Internet-TV oder lineare AusstrahlungWie sieht die Zukunft des Fernsehens aus?
10. Mai 2023, von Claudia Sewig

Foto: Pixabay/Victoria Regen
Internet-TV und lineares Fernsehen – beides wird erhalten bleiben. Das sagt Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher. Die Fernsehwissenschaftlerin hat mit „Die Geschichte des Internetfernsehens“ gerade ein neues Buch herausgebracht und erklärt, welche Strategien das traditionelle Fernsehen derzeit verfolgt, welche Gefahr von Künstlicher Intelligenz ausgeht und was Schulen tun sollten.
„Das traditionelle Fernsehen ist in einer Umbruchphase. Dadurch, dass es einen neuen Konkurrenten hat, der alle seine Vorgängermedien integriert, steht es vor großen Herausforderungen“, erläutert Prof. Joan Bleicher, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Medien und Kommunikation der Universität Hamburg. „Es gibt zwar vielfältige Prognosen vom Tod des alten Fernsehens, aber aus meiner Sicht wird es eine parallele Existenz zum Internetfernsehen mit unterschiedlichen Schwerpunkten geben.“

Das Internetfernsehen integriere sowohl traditionelle Fernsehangebote als Inhalt, aber es biete auch eigene Bewegtbildangebote an. Man habe sich in verschiedenen Bereichen der internationalen Forschung entschieden, die vielfältigen Bewegtbildangebote des Internets unter dem Oberbegriff Internetfernsehen zusammenzufassen. „Das beinhaltet u.a. Videostream-Anbieter wie Netflix, Videoplattformen wie YouTube und diverse Videoangebote in den sozialen Medien. Und all das ist natürlich Konkurrenz zum traditionellen Fernsehen. Sender müssen überlegen, wie sie darauf reagieren“, so die Fernsehwissenschaftlerin der Universität Hamburg.
Eine Strategie laute: „Wenn Du Deinen Konkurrenten nicht besiegen kannst, dann integriere ihn“. So gebe es eine ganze Reihe von Sendungen im Fernsehen, die auf YouTube-Videos basierten oder auf Instagram-Inhalten. Zudem besänne sich das traditionelle Fernsehen auf seine Kernkompetenzen etwa im Bereich Unterhaltung. Das führe seit einigen Jahren zu dem Trend des sogenannten Nostalgiefernsehens. Prof. Joan Bleicher: „Ein Beispiel dafür ist die Wiederkehr alter Shows wie ,Wetten, dass…?‘, also erfolgreicher Unterhaltungsangebote. Dazu kommt die Strategie des Festhaltens an den guten, alten Fernsehnachrichten, die noch eine Glaubwürdigkeit besitzen, weil sie auf gut recherchierten Fakten basieren und den Fake News mancher Nachrichten in sozialen Medien entgegenstehen.“
Wenig überraschend hätten ARD- und ZDF-Onlinestudien festgestellt, dass es einen Generationenunterschied bei der Nutzung der verschiedenen Angebote gebe. Senioren bleiben eher dem traditionellen Fernsehen verhaftet, während Kinder und Jugendliche häufig gar kein lineares Fernsehen mehr schauten, sondern nur noch soziale Medien, YouTube, Netflix oder andere Streamingdienste nutzten.
Was Schulen tun sollten
Daher hält Bleicher es für sinnvoll, das Thema Medienkompetenz in der Schule stärker aufzugreifen: „Nicht nur Kinder und Jugendliche sollten in der Nutzung dieser Medien geschult werden, sondern auch die Lehrerinnen und Lehrer, denn viele von ihnen halten TikTok immer noch für ein Gesellschaftsspiel. Oft besitzen sie eine große Medienskepsis und eine geringe Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen. Man könnte vielleicht ein Fach einrichten, wo die Kinder die Lehrer unterrichten. Aber natürlich sollte man die Kinder und Jugendlichen umgekehrt auch auf die Gefahren der sozialen Medien aufmerksam machen, denn Mobbing in den sozialen Medien wird von ihnen oft als etwas ganz Normales angesehen“, so die Medienwissenschaftlerin.
Und eine weitere Herausforderung sieht Bleicher in der Zukunft: „Künstliche Intelligenz wird künftig eine große Rolle spielen. Damit verstärken sich die Herausforderungen, Fakten und Fiktion zu unterscheiden. Wir haben bereits eine lange Tradition von Fake News im Internet. Das erreicht mit Erscheinungsformen der KI wie etwa ChatGPT jedoch noch einmal in eine völlig neue Dimension.“