Willkommen an Bord„Theologie ist die allerschönste Geisteswissenschaft“Prof. Dr. Hartmut von Sass verstärkt die Geisteswissenschaften
8. April 2025, von von Sass/Red.

Foto: @HannahZufall
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Theologe und Religionsphilosoph Prof. Dr. Hartmut von Sass.
Prof. Dr. Hartmut von Sass ist zum Sommersemester 2025 von der Humboldt-Universität zu Berlin nach Hamburg gekommen und hat an der Fakultät für Geisteswissenschaften eine Professur für „Systematische Theologie mit den Schwerpunkten Dogmatik und Religionsphilosophie“ angetreten.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Gewöhnlicherweise beschäftigt sich Theologie mit der argumentativen Analyse von Glaubensinhalten. Neben dem „Was“ gibt es aber auch ein „Wie“, d. h. die Frage, auf welche Weise Menschen glauben, sodass der Glaubensvollzug im Mittelpunkt steht.
Genau das interessiert mich im Blick auf drei Bereiche: das spannungsreiche Verhältnis von Religion und Emotionen, dem Glauben als eine bestimmte Vorstellung von unserer Zukunft und ganz generell ein praxistheoretisches Modell des Glaubens, das seinen einzelnen Praktiken – wie etwa dem Gebet oder dem gemeinschaftlichen Feiern – sowie deren komplexen Zusammenhang innovativ nachgeht.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Zum eben skizzierten Vollzug des Glaubens gehört auch die Frage, inwiefern aus Glauben ein bestimmtes Handeln folgt. Stellen wir uns einen „true believer“ vor, dem Umwelt- und Schöpfungsfragen egal sind, die Mitmenschen ohnehin und ganz von sich selbst überzeugt ist. Müsste sich nicht aus dem Glauben heraus ein bestimmtes – in diesem Fall: ein ganz anderes – Handeln ergeben? So leicht es ist, hier mit ‚Ja!‘ zu antworten, so schwierig ist es konkret zu ermitteln, in welche Richtung es gehen könnte.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
Wir sind für die Studierenden da – nicht umgekehrt. Und wer das glaubt, sollte entsprechend handeln (s.o.). Nicht so sehr die Wissensvermittlung spielt dabei eine Rolle – das könnte man auch ChatGPT überlassen –, sondern das Gespräch. Dazu gehört für mich nicht nur, miteinander zu reden, sondern auch zu lernen, wie man ein Gespräch führen kann: zu argumentieren, intellektuelle Empathie mit fremden Ansichten einzuüben, gute Beispiele zu geben, kritisch zu sein, beginnend mit sich selbst. Das ist das Zentrum meiner Veranstaltungen, da soll es – im doppelten Sinn – zur Sache gehen.
Zudem hat Hamburg einen religionsphilosophischen Schwerpunkt, den wir weiter und sichtbar stärken wollen. Und das heißt, rauszugehen und sich einzumischen, gerade außerhalb der Uni. Kampnagel, das Literaturhaus, Thalia. Das kann toll werden – und divers!
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Theologie ist die allerschönste Geisteswissenschaft! Die Vielseitigkeit der Theologie und die schon in ihr selbst angelegte Interdisziplinarität ist diesem Fach zutiefst zu eigen. Wer Lust hat an wirklichem Austausch, am gedanklichen Beweglich-Werden, vielleicht auch am guten Streit, am intellektuellen Ausprobieren, ist – so hoffe ich – in meinen Veranstaltungen genau richtig. Ich versuche, meine Begeisterung für unser Fach und seine manchmal fast abseitigen, meist aber vielseitigen Fragen vorzuleben; und umgekehrt: „Meine Veranstaltungen“ sind eben nicht einfach meine Veranstaltungen. Auch ich bin ja Student und möchte was Neues lernen!
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Es wäre ganz naheliegend, die Vielseitigkeit von Hamburg zwischen Blankenese und Wilhelmsburg, zwischen Schanzenviertel und Harvestehude zu huldigen. Stimmt ja auch alles! Aber es gibt noch zwei viel bessere Gründe. Zur Uni: Hier habe ich mein erstes Uni-Seminar besucht; ich war ungefähr 14, meine große Schwester nahm mich mit ins Forschungsseminar im Philosophen-Turm und alle, auch ich, musste sich an der Debatte beteiligen; daran darf ich nun sozusagen in meinen Veranstaltungen anknüpfen. Natürlich hoffe ich, Sinnvolleres sagen zu können als vor 30 Jahren. Und nochmal zu HH selbst und meine Freude, jetzt hier arbeiten zu können: Hier habe ich meine Frau kennenlernt – mehr geht nicht!
Blick in die weite Welt – mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
Es ist ein großes Problem der deutschsprachigen Theologie, vor allem mit sich selbst beschäftigt zu sein – ohne größeres Interesse etwa an den englischsprachigen Diskursen. Nun war ich so oft und lange im Ausland, zuletzt 1,5 Jahre in New York, dass es mir ein großes Anliegen ist, hier andere Akzente zu setzen. Um ein konkretes Beispiel zu nennen (vielleicht verrate ich jetzt zu viel ... ): Zwei enge und gute Kollegen von mir in Paris und Oxford sind ebenso wie ich an einer gemeinsamen Summer School mit Studierenden unserer so unterschiedlichen Einrichtungen interessiert. Das könnte ich mir sehr gut vorstellen!
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Eigentlich wehre ich mich erst einmal gegen die Prämisse, wir müssten sofort den gesellschaftlichen Nutzen benennen können. Andererseits kann es nicht dabei bleiben, dass Theologie und (Religions)Philosophie in Sprachlosigkeit gegenüber den Fragen unserer Zeit verharren.
Eine der Vollzüge und Emotionen des Glaubens, die mich in letzter Zeit am meisten beschäftigt hat, ist die Hoffnung samt ihren Zweideutigkeiten. Das ist gerade eines der Themen im öffentlichen Diskurs. Und so ist es doch am schönsten, wenn das, was einen wirklich umtreibt, sozusagen ‚automatisch‘ relevant ist. Oder anders ausgedrückt: nach Hoffnung zu fragen genau dann, wenn sie so prekär geworden ist. Unter Druck lässt sich oft am besten denken. Theologinnen und Theologen kennen sich genau damit ziemlich gut aus.