Titel, Thesen, PromotionenWarum Personalentwicklung in der IT neu gedacht werden muss
4. November 2022, von Niklas Keller
Foto: Felix Liebel
In der Serie „Titel, Thesen, Promotionen“ werden spannende und ungewöhnliche Dissertationsprojekte vorgestellt. Andreas Paech untersucht, wie die Personalentwicklung von Unternehmen IT-Fachkräfte langfristig binden kann.
Sie schreiben Ihre Dissertation über agile IT-Personalentwicklung. Was kann man sich darunter vorstellen?
In vielen Berufen ist das Handwerkszeug, das man in der Ausbildung lernt, langfristig anwendbar und wird nur punktuell durch Fortbildungen aufgefrischt. In der IT-Branche ist das Wissen der Fachkräfte durch den schnellen technologischen Fortschritt oft sehr schnell veraltet. Da gibt es nicht nur mal ein neues Thema wie in anderen Branchen, sondern da wird gleich der ganze Handwerkskasten ausgetauscht. Die Personalentwicklung muss also schnell sein und hat eine große strategische Verantwortung.
Was möchten Sie genau herausfinden?
Ich frage mich in meiner Dissertation: Wie erreicht die Personalentwicklung ein langanhaltendes „Match“ zwischen angestellten Informatikerinnen und Informatikern und dem Unternehmen? Mir geht es darum, den aktuellen Standard des Personalmanagements im IT-Bereich herauszuarbeiten und zu evaluieren. Was funktioniert? Wo sind die klassischen Prozesse nicht anwendbar? Was führt dazu, dass IT-Fachkräfte sich wohlfühlen und lange bleiben? Aus den Erkenntnissen möchte ich Empfehlungen für eine speziell auf die IT abgestimmte Personalentwicklung erarbeiten.
Warum lassen sich die Tools der Personalentwicklung nicht einfach auf die IT-Branche übertragen?
Vor allem wegen der unglaublich schnellen Weiterentwicklung. Nach den Apps, die ab 2008 für das iPhone und Android veröffentlicht wurden, kamen zum Beispiel die Cloud und die Künstliche Intelligenz – aber an allem arbeiten dieselben IT-Fachkräfte. Es ist daher wichtig, zukünftige Arbeitsgebiete schnell zu erkennen und die IT-Mitarbeitenden entsprechend in den neuen Technologien und Programmiersprachen zu entwickeln.
Allerdings kennen sich viele Personalentwicklerinnen und -entwickler gar nicht mit IT aus. Das sieht man etwa daran, dass es Unternehmen gibt, die in Stellenausschreibungen mehrere Jahre Arbeitserfahrung mit Technologien fordern, die es erst seit einem Jahr gibt. Die klassische Personalentwicklung berechnet die Erfahrung oft durch die Jahre der Berufstätigkeit. Das ist so nicht auf die IT-Branche übertragbar.
Wie gehen Sie in Ihrer Dissertation methodisch vor?
Zum einen habe ich Online-Quellen ausgewertet, die sich mit IT-Personalmanagement und vor allem dem Kompetenzmanagement beschäftigt – also in Form einer Sekundärtextanalyse. Zum anderen habe ich Feldforschung betrieben: Ich habe vier IT-Unternehmen und sechs Projekte begleitet und Forschungstagebuch geführt.
Woher stammt Ihre Motivation für das Thema?
Ich arbeite bereits seit einigen Jahren in der IT-Branche und hatte die Möglichkeit, recht schnell eine Führungsrolle zu übernehmen. In meinem persönlichen Werdegang war jeder Unternehmenswechsel dadurch motiviert, dass ich keinen Sinn mehr darin gesehen habe, im bisherigen Unternehmen zu bleiben. Da ging es neben Gehalt vor allem um die Weiterbildungsmöglichkeiten oder meine Tätigkeit. Als ich selbst in der Führungsrolle war, wollte ich ähnliche Erfahrungen meiner Mitarbeitenden vermeiden.
Darum untersuche ich nun wissenschaftlich, wie gutes Personalmanagement für IT-Fachkräfte gestaltet sein muss, damit sie nicht das Unternehmen wechseln. Aktuell verbleiben Informatikerinnen und Informatiker nur zwei bis drei Jahre in einem Unternehmen.
Aus ihrer Dissertation heraus ist das Start-up „KICKstart in IT” entstanden, das IT-Bootcamps in Schwellen- und Entwicklungsländern anbieten möchte. Was steckt dahinter?
Das ist eine Herzensangelegenheit von mir. Die Demografie vieler afrikanischer Länder bietet sich dafür an, den Fachkräftemangel in alternden Gesellschaften wie Deutschland zu lösen. Vor allem Namibia als gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch stabiles Land bietet gute Chancen.
Wir arbeiten in der IT bereits seit 25 Jahren dezentral ohne eigenes Büro. Seit der Corona-Pandemie hat das noch mehr zugenommen, weil nun auch andere Unternehmen so arbeiten. Das sehen wir als Chance: Wir bilden in Afrika Fachkräfte aus und die Leute können arbeiten, ohne die Heimat verlassen zu müssen. Ich habe bereits ein erfolgreiches Projekt für eine Bank durchgeführt, bei dem ich mit diversen Menschen aus aller Welt über das Internet gearbeitet habe. Und das hat bestens funktioniert.
Steckbrief
Name: Andreas Paech
Titel meiner Dissertation: Eine Grounded Theory für dynamisches Matching in der agilen IT-Personalentwicklung – Entwicklung einer Personalstrategie und sozio-technische Informationssystemarchitektur für Matching von IT-Professionals in der Adaptionsphase
Mein Material: Literatur zu den Themen IT-Personalentwicklung und Personalmanagement mit Fokus Kompetenzmanagement
Ort des Schaffens: Am Schreibtisch und in ausgewählten Unternehmen