Internationalen Studie TIMSS 2023Trotz Pandemie: Grundschülerinnen und -schüler halten ihre Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften
4. Dezember 2024, von Newsroom-Redaktion
Foto: UHH/Constanze Koschwitz
Die in TIMSS 2023 („Trends in International Mathematics and Science Study“) getesteten Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland zeigen eine konstante Leistung in Mathematik und Naturwissenschaften im Vergleich zu 2019 – und das trotz pandemiebedingter Einschränkungen im Schulbetrieb in den Jahren 2020 und 2021. Das ist eines der am 4. Dezember in Berlin vorgestellten Studie unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Knut Schwippert von der Universität Hamburg.
Im internationalen Vergleich befindet sich Deutschland 2023 wie auch schon 2019 und 2015 im Mittelfeld des Gesamtrankings. Im Langzeittrend zu 2007 zeigen sich für Deutschland in Mathematik keine Kompetenzveränderungen, während in den Naturwissenschaften ein Rückgang festzustellen ist. Nach wie vor besteht in beiden Fächern eine enge Kopplung zwischen dem sozioökonomischen Status der Familien und dem Bildungserfolg der Kinder. Dieser Befund ist seit 2007 stabil. Der Anteil an Schülerinnen und Schülern, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, ist in beiden Fächern sehr hoch. Hier zeigt sich in den Naturwissenschaften sogar eine leichte Verschlechterung.
Die am 4. Dezember 2024 veröffentlichte Studie TIMSS 2023 untersucht seit 2007 alle vier Jahre die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der 4. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich.
„Bildungserfolg ist abhängig von der sozialen Herkunft“
Dazu erklärt Cem Özdemir, Bundesminister für Bildung und Forschung: „Schülerinnen und Schüler können ihr Kompetenzniveau nach der Pandemie halten. Das ist eine gute Nachricht und ein Erfolg der engagierten Lehrkräfte in Deutschland, die während der pandemiebedingten Schulschließungen ihr Bestes gegeben haben. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Leistungen keinen generellen COVID-Effekt erkennen lassen. TIMSS 2023 zeigt aber, wie abhängig der Bildungserfolg noch immer von der sozialen Herkunft ist. Auch gibt es nach wie vor signifikante Leistungsunterschiede zwischen Kindern ohne und mit Migrationsgeschichte. Das können wir uns als Einwanderungsland nicht leisten und müssen noch mehr dafür sorgen, dass das Bildungssystem unserer heterogenen Einwanderungsgesellschaft gerecht wird. Zudem erreicht jedes vierte Grundschulkind in Mathe und fast jedes Dritte in Naturwissenschaften nicht die Mindestanforderungen. Mit dem Startchancen-Programm wollen wir Chancengerechtigkeit in der Bildung verbessern und gezielt die Basiskompetenzen stärken. Mit dem MINT-Aktionsplan 2.0 stärken wir MINT-Kompetenzen entlang der Bildungskette. Dabei setzen wir bereits sehr früh mit der MINT-Bildung an, etwa mit der Stiftung Kinder forschen. Denn wir müssen die Kinder wieder verstärkt für MINT begeistern und das von Anfang an. Damit unsere Kinder ihr Kompetenzniveau nicht nur halten, sondern auch ausbauen, müssen Bund und Länder ihre Zusammenarbeit weiter ausbauen. Die Bildungsrepublik Deutschland braucht den Digitalpakt 2.0.“
Christine Streichert-Clivot, Präsidentin der Kultusministerkonferenz 2024 und saarländische Ministerin für Bildung und Kultur: „Es ist eine sehr gute Nachricht, dass die Kompetenzen von Viertklässlerinnen und Viertklässler in Mathematik und Naturwissenschaften im Vergleich zur Erhebung 2019 relativ unverändert und über dem internationalen Mittelwert geblieben sind. Die heutigen Ergebnisse zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler die Rückstände nach den Einbrüchen unmittelbar nach der Covid-19-Pandemie aufholen konnten. Erfreulich ist der signifikant gestiegene Anteil der Schülerinnen und Schüler in Mathematik, die die höchste Leistungsstufe erreichen. Leider ist der Anteil auf den unteren Leistungsstufen in Mathematik mit einem Viertel und in den Naturwissenschaften mit einem Drittel zwar im internationalen Vergleich im Mittel, aber immer noch deutlich zu hoch. Hier müssen wir uns weiter engagieren. Das Programm ,QuaMath – Unterrichts- und Fortbildungsqualität in Mathematik entwickeln‘ zur Verbesserung des Mathematikunterrichts, das die Länder seit 2023 für zehn Jahre fördern, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Die Initiative unterstützt Mathematik-Lehrkräfte bei der Förderung mathematischer Kompetenzen durch ein Qualifizierungsprogramm und die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien.“
Karin Prien, B-Länderkoordinatorin und Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein: „TIMSS 2023 zeigt, wie wichtig die Stärkung der basalen Kompetenzen ist. Unsere Maßnahmen wie die gezielte Förderung von MINT-Projekten und verbesserte Fortbildungsangebote für Lehrkräfte zahlen sich jetzt aus. Die Ergebnisse der TIMSS-Studie belegen zudem einmal mehr: Die Lehrkraft ist und bleibt der wichtigste Faktor für erfolgreiche Bildung und das Engagement der Lehrkräfte während und nach der Pandemie hat entscheidend dazu beigetragen, die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Deutschland konstant über dem internationalen Mittelwert zu halten. Erfreulich ist zudem, dass Deutschland in der Ausstattung mit digitalen Medien aufgeholt hat: Der Zuwachs in Deutschland war im internationalen Vergleich am größten. Das ist eine gute Nachricht und eine wichtige Voraussetzung dafür, den Einsatz digitaler Lehrmittel im Fachunterricht in Zukunft zu verbessern, denn hier muss Deutschland noch aufholen. Von zentraler Bedeutung ist jetzt der baldige Abschluss des DigitalPakts Schule 2.0, damit Deutschland den Anschluss an die internationale Entwicklung hält.“
Dr. Stefanie Hubig, A-Länderkoordinatorin und Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz: „Wenn man bedenkt, dass die Viertklässlerinnen und Viertklässler, die an TIMSS 2023 teilgenommen haben, lange wegen der Pandemie nicht in Präsenz in den Schulen lernen konnten, dann ist es ein Erfolg, dass die Ergebnisse gegenüber 2019 stabil geblieben sind. Diese gute Nachricht war – auch mit Blick auf andere Vergleichsstudien – nicht zwingend zu erwarten. Die Studie legt zudem nahe, dass unsere Entscheidungen im Pandemiejahr 2020 und danach offensichtlich Früchte getragen haben: der Einsatz für eine möglichst schnelle Wiederöffnung der Schulen und die Maßnahmen des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“. Offensichtlich haben sich auch die Lehrkräfte in besonderem Maße eingesetzt, um Rückstände zu verhindern oder wettzumachen. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar, sie haben damit für die gesamte Gesellschaft einen großen und großartigen Beitrag geleistet, um die Folgen der Pandemie abzufedern.“
Staatsrat Rainer Schulz, Amtschef der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung als Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK): „Wie in früheren TIMSS-Zyklen zeigt sich 2023 ein enger Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Kompetenzniveaus in Mathematik und in den Naturwissenschaften. Dabei wächst seit 2007 der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund – hier wirkt sich aus, dass die Zusammensetzung der Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher ist als zum Start von TIMSS. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass Bund und Länder eine Trendwende in der Kompetenzentwicklung hin zu mehr Chancengerechtigkeit eingeleitet haben: Mit dem Startchancen-Programm investieren wir gemeinsam seit diesem Jahr für zehn Jahre 20 Milliarden Euro und unterstützen insbesondere Grundschulen in sozial schwierigen Lagen mit dem Ziel, den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards nicht erreichen, zu halbieren.“
Die wichtigsten Ergebnisse für Deutschland im Überblick
Für das Fach Mathematik:
- Die mittleren mathematischen Kompetenzen der Viertklässlerinnen und Viertklässler betragen 524 Punkte. Sie liegen damit signifikant über dem internationalen Mittelwert (503 Punkte) und sind identisch mit dem Mittelwert der 22 teilnehmenden EU-Staaten[1] (524 Punkte) sowie vergleichbar mit dem der 29 teilnehmenden OECD-Staaten (525 Punkte). Das Leistungsniveau ist im Vergleich zu TIMSS 2007 (525 Punkte) und TIMSS 2019 (521 Punkte) stabil.
- Die höchste Kompetenzstufe V erreichen 8,3 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler (international 10,4 Prozent; EU 9,5 Prozent; OECD 11,5). Dieser Anteil ist im Vergleich zu 2007 (5,6 Prozent) und 2019 (6,0 Prozent) signifikant gestiegen.
- Der Anteil der Schülerinnen und Schüler auf den niedrigsten Kompetenzstufen I und II liegt bei 25,1 Prozent (international 36,6 Prozent, EU: 26,4 Prozent, OECD: 27,1 Prozent). Während dieser Anteil im Vergleich zu 2019 (25,3 Prozent) stabil ist, ist für 2007 (21,6 Prozent) ein signifikanter Zuwachs zu verzeichnen, der auf einen Anstieg auf der untersten Kompetenzstufe zurückzuführen ist.
Für das Fach Naturwissenschaften:
- In den Naturwissenschaften liegen die mittleren Kompetenzen mit 515 Punkten signifikant über dem internationalen Mittelwert (494 Punkte) und sind vergleichbar mit dem der teilnehmenden EU-Staaten (518 Punkte). Die OECD-Staaten sind im Mittel signifikant besser (526 Punkte). Das Leistungsniveau ist im Vergleich zu TIMSS 2019 (518 Punkte) stabil; liegt aber, wie bereits 2019, signifikant unter dem Niveau von TIMSS 2007 (528 Punkte).
- Die höchste Kompetenzstufe erzielen 8,7 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler (international: 8,3 Prozent; EU: 7,9 Prozent; OECD: 10,2). Dieser Anteil unterscheidet sich nicht signifikant von 2007 (9,6 Prozent) und 2019 (6,9 Prozent).
- Über ein lediglich rudimentäres Kompetenzniveau verfügen 29,7 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler (international: 38,7 Prozent, EU: 27,9 Prozent, OECD: 25,4 Prozent). Während dieser Anteil im Vergleich zu 2019 (27,7 Prozent) stabil ist, ist gegenüber 2007 (23,7 Prozent) ein signifikanter Zuwachs zu verzeichnen.
Sonstige Ergebnisse:
- 58,0 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler haben eine positive Einstellung zur Mathematik, in den Naturwissenschaften sind dies 70,6 Prozent. Trotz rückläufiger Tendenz gegenüber 2019 (Mathematik: 64,9 Prozent; Naturwissenschaften: 74,1 Prozent) und 2007 (Mathematik 69,9 Prozent; Naturwissenschaften: 80,7 Prozent) ist der Anteil weiterhin hoch.
- 63,6 Prozent der Lehrkräfte für Mathematik berichten, dass ihnen digitale Medien im Unterricht zur Verfügung stehen (international: 48,2 Prozent; EU: 54,0 Prozent; OECD: 61,1 Prozent); für die Naturwissenschaften beträgt der Anteil 82,6 Prozent (international: 60,5 Prozent; EU: 66,6 Prozent; OECD: 73,7 Prozent). Trotz hoher Verfügbarkeit erfolgt der Einsatz von digitalen Medien im Fachunterricht bislang nur eingeschränkt.
- In Mathematik zeigen sich wie im Jahr 2007 und 2019 signifikante geschlechterspezifische Unterschiede zugunsten der Jungen. Für die Naturwissenschaften bestehen 2023 keine signifikanten Unterschiede mehr. Dies ist allerdings auf ein Absinken des Leistungsniveaus der Jungen zurückzuführen.
- Das Kompetenzniveau in Mathematik und in den Naturwissenschaften ist weiterhin eng an soziale und herkunftsspezifische Faktoren gekoppelt. Dabei ist seit 2011 der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Unterstützungsbedarfen gleich geblieben und der Anteil mit Migrationshintergrund seit 2007 gestiegen.
Studie „Trends in International Mathematics and Science Study“ (TIMSS)
Die Studie „Trends in International Mathematics and Science Study“ (TIMSS) ist eine international vergleichende Schulleistungsuntersuchung, die unter der Koordination der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) durchgeführt wird. In Deutschland wird die Studie durch ein wissenschaftliches Konsortium unter der Leitung von Prof. Dr. Knut Schwippert (Universität Hamburg) durchgeführt.
An TIMSS 2023 beteiligten sich weltweit insgesamt 58 Teilnehmerländer, darunter 22 EU-Mitgliedstaaten und 29 OECD-Staaten. Die repräsentative Stichprobe in Deutschland umfasst 4.442 Viertklässlerinnen und Viertklässler an 230 Schulen. Die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an den Kompetenztests war in Deutschland verpflichtend. Zusätzlich erhielten die Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen und Erziehungsberechtigten Hintergrundfragebögen; der Verpflichtungsgrad variierte dabei je nach Bundesland.
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der Universität Hamburg.