Forschungsprojekt an der ehemaligen innerdeutschen GrenzeDer kalte Krieg in Erzählungen und Objekten
7. März 2022, von Christina Krätzig
Mit Methoden der modernen Archäologie untersucht Dr. Frank Andraschko die Geschichte der deutschen Teilung im Landkreis Uelzen. Mit diesem Projekt trägt die Universität Hamburg zur Erinnerungskultur im ländlichen Raum bei – und zur politischen Bildung von Auszubildenden bei Polizei und Bundeswehr.
Heute sind der kalte Krieg und die Opfer an der ehemaligen innerdeutschen Grenze für viele Menschen Themen vergangener Zeiten. Besonders im ländlichen Raum verschwinden die sichtbaren Spuren der früheren Teilung, und mit ihnen auch wichtige Erinnerungen an diese Zeit.
Um diesem Prozess entgegenzuwirken, erforscht Dr. Frank Andraschko zusammen mit Studierenden der Universität Hamburg das Leben in der ehemaligen Grenzregion. „Ein Baustein in unserem Projekt sind Interviews mit Zeitzeugen: Mit Bewohnerinnen und Bewohnern der Grenzregion, die in der DDR früher von massiven Einschränkungen und sogar Zwangsumsiedlungen betroffen waren. Mit Menschen, denen einst die Flucht von Ostdeutschland nach Westdeutschland gelang. Und mit Grenzbeamten beider Seiten, die sich wenige Kilometer östlich des niedersächsischen Örtchens Bad Bodenteich über Zäune und Systemschranken hinweg misstrauisch beäugten“, erklärt der Archäologe.
Neue Methoden in der Wissensvermittlung und in der Archäologie
Die Interviews werden in einem Podcast zusammengefasst und für Besucherinnen und Besucher des Museums im niedersächsischen Bad Bodenteich aufbereitet. Dieses Museum entstand kurz nach der Wiedervereinigung auf Initiative eines ehemaligen Bundesgrenzschutzangehörigen. Es ist der Projektträger des Forschungsvorhabens, das darüber hinaus auch von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Metropolregion Hamburg gefördert wird.
„In dem Museum entsteht auch ein außerschulischer Lernort für Auszubildende und Studierende bei Polizei und Bundeswehr. Denn die Beschäftigung mit der deutschen Teilung und dem DDR-Unrechtsregime kann dazu beitragen, unser Demokratiebewusstsein heute zu stärken“, sagt Andraschko. Seine Studierenden überlegen sogar, ob sich die Erfahrungen der Interviewten in moderne digitale Formate wie beispielsweise Videospiele umsetzen und so für ein breiteres Publikum zugänglich machen lassen. „Das ist auch für mich Neuland, und ich bin gespannt, was dabei entsteht“, so der Archäologe.
Zeitzeugen-Interviews und die Entwicklung von Videospielen sind keine klassischen Arbeitsgebiete von Archäologinnen und Archäologen. Doch deren Methoden und auch die untersuchten Zeiträume haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Heute kommen Schaufel, Spatel und Pinsel nicht mehr zwingend zum Einsatz. Und wenn doch, werden nicht nur jahrhundertealte Fundstätten ausgegraben, sondern auch Hinterlassenschaften aus der Hippiezeit, von der Anti-Atomkraft-Bewegung – oder eben an der innerdeutschen Grenze.
Was warfen Reisende damals weg?
„Bei einer geplanten Grabung im kommenden Jahr werden wir uns auf einen ehemaligen Grenzübergang konzentrieren“, sagt Andraschko. „Im ehemalige Todesstreifen zu arbeiten wäre weniger spannend: Da niemand dort hindurfte, ist dort vermutlich kaum etwas zu finden.“ Doch im Bereich eines Grenzübergangs sieht das anders aus. Die Passage war damals nicht so einfach: Westdeutsche, die in die DDR wollten, brauchten eine Genehmigung und wurden bei der Einreise penibel kontrolliert. Sie durften vieles nicht einführen, beispielsweise Erotikmagazine oder bestimmte Schallplatten mit westlicher Musik. Bei der Ausreise waren Kinderkleidung oder Meißner Porzellan tabu: Dinge also, die im Osten knapp waren und für Westdeutsche wegen des Zwangsumtauschs günstig. „Wir vermuten, dass einigen Reisenden kurz vor der Grenze mulmig wurde und sie verbotene Dinge noch kurzfristig entsorgten. Ob diese These stimmt, wird sich im kommenden Jahr zeigen.“