Verkohlung statt VerbrennenVom Klärschlamm zum Langzeitdünger und CO2-Speicher
10. Oktober 2024, von Lennart Wichmann
Foto: UHH/Feuerböther
Für die Landwirtschaft entwickelt die Hamburger Geowissenschaftlerin Dr. Maria-Elena Vorrath einen nachhaltigen und kostengünstigen Dünger aus menschlichen Fäkalien. Ein Ansatz, der zudem gut für das Klima ist und für den die Forscherin eine Förderung von 30.000 Euro eingeworben hat.
Das Material für das Projekt „Superchar“ von Dr. Maria-Elena Vorath kommt in schwarzen, krustigen Stückchen daher. Die eher unscheinbare – und geruchsarme – Substanz hat jedoch eine unerwartete Herkunft: „Das sind getrocknete Fäkalien aus dem Klärwerk“, sagt die Wissenschaftlerin aus dem Fachbereich Erdsystemwissenschaften der Uni Hamburg.
Nach dem Faulungsprozess des Klärschlamms werden die Fäkalien getrocknet. Vorrath erhält es über ein Klärwerk in Südholstein. Das Material wird normalerweise verbrannt, was zur Rückgewinnung verschiedener Nährstoffe wie Phosphor – aber auch zu großen Treibhausgasemissionen führt. Hier setzt das Projekt „Superchar“ an.
„Ich forsche daran, wie man die daraus entstehende Kohle in der Landwirtschaft nutzen kann, denn sie kann einerseits CO2 für mindestens 1000 Jahre speichern und andererseits als wirksamer und kostengünstiger Dünger eingesetzt werden“, so Vorrath. Die Kohle lockert zudem den Boden, bindet Nährstoffe und kann so die Bodenqualität verbessern. Für ihr Projekt hat sie sich mit den Hamburger Firmen Novocarbo GmbH und Goldeimer gGmbH und den Carbon Collectors gGmbH aus Niedersachsen zusammengetan.
„Superchar“ – Kohle als Düngemittel
Bereits im vergangenen Jahr wurde ein ähnlicher Forschungsansatz über den „Klaus Tschira Booster Fund“ mit 80.000 Euro unterstützt. Nun wurde es durch das Programm „Calls for Transfer“ (C4T) von Hamburg Innovation mit 30.000 Euro ausgezeichnet. Gerade im Hinblick auf die gemeinsame Entwicklung von Innovationen mit externen Firmen sei die Finanzierung für den Fortgang ihres Projekts essentiell: „Gute Ideen für Innovationen werden in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht, finden aber nur selten den Weg in die Praxis. Dies gelingt durch die Zusammenarbeit von Forschung und investierenden Unternehmen, die ebenfalls von den Ergebnissen profitieren“, sagt die Geowissenschafterin. Durch die finanzielle Unterstützung der Unternehmen und deren Bereitschaft zur gemeinsamen Nutzung der Geräte kann das Forschungsteam herausfinden, wie groß der Effekt des CO2-speichernden Düngers für die Landwirtschaft wäre.
Auf Umwegen in die Erd- und Klimaforschung
Maria-Elena Vorraths Interessen sind vielfältig. Nach dem Abitur entschied sie sich zunächst für eine Ausbildung zur Tontechnikerin und studierte anschließend Musikwissenschaft an der Universität Hamburg. Erst im Alter von 26 Jahren kam der Wendepunkt: Sie begann ein Geowissenschaftsstudium, ebenfalls an der Universität Hamburg. Ihr Weg führt sie zum Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, wo sie sich auf die Klimawissenschaft spezialisierte und dort auch promovierte. Ihren Forschungsfokus legte sie während mehrerer Expeditionsreisen, unter anderem in die Antarktis, wo sie sich den Grenzbereichen von Klima- und Umweltveränderungen widmete. Im Jahr 2020 schloss sie ihre Promotion ab und erhielt im selben Jahr ein Stipendium in der Meeresforschung.
Vor etwa drei Jahren kam sie zum ersten Mal mit ihrem jetzigen Forschungsgebiet, der Gesteinsverwitterung, in Berührung: „Das Faszinierende daran ist, dass es sich bei der Gesteinsverwitterung um natürliche Prozesse handelt, die sehr lange ablaufen. Die Kohle wiederum, die wir in den Kraftwerken verbrennen, ist mehrere Millionen Jahre alt. Indem wir Gesteinsmehl und Kohle gemeinsam in den Boden einbringen, können wir die Prozesse der CO2-Speicherung beschleunigen und eine Bodenverbesserung herbeiführen.“, erklärt Maria-Elena Vorrath mit Enthusiasmus. Ihre Arbeit an der Schnittstelle von Geowissenschaften und Klima liefert wertvolle Erkenntnisse für zukünftige ökologische Strategien.
„Technologie kann nicht alles lösen“
Ein großes Missverständnis wäre jedoch, sich nur auf Technologie zu verlassen, um sich dem Klimaziel zu nähern. „Es kann nur ein Zusammenspiel aus einem drastischen Senken der Emissionen und innovativer Technologie sein, um die Klimakrise aufzuhalten. Die Weltpolitik muss jetzt einlenken und die richtigen Entscheidungen treffen.“ Deshalb ist es Maria-Elena Vorrath ein großes Anliegen, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Öffentlichkeit zu tragen.
Bei Science Slams hält sie Vorträge mit Titeln wie „Olivin gegen den Klimawandel? Das ist keine Lösung“, „Hacking the climate“ oder „Schnee von gestern und was er uns über das Klima verrät“. Unterhaltsam und informativ klärt sie in diversen Formaten über ihre Forschung auf und was für Lösungsansätze aus der Wissenschaft kommen, damit die Klimaziele eingehalten werden. „Die Leute sollen sehen und hören, was ich mache. Das wichtigste ist meine Kommunikation.“ Und wie geht es weiter mit „Superchar“? Im November sollen die ersten Experimente und Messungen durchgeführt werden. Dafür werden zunächst einmal die kleinen, krustigen Überreste von einer Firma zu Pellets weiterverarbeitet.