UHH Newsletter

März 2010, Nr. 12

CAMPUS

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Vortrag von Dr. Alessandra Rusconi (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) zum Thema „Karrieren von Akademikerinnen“ auf der Ta­gung „Wis­sen­schaft und Ge­schlecht. Kar­rie­ren und Bar­rie­ren auf dem Weg an die Spit­ze“, Foto: UHH/Schell



Kontakt:

Prof. Dr. Anita Engels (Projektleitung)

Universität Hamburg
Centrum für Globalisierung und Governance (CGG)
Forschungsprojekt „Frauen in der Spitzenforschung“

Bogenallee 11
20144 Hamburg

t. 040.42838-3998
e. anita.engels-at-uni-hamburg.de

Frauen in der Wissenschaft – auf dem Weg an die Spitze?

Über die Hälfte der Studienanfänger ist weiblich und bei den Promotionen haben Frauen mit einem Anteil von über 40% in den vergangenen Jahren aufgeholt. Kann somit die „Frauenfrage“ an Hochschulen ad acta gelegt werden? Keinesfalls, denn die Unterrepräsentanz von Frauen in Spitzenpositionen an Hochschulen hat ebenso hartnäckig Bestand wie ihre geringe Präsenz in einzelnen Fächern. Zudem sind für Hochschulen in den letzten Jahren Themen relevant geworden, die Frauen und Männer gleichermaßen betreffen: Wie lassen sich in einer Partnerschaft zwei gleichrangige Karrieren verbinden und wie kann man vermeiden, dass Kinder ein „Knockout-Kriterium“ für die wissenschaftliche Karriere darstellen?
Sieben thematisch einschlägige Forschungsprojekte präsentierten am 18. und 19. Februar 2010 auf der Tagung „Wissenschaft und Geschlecht – Karrieren und Barrieren auf dem Weg an die Spitze“ an der Universität Hamburg aktuelle Ergebnisse. Organisiert wurde die Veranstaltung von dem Projekt „Frauen in der Spitzenforschung“, das unter der Leitung von Prof. Dr. Anita Engels aus der hiesigen Soziologie eine Begleituntersuchung zu Geschlechteraspekten der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder durchführt. Das große Interesse und die rege Beteiligung der mehr als 160 Teilnehmer/innen zeigte deutlich: Es gibt nach wie vor großen Forschungs- und Handlungsbedarf.

Auf der Tagung wurden fundierte Daten zu Themen geliefert, die bisher als allgemeine, aber unbelegte Annahme die Diskussion dominierten. Andere Annahmen mussten aufgrund neuer Erkenntnisse revidiert werden. Die geringe Bereitschaft deutscher Akademikerinnen, Kinder zu bekommen, ist so ein Vorurteil, mit dem aufgeräumt wurde.

Dem Projekt „Risiken und unbedachte Nebenfolgen – Wissenschaftskarrieren und Kinderlosigkeit“ (TU Dortmund) ist es gelungen, erstmals verlässliche Daten für acht Bundesländer zusammenzustellen. Wissenschaftlerinnen sind demnach zwar häufiger kinderlos als ihre männlichen Kollegen. Nachgewiesen werden konnte aber auch ein Zusammenhang mit der Art der Beschäftigung: Wachsende Unsicherheiten durch eine immer häufigere und immer kürzere Befristung von Arbeitsverhältnissen begünstigen Kinderlosigkeit – und dies gilt zunehmend auch für männliche Wissenschaftler.

Der Wunsch nach Kindern ist dabei groß, wie das Projekt „Balancierung von Elternschaft und Wissenschaft“ (Center of Excellence Women and Science, Bonn) zeigte. Auch hier wurde von Wissenschaftler/innen die geringe Planungssicherheit als größte Barriere für die Realisierung eines Kinderwunsches angegeben. Unter Erschöpfungssymptomen leiden allerdings Kinderlose häufiger als Wissenschaftler/innen mit Kind. Dieser Befund gilt insbesondere für den Mittelbau; auf der Professoren/innen-Ebene sind Erschöpfungssymptome weniger häufig verbreitet.

Die partnerschaftliche Situation als Basis für eine wissenschaftliche Karriere war ein zentraler Faktor in einigen der vorgestellten Projekte. Wissenschaftlerinnen haben häufiger Partner, die ebenfalls eine Karriere anstreben, wie das Projekt „Gemeinsam Karriere machen“ (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) darlegte. In der schwierigen Vereinbarkeit zweier Karrieren liegt ein wesentlicher Grund für die anhaltende Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen.

Kathrin Zippel, Ph.D., Associate Professor an der Northeastern University (Boston), die durch ihren Eröffnungsvortrag einen internationalen Rahmen für die Projektvorträge schuf, ging auf Chancen und Risiken für Frauen ein, die sich durch die zunehmende Bedeutung internationaler Mobilität für die wissenschaftliche Karriere ergeben. Ihre Untersuchungen deuten darauf hin, dass häufig nicht Kinder gegen eine Mobilität von Frauen sprechen, sondern die berufliche Situation des Partners.

Einig waren sich alle Projekte darin, dass die genannten Aspekte keinesfalls „private Angelegenheiten“ sind: Wenn Hochschulen den verfügbaren Talentpool voll ausschöpfen und nicht weiter weibliche Potenziale vergeuden möchten, müssen sie Strukturen schaffen, die es Männern und Frauen gleichermaßen erlauben, eine wissenschaftliche Karriere zu verwirklichen. Zudem sollten Partnerschaft und Kinder als „Karrierehindernisse“ nicht überbewertet werden – sie sind Puzzlestücke in einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Barrieren, denen Frauen auf ihrem Weg an die Spitze der Wissenschaft begegnen.
St. Zuber
 
 
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