Umfeldstudie – Studie zum mitwissenden Umfeld funktionaler Analphabetinnen und Analphabeten
Die Umfeldstudie schloss inhaltlich an die leo. – Level-One Studie an, vollzog jedoch einen Perspektivwechsel: Im Fokus der Umfeldstudie standen nicht die betroffenen Personen selbst, sondern deren Umfeld. Die Studie ging u.a. den Fragen nach, wer die unterstützenden Personen sind und in welcher Form Unterstützung geleistet wird.
Die Studie umfasste eine qualitative Teilstudie, in deren Rahmen 30 Interviews mit Personen geführt wurden, die in verschiedenen Konstellationen Menschen kennen, die erhebliche Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben (Vertrauenspersonen, Unterstützungspersonen). Für die quantitative Teilstudie wurden per Zufallsauswahl 1.511 Erwachsene in Hamburg telefonisch befragt, ob sie Personen mit erheblichen Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben kennen, in welcher Beziehung sie zu den Betroffenen stehen und ob sie unterstützend tätig sind.
Ziel der Studie war es, Erkenntnisse über das mitwissende Umfeld von gering literalisierten Erwachsenen zu erlangen. Zentral war die Frage, wie Mitwissende als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren erreicht werden können, um Betroffenen im eigenen Lernprozess, etwa durch Bildungsangebote, unterstützen zu können. Die Umfeldstudie war in die Aktivitäten von Bund und Ländern zu Alphabetisierung und Grundbildung eingebunden.
Wirkungen
Eröffnung einer neuen Perspektive: Die Umfeldstudie hat eine innovative Perspektive eingenommen, denn sie nahm das Umfeld der Menschen mit geringer Lese- und Schreibkompetenz in den Blick. Das brachte neue Themen hervor: Wer kennt Menschen, die nicht gut lesen und schreiben können? Welche Unterstützung kommt aus dem privaten und beruflichen Umfeld?
Wissenstransfer:
Die Ergebnisse der Studie wurden in 27 Vorträgen, einem Ergebnisband und 5 weiteren Publikationen einem breiten Publikum präsentiert und zugänglich gemacht. Im Jahr 2023 sollen sowohl der quantitative Datensatz, wie auch die 30 Interviews in einer anonymisierten Form für weitere Forschungen in Sekundärnutzung veröffentlicht werden.
Blick auf die Lebenswelt gerichtet:
Die Ergebnisse zeigen, dass nicht nur der berufliche Kontext für Angebote, Maßnahmen und Kampagnen wichtig ist, um das Thema Lesen und Schreiben von Erwachsenen zu platzieren, sondern auch das außerberufliche Leben in Freizeit und Familie. Die Studie illustriert lebensweltliche Zusammenhänge und hat maßgeblich eine Diskussion angestoßen, die schließlich in eine spezifische Förderline des BMBF (Lebenswelt-Förderlinie) eingemündet ist.
Enttabuisierung des Themas:
Die Studie und die breite Diskussion ihrer Ergebnisse hatte Folgen für die Ansprachestrategien im Bildungsbereich „Grundbildung für Erwachsene“. Es konnte nämlich gezeigt werden, dass in der Gesellschaft viel mehr persönliche Kontakte zu Erwachsenen vorliegen, die beim Lesen und Schreiben zum Teil erhebliche Schwierigkeiten haben, als bei einem vermeintlichen Tabu-Thema zu erwarten wäre.
Vielmehr wurde die Diskussion unterfüttert, die sich von der Defizitperspektive gegenüber Menschen mit geringer Literalität entfernt und Positionen in den Fokus rückt, die Potenziale dieser Menschen und in ihrem Umfeld erkennt und nutzbar machen möchte.
Kampagnenarbeit inspiriert:
Damit zeigte die Studie, dass es erfolgversprechend ist, entsprechende Kampagnen aufzulegen, die nicht nur die Personen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen ansprechen, sondern auch deren familiäres, soziales oder arbeitsplatzbezogenes Umfeld. Das Projekt hat damit die Kampagnenarbeit von Bund und Ländern (www.mein-schluessel-zur-welt.de) inspiriert und inhaltlich unterfüttert.
Rund um das Projekt
- Projektverantwortliche:
Prof. Dr. Anke Grotlüschen, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Professorin für Lebenslanges Lernen
Prof. Dr. Wibke Riekmann, Medical School Hamburg, Professur für Theorie und Praxis in der Sozialpädagogik - Kooperationspartner:innen:
Info GmbH, Berlin:
Dr. Holger Liljeberg, Sindy Krambeer
- Laufzeit des Projekts:
Mai 2013 - Juni 2016 - Finanzierung:
BMBF, Förderkennzeichen W138000 - Weitere Informationen unter:
https://www.ew.uni-hamburg.de/einrichtungen/ew3/erwachsenenbildung-und-lebenslanges-lernen/projekte/abgeschlossene-projekte/umfeldstudie.html