Experimentelle StudieWelche Rolle spielen Sexualhormone bei Stress in der Pubertät?Titel, Thesen, Promotionen
21. August 2023, von Newsroom-Redaktion
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Die Hormone im Körper beeinflussen sich gegenseitig stark. Wie hängen also der Umgang mit Stress und der weibliche Zyklus zusammen – insbesondere in der Pubertät, wenn die Hormonsysteme noch nicht vollständig ausgebildet sind? Das untersucht Nils Clusmann aus dem Fachbereich Biologie in seiner Promotionsstudie, für die er noch Teilnehmerinnen sucht.
In der Pubertät verändert sich der Körper der Jugendlichen stark. Was passiert da im Gehirn?
Das Gehirn ist in der Adoleszenz noch nicht völlig ausgereift. Das dauert etwa bis zum 25. Lebensjahr. Während dieser Entwicklungsphase gibt es eine Imbalance zwischen kognitiv kontrollierenden Regionen im vorderen Hirnbereich und affektiven, also emotionalen Regionen, die tiefer im Gehirn liegen. Das führt zum Beispiel dazu, dass die Impulskontrolle oft noch nicht ausgereift ist. Im Laufe der Jahre übernehmen dann die vorderen Hirnareale immer mehr die Kontrolle.
Und Hormone spielen beim Ausbalancieren eine wichtige Rolle?
Ja, denn ihre Zusammensetzung verändert sich in der Pubertät stark und sie beeinflussen sich gegenseitig genauso wie verschiedene Körperreaktionen. Bei Mädchen ist insbesondere die Menarche, also die erste Blutung, die den Menstruationszyklus startet, ein Einschnitt. Da braucht der Körper erstmal eine gewisse Zeit, um mit den stark fluktuierenden Hormonen klarzukommen.
Zudem wirken Sexualhormone auch auf die Ausschüttung von Botenstoffen im Gehirn. Es wurde zum Beispiel gezeigt, dass Testosteron und Estradiol den Neurotransmitter Dopamin regulieren und damit etwa grundlegende Formen des Lernens indirekt beeinflussen. In der Adoleszenz wird dieser Effekt wahrscheinlich noch deutlicher wirken, weil hormonelle Schwankungen auf das sich noch entwickelnde Gehirn treffen.
Sie untersuchen den Einfluss von Sexualhormonen speziell auf den Umgang mit Stress. Was ist Ihre These?
In der Pubertät verändern sich viele Dinge im sozialen Umfeld, der Fokus verschiebt sich von den Eltern auf Gleichaltrige. Gleichzeitig führt die Imbalance im Gehirn zu Verhalten, das ebenfalls für Konflikte sorgen kann. Das ist also insgesamt eine sehr stressige Phase.
Bei der Entstehung und Regulation von Stress wirken zwei Hauptkreisläufe: Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, die sogenannte Stressachse, ist dafür verantwortlich, dass das Hormon Cortisol ausgeschüttet wird, wenn wir uns gestresst fühlen. Die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse wiederum ist für die Regulierung der Sexualhormone verantwortlich, darunter Estradiol, Progesteron und Testosteron. Diese Hormone spielen eine wichtige Rolle bei der Fortpflanzung und der sexuellen Entwicklung.
Diese beiden Systeme sind miteinander verknüpft, da die im Körper ausgeschütteten Hormone auch im Gehirn wirken und somit die weitere Ausschüttung anderer Hormone regulieren.
Bei erwachsenen Frauen wurde gezeigt, dass die Sexualhormone Östrogen und Progesteron den Umgang mit Stress verbessern. Bei Mädchen wurde dies bisher unzureichend untersucht, weshalb wir nun schauen, ob und wie sich der Einfluss der Sexualhormone auf Stress im Menstruationszyklus von Mädchen verändert.
Was bringt diesen biologischen Vorgang in den Fokus?
Wir erwarten, dass es Unterschiede zwischen Frauen gibt, die einen natürlichen Menstruationszyklus haben, und denen, die die Pille nehmen. In der Lutealphase, also in der Phase nach dem Eisprung, erreicht das vermutlich stressreduzierende Hormon Progesteron seine höchste Konzentration. Junge Frauen, die hormonell verhüten, zeigen allerdings nur einen geringen Progesteronspiegel. Im Vergleich beider Gruppen können wir die Rolle des Progesterons in der Stressbewältigung besonders gut messen.
Meine Promotion ist Teil einer Erhebung, die an der Universität Hamburg in der „Arbeitsgruppe Neuroendokrinologie“ unter Leitung von Jun.-Prof. Dr. Esther Diekhof durchgeführt wird und zu einer Gesamtbetrachtung beiträgt. In einer vorherigen Studie haben wir bereits Frauen und Männer zwischen 18 und 25 Jahren untersucht. Zudem arbeiten wir mit dem „Institut des Sciences Cognitives Marc Jeannerod“ in Lyon zusammen, das ergänzend Mädchen zwischen 11 und 14 Jahren sowie Jungen zwischen 11 und 18 Jahren untersucht.
Die Erkenntnisse können Aufklärungsstrategien in der Schule unterstützen
So können wir die Altersspanne von 11 bis 25 Jahren abdecken und Unterschiede in der Beziehung der Sexual- und Stresshormone sehen – unmittelbar nach Eintritt der ersten Menstruation, aber auch, wenn die Hormonsysteme schon eingespielter sind und die Hirnreifung weitgehend abgeschlossen ist.
Wie beobachtet man diese Beziehung bzw. die Einflüsse der Hormone aufeinander?
Wir haben eine experimentelle Studie konzipiert, bei der wir nicht nur beobachten, sondern auch Teile dieser Beziehungen konkret beeinflussen und testen.
Zu Beginn geben Teilnehmerinnen morgens nach dem Aufstehen Speichelproben ab, mit denen wir die Konzentration der Sexualhormone Progesteron, Östradiol, Testosteron und Allopregnanolon messen. Im Labor lösen die Probandinnen dann eine kleine Belastungsaufgabe, die so gestaltet ist, dass sie leichten Stress auslöst. Mit weiteren Speichelproben messen wir die Konzentration des Stresshormons Cortisol. Gleichzeitig befragen wir die Teilnehmerinnen nach ihrer Stimmung, messen Blutdruck und die Herzrate. Uns interessiert, ob eine hohe Konzentration der Sexualhormone die Bildung von Cortisol fördert oder hemmt.
Im Anschluss bearbeiten Teilnehmerinnen eine interaktive Verhaltensaufgabe im Magnetresonanztomographen (MRT). Hier müssen sie in einer sozialen Situation wiederholt Entscheidungen treffen und wir schauen, wie sich die assoziierten Lernprozesse im Gehirn darstellen. Auch hier wollen wir Zusammenhänge mit den Hormonkonzentrationen erforschen.
Wie können die Erkenntnisse später praktisch angewendet werden?
Wir wissen, dass Jugendliche äußerliche Reize anders verarbeiten als Kinder oder Erwachsene. Das liegt an einer Vielzahl von Faktoren, von denen der Einfluss der Sexualhormone im Menstruationszyklus nur einer ist. Diesen zu verstehen, kann wichtig sein für den allgemeinen sozialen Umgang und auch für Aufklärungsstrategien, zum Beispiel in der Schule. Da wird zwar über die Menstruation berichtet, aber mögliche hormonelle Veränderungen und auch Auswirkungen auf den Gemütszustand im Laufe des Zyklus werden wenig thematisiert.
Dabei würde es vielen Mädchen sicher helfen zu wissen, inwieweit ihre Gefühle, ihr Verhalten und auch ihr Umgang mit Stress von ihrem Menstruationszyklus abhängen. Dadurch können sie mit sich besser umgehen und vielleicht auch Konflikte mit anderen reduzieren.
Und durch unsere Kontrollgruppe sind die Ergebnisse auch für Frauen interessant, die hormonell verhüten. Viele von ihnen wissen oft gar nicht, was da in ihrem Körper passiert. Auch hier könnte man die Aufklärung zu den Folgen auf den Umgang mit Stress verbessern.
Teilnehmerinnen gesucht
Für die Studie im Rahmen der Promotion von Nils Clusmann werden noch Teilnehmerinnen gesucht. Mitmachen können Mädchen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren ohne psychische oder hormonelle Vorerkrankungen, die seit mindestens zwei Jahren ihre Regelblutung haben. Die Untersuchungen finden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf statt und dauern jeweils ca. 2,5 Stunden.
Die Teilnahme an der Untersuchung umfasst unter anderem das Abgeben von Speichelproben, Aufgaben am Computer sowie eine Online-Befragung. Zudem findet eine Magnetresonanztomographie-Untersuchung (MRT) statt. Die Aufwandsentschädigung beträgt 80 Euro und auf Wunsch kann eine CD mit den MRT-Bildern erstellt werden. Anmeldungen und Rückfragen sind per Mail bei Nils Clusmann(nils.clusmann"AT"uni-hamburg.de) möglich. Kontaktmöglichkeiten bestehen auch über Instagram (@neuroendokrinologie_hamburg) und TikTok (@humanbiologie_hamburg).