Florian Grüner und Theresa Staufer über ihre Röntgenfluoreszenz-Forschung„Von der Entwicklung neuer Medikamente zur Messung der Immunantwort“
5. Oktober 2022, von Tim Schreiber
Foto: privat
Einem Team des Fachbereichs Physik der Universität Hamburg ist es gelungen, die Aufnahme eines Co-Enzyms in einzelne menschliche Hautzellen zu messen. Im Interview sprechen Prof. Dr. Florian Grüner und Dr. Theresa Staufer über die angewendete Methode und deren mögliche Weiterentwicklung.
Was macht die Methode, die Sie angewendet haben, so besonders?
Florian Grüner: Unsere Methode der Röntgenfluoreszenz-Bildgebung ermöglicht hochaufgelöste Messungen von markierten Entitäten, wie zum Beispiel einzelnen Zellen oder Medikamenten, um deren Verteilung sowohl räumlich, als auch zeitlich zu bestimmen. Die Anwendungsbereiche dafür sind vielfältig und reichen von pharmakokinetischen Studien in der Entwicklung neuer Medikamente, hin zur Messung der Immunantwort in der Therapie und bei chronisch entzündlichen Erkrankungen. Zwei wesentliche Eigenschaften, die einzigartig für die Methode sind, werden als „multi-tracking“, bzw. „multi-scale imaging“ bezeichnet und beschreiben die Möglichkeit, sowohl mehrere Entitäten gleichzeitig zu verfolgen, als dies auch auf verschiedenen Größenskalen von Ganzkörper-Scans bis hin zu einzelnen Zellen zu realisieren.
Wie kann die Methode weiterentwickelt werden?
Theresa Staufer: Wegweisend für die Weiterentwicklung der Methode ist einerseits die Realisierung von kompakteren Röntgenquellen und andererseits die Herstellung von deutlich großflächigeren Detektoren zur Messung der ausgesendeten Röntgensignale. Aktuell werden die Messungen an Synchrotronen durchgeführt, also großen Beschleunigern, deren Anzahl und Zugang stark begrenzt sind. Deutlich kompaktere Quellen sind also notwendig, um die Methode sowohl in Laboren weiterzuentwickeln, als auch später in die klinische Anwendung zu bringen. Der zweite Punkt betrifft die aktuell verfügbaren speziellen Röntgendetektoren, deren sensitive Fläche nur einen Bruchteil des Raumwinkels abdeckt, wodurch die Sensitivität im Moment technisch begrenzt ist und durch großflächigere Lösungen erhöht werden kann.
Was ist geplant, um die Forschung in die Anwendung zu bringen?
Florian Grüner: Unsere Arbeitsgruppe ist im engen Austausch mit diversen Kooperationspartnern nicht nur aus der Forschung, sondern auch aus dem klinischen Bereich und der Industrie. Vor allem die enge Zusammenarbeit mit Medizin und forschenden Pharmaunternehmen ist essentiell, um die Methode dahingehend zu entwickeln, dass aktuell nicht zugängliche Daten gewonnen und damit offene Fragen beantwortet werden können. Darüber hinaus bestehen auch enge Kontakte zu Entwicklern und Produzenten von unterschiedlichsten Röntgenquellen, um die Methode einer breiteren Nutzerschaft zugänglich zu machen.
Welche Anwendungen wären noch denkbar?
Theresa Staufer: Neben den Anwendungen im Bereich von einzelnen Zellen, kann die Methode wesentlich zur Entwicklung von Medikamenten, zum Beispiel in der Krebstherapie, zur Überwachung der Immunantwort in der Zelltherapie, sowie zur Früherkennung von Tumoren beitragen. Auch im Bereich der Therapie kann die Methode als Online-Diagnostik unterstützen und die Antwort des Immunsystems nach Bestrahlungseinheiten quantifizieren.
Wie wichtig sind Kooperationen am Forschungsstandort Hamburg?
Florian Grüner: Der Forschungsstandort Hamburg hat den einmaligen Vorteil, dass dort viele Expertinnen und Experten auf kleinstem Raum versammelt sind. Nur durch die enge Kooperation zwischen dem Universitätsklinikum, Forschenden aus dem Gebiet der organischen Chemie und der Nanowissenschaften, sowie Physikerinnen und Physikern sowohl von der Universität Hamburg als auch bei DESY, kann die Methode wesentlich vorangetrieben werden. Denn ohne geeignete Marker sowie Röntgenquellen könnte die Methode nicht durchgeführt werden.