Forschung mit medizinischen Daten„Im Zentrum des Projekts steht die Lösung eines Dilemmas“Serie „Forschen & Verstehen“
17. März 2023, von Marie Schlicht
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Wie können Daten von Patientinnen und Patienten geschützt und gleichzeitig für die medizinische Forschung genutzt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „TreuMed“. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz entwickeln Forschende der Universität Hamburg ein sogenanntes Datentreuhandmodell, das Daten von Patientinnen und Patienten datenschutzkonform verarbeiten kann. Im Interview erklärt die Juraprofessorin Gabriele Buchholtz, wie das funktioniert und warum das so wichtig ist.
Frau Buchholtz, warum sind insbesondere im medizinischen Bereich Daten so wichtig?
KI-basierte Forschung kann Diagnosen und Behandlungserfolge von Patientinnen und Patienten verbessern und somit deren Überlebensraten steigern – vorausgesetzt, es sind ausreichend Daten vorhanden. Denn die KI-basierten Systeme, um die es hier geht, sind auf umfangreiche, sensitive Patientendaten angewiesen, um verlässliche Prognosen erstellen zu können. Einerseits besteht also ein großer Bedarf an Daten. Anderseits gibt es – zu Recht – sehr strikte Datenschutzgesetze. In der Praxis kann der Datenschutz den Forschungserfolg von KI-basierten Systemen konterkarieren, weil er die verfügbare Datenmenge reduziert. KI-Forschung und strenger Datenschutz ließen sich bisher nur schwer vereinbaren. Genau das wollen wir mit unserem Projekt auflösen. Im Zentrum des Projekts steht also die Lösung eines Dilemmas und hier kommt die Datentreuhand ins Spiel.
Und wie funktioniert diese?
Die Datentreuhand ist eine neutrale Instanz zwischen den Datengebenden, also den Patientinnen und Patienten und den Datennutzenden, also den Forschenden. Sie mittelt Daten sicher zwischen den beiden Parteien und ist auch dafür verantwortlich, den Schutz der Daten zu gewährleisten. Dafür nutzen wir eine technische Lösung, die auf Künstlicher Intelligenz basiert und dafür sorgt, dass nur aggregierte, synthetische Daten an die Forschung weitergegeben werden und niemals der Austausch von Daten von Patientinnen und Patienten stattfindet. Die KI sorgt so dafür, dass die Datengebenden nicht identifizierbar sind. Die Forschenden können also nicht wissen, zu welchen Daten welcher Patient oder welche Patientin gehört.
Hoffen Sie, solche Verfahren steigern die Bereitschaft von Patientinnen und Patienten, ihre Daten preiszugeben?
Ja, absolut. Nicht umsonst stellen die Bundesregierung und die EU so viel Geld für die Forschung zu Datentreuhandmodellen bereit. Wir denken, dass alle davon profitieren werden: die Datengebenden und die Datennutzenden. Die Datentreuhand als neutrale Zwischeninstanz schafft sehr viel Vertrauen. Patientinnen und Patienten können sich darauf verlassen, dass die Daten nur in dem Ausmaß und nur zu den Zwecken eingesetzt werden, in die sie eingewilligt haben. Ein entsprechendes Einwilligungsmanagement zu entwickeln, ist daher eine meiner Aufgaben im Rahmen des Projekts. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist es überdies unerlässlich, dass alle Beteiligten darüber informiert werden, dass ein Datentreuhandmodell eingeschaltet wird.
Sie testen das Modell in den Bereichen Epidemiologie, Genetik und Stoffwechselforschung. Wird es zukünftig in allen Bereichen der Medizin anwendbar sein?
Das ist unsere Hoffnung. Die genannten Bereiche sind nur Beispielfelder, an denen wir proben, weil uns dazu Datensätze zur Verfügung stehen. Das Modell ist aber langfristig für alle Bereiche der medizinischen Forschung sinnvoll. Es ist unser Ziel, dass sich TreuMed in der Praxis durchsetzen wird.
Ihr Forschungsprojekt liegt im Bereich der Medizintechnik, Sie sind jedoch Juniorprofessorin in der Rechtswissenschaft – wie kamen Sie zu dem Projekt?
Ich bin durch Zufall auf das Projekt gestoßen. Als ich im November 2020 meine Juniorprofessur an der Universität Hamburg antrat, lernte ich bei der Begrüßung der Neuberufenen den jetzigen Leiter des Projekts, Prof. Dr. Jan Baumbach, kennen. Alle Neulinge stellten ihre Forschungsgebiete vor, dabei fielen uns Schnittstellen auf. Jan Baumbach ist Bioinformatiker, ich bin Rechtswissenschaftlerin, jedoch hat uns beide der Datenschutz schon vielfach beschäftigt. Kurze Zeit später sind wir auf die BMBF-Ausschreibung für unser Projekt gestoßen und haben uns erfolgreich beworben.
Das Projekt
Im Rahmen eines vom BMBF geförderten Projekts entwickelt die Universität Hamburg gemeinsam mit der Universität Greifswald und der ePrivacy GmbH ein neuartiges Datentreuhandmodell zur Verarbeitung medizinischer Daten. Projektkoordinator ist Prof. Dr. Jan Baumbach aus der MIN-Fakultät der Universität Hamburg. Kern des Datentreuhandmodells ist ein Ampelsystem, welches drei unterschiedliche Privatsphäre-Level der Daten identifiziert und Schutzvorkehrungen verlangt. Ein dezentrales Datenmanagementsystem macht den tatsächlichen Austausch von Rohdaten zudem überflüssig. Dadurch soll Datenmissbrauch gesenkt werden.
Forschen & Verstehen
In den acht Fakultäten der Universität Hamburg forschen rund 6.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Auch viele Studierende wenden oft bereits im Studium ihr neu erworbenes Wissen in der Praxis an. Die Reihe „Forschen & Verstehen“ gibt einen Einblick in die große Vielfalt der Forschungslandschaft und stellt einzelne Projekt genauer vor. Fragen und Anregungen können gerne an die Newsroom-Redaktion(newsroom"AT"uni-hamburg.de) gesendet werden.