„Wir können 60 Promovierende an der Schnittstelle von Grundlagenwissenschaft und klinischer Forschung ausbilden“
12. Juli 2022, von Newsroom-Redaktion
Foto: UHH
Welchen Einfluss haben Emotionen auf Lern- und Gedächtnisprozesse? Und welche Störungsbilder hängen damit zusammen? Diesen Fragen widmet sich das neue Graduiertenkolleg „Emotional Learning and Memory“, das der Psychologe Prof. Dr. Lars Schwabe seit 1. Juli leitet.
Herr Schwabe, warum ist die Forschung im Bereich des emotionalen Lernens so wichtig?
Einerseits sind Lern- und Gedächtnisprozesse ganz grundlegende Phänomene von uns als Menschen. Der Einfluss von Emotionen verrät uns viel über diese fundamentalen Prozessen zu Grunde liegender Mechanismen. Darüber hinaus ist dieser Einfluss auch für verschiedene klinische Störungsbilder relevant, zum Beispiel für posttraumatische Belastungsstörungen. Hier geht es ja gerade darum, dass Personen sich übermäßig stark an emotional belastende Ereignisse erinnern. Zudem gibt es eine ganze Reihe von weiteren Störungsbildern, bei denen emotionale Lern- und Gedächtnisprozesse vermutlich direkt mit den klinischen Symptomen im Zusammenhang stehen. Durch die Erforschung des Einflusses von Emotionen auf Lern- und Gedächtnisprozesse erhoffen wir uns, ein besseres Verständnis dieser Störungsbilder zu erreichen – und möglicherweise Ansatzpunkte für neue therapeutische Interventionen.
Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Graduiertenkolleg?
Wir wollen einerseits die Mechanismen, die an emotionalen Lern- und Gedächtnisprozessen beteiligt sind, besser verstehen. Als zweites wollen wir versuchen, die Übertragung von grundlagenwissenschaftlichen Befunden in die klinische Anwendung zu stärken. Und als Drittes geht es uns in diesem Graduiertenkolleg maßgeblich darum, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu qualifizieren und auszubilden.
Wir haben die einzigartige Möglichkeit, in diesem Graduiertenkolleg - bei einer Förderdauer von bis zu neun Jahren - um die 60 Promovierende genau an der Schnittstelle von Grundlagenwissenschaft und klinischer Forschung auszubilden. Da kann eine neue Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entstehen, die ideal für die Forschung an der Schnittstelle von Grundlagenwissenschaft und klinischer Forschung qualifiziert ist, um die Übertragung von grundlagenwissenschaftlichen Befunden in die Klinik und zurück weiter voranzutreiben.
Warum ist die Verknüpfung dieser Bereiche so wichtig?
Wir gehen davon aus, dass emotionale Lern- und Gedächtnisprozesse für verschiedene psychische Störungen relevant sind. Beispielsweise für Angststörungen. Aber die Übersetzung vom Grundlagenbereich in den Anwendungsbereich ist nicht immer einfach, da gibt es noch viel zu tun. Zugleich ist mit dieser Verknüpfung die Hoffnung verbunden, eines Tages möglicherweise effektivere Interventionen entwickeln zu können. Wir wollen die Übersetzung befördern, indem wir in allen Projekten ganz dezidiert Grundlagenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Klinische Psychologie und Psychiatrie zusammenarbeiten.
Demnach beinhaltet das Projekt auch praktische Aspekte?
Wir machen diesen Schritt tatsächlich. Alle Projekte sind experimentell angelegt. Einige Projekte konzentrieren sich auf gesunde Probandinnen und Probanden und andere tatsächlich auf Patientinnen und Patienten. Wir untersuchen emotionale Lern- und Gedächtnisprozesse, die aus der grundlagenwissenschaftlichen Forschung bekannt sind, in klinischen Populationen und schauen, welche Mechanismen sich hier zeigen oder möglicherweise verändert sind. Zudem versuchen wir in einzelnen Projekten, bestimmte Interventionen, die auf grundlagenwissenschaftlichen Befunden beruhen, direkt bei Patientinnen und Patienten anzuwenden.
Welche Methoden werden neben Experimenten noch angewendet?
Wir nutzen ein extrem breites Methoden-Portfolio. Verhaltensexperimente, durch die wir gezeigtes Verhalten und registrierte Reaktionen untersuchen können, spielen eine zentrale Rolle. Wir haben aber auch bildgebende Verfahren, wie beispielsweise die funktionelle Magnetresonanztomografie oder die Magnetenzephalografie dabei, um die Hirnaktivität von Probandinnen und Probranden und Patientinnen und Patienten zu erfassen. Darüber hinaus setzen wir auch pharmakologische Manipulationen ein. Damit können wir relevante Marker für emotionale Lernprozesse finden.