die Mee­res­bö­den und ihre Le­bens­welt schüt­zens­wert sind.

Mehr zu „SO-​An­tE­co“ unter: www.bas.ac.uk/pro­ject/so-​an­te­co/

Anna Maria Prie­be
 


Kon­takt:

Prof. Dr. An­ge­li­ka Brandt
Cen­trum für Na­tur­kun­de
Lei­te­rin der Ab­tei­lung Wir­bel­lo­se Tiere II

t. 040.42838-​2278
e. abrandt@​uni-​ham­burg.de

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