Internationaler KongressLehrerbildung professionalisieren – 5 Fragen an Prof. Dr. Eva Arnold und Prof. Dr. Gabriele Kaiser
18. September 2017, von Anna Priebe
Foto: Hans-Christian Scholz
Welche Kompetenzen benötigen angehende Lehrerinnen und Lehrer, um ihren Beruf erfolgreich ausüben zu können? Und welche didaktischen Konzepte müssten daher in der Ausbildung im Vordergrund stehen? Vom 21. bis 23. September 2017 treffen sich rund 200 nationale und internationale Forscherinnen und Forscher an der Universität Hamburg, um diese Fragen zu diskutieren. Der Kongress ist Teil des Projektes „Professionelles Lehrerhandeln zur Förderung fachlichen Lernens unter sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen“ (ProfaLe). 5 Fragen an Prof. Dr. Eva Arnold, Dekanin der Fakultät für Erziehungswissenschaft, und Prof. Dr. Gabriele Kaiser, wissenschaftliche Leiterin des Projekts ProfaLe.
Herausforderungen für Lehrkräfte sind vielfältig. Welche Kompetenzen werden zukünftig besonders wichtig sein?
Eva Arnold (EA): Digitalisierung und Inklusion sind zwei hochaktuelle Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer: Lehrkräfte sollen ihre Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und ihre Risiken einzukalkulieren. Sie sollen zugleich fähig sein, Barrieren zu erkennen, die manchen Kindern und Jugendlichen das Lernen erschweren, und diese soweit wie möglich zu beseitigen.
Gabriele Kaiser (GK): Welchen neuen Herausforderungen Schulen und Lehrkräfte allerdings in den kommenden Jahrzehnten gegenüberstehen werden, lässt sich kaum vorhersehen. Deshalb brauchen Lehrkräfte u. a. die Fähigkeit, gesellschaftliche Entwicklungen und ihre Konsequenzen für Schule und Unterricht zu erkennen, um das eigene Handeln an veränderte Bedingungen anzupassen. Das ist notwendig, um den Lernerfolg von Schülerinnen und Schüler langfristig von sozialen und kulturellen Merkmalen und individuellen Lernvoraussetzungen unabhängig zu machen.
Wie können diese Kompetenzen in der Lehrerausbildung gefördert werden?
(GK): Die Lehrerprofessionsforschung zeigt, dass erfolgreiche Lehrkräfte über belastbares Wissen in ihren Unterrichtsfächern, in den Didaktiken ihrer Fächer und zu allgemein pädagogischen Sachverhalten verfügen. Um dieses Wissen im Unterricht nutzen zu können, müssen angehende Lehrkräfte zudem lernen, Unterrichtssituationen rasch zu erkennen, zu interpretieren und sich für eine angemessene Handlungsweise zu entscheiden.
Diese Fähigkeiten, die man „professionelle Unterrichtswahrnehmung“ nennen kann, entwickeln sich im Verlaufe des Berufslebens kontinuierlich weiter. Während des Studiums kann man aber erste Schritte auf dem Weg zu „professioneller Unterrichtswahrnehmung“ gehen, z.B. durch die Arbeit mit Unterrichtsaufzeichnungen.
Welche Rolle spielt dabei ProfaLe?
(EA): Das Projekt ProfaLe entwickelt innovative Lehrveranstaltungen mit dem Ziel, diese „professionelle Unterrichtswahrnehmung“ anzubahnen. Die Arbeit fokussiert dabei vier Schwerpunkte, nämlich die Zusammenarbeit zwischen Fächern und Fachdidaktiken, die Anforderungen durch sprachlich-kulturelle Heterogenität, die Vorbereitung auf inklusiven Unterricht und neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit Lehrkräften, die Schulpraktika betreuen. Die neu entwickelten Lehrangebote werden zudem wissenschaftlich ausgewertet, um zu bestimmen, welchen Beitrag sie zum Kompetenzerwerb der Studierenden leisten.
Was ist das Ziel des Kongresses, bei dem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Ländern mit anderen Schulsystemen anwesend sein werden?
(GK): Ziel des Kongresses ist es, den Forschungsstand zur Kompetenzentwicklung von Lehrerinnen und Lehrern differenziert darzustellen und zu diskutieren. Eine Übersicht über aktuelle Themen und Forschungsergebnisse wird sich zum Beispiel aus den Plenarvorträgen ergeben. In Symposien werden Projekte der Qualitätsoffensive Lehrerbildung erste Ergebnisse präsentieren. So soll der Kongress den Austausch zwischen den Projekten ermöglichen.
Wie sind Lehramtsstudierende in das Projekt ProfaLe und den Kongress eingebunden?
(EA): Lehramtsstudierende profitieren natürlich von den Lehrveranstaltungen, die im Rahmen des Projekts sehr sorgfältig entwickelt, vorbereitet, durchgeführt und evaluiert werden. Eine größere Zahl von ihnen ist zudem als studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Projekt beschäftigt. Auch Lehramtsstudierenden können kostenfrei am Kongress teilnehmen.
(GK): Allerdings stellt das Projekt auch Anforderungen an die Studierenden: Um die Wirkungsweise der neuen Lehrangebote zu erfassen, werden sie derzeit besonders häufig gebeten, an Tests teilzunehmen und Befragungsbögen auszufüllen. Wir hoffen, dass sie auch weiterhin so bereitwillig an diesen Untersuchungen teilnehmen wie bisher.
ProfaLe
Das Projekt „Professionelles Lehrerhandeln zur Förderung fachlichen Lernens unter sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen (ProfaLe)“ wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Ziel ist die Verbesserung der Lehrerbildung durch die Koordination der fachlichen, fachdidaktischen, pädagogischen und schulpraktischen Ausbildungsanteile sowie die wissenschaftliche Untersuchung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen für den Aufbau professioneller Lehrkompetenzen.