Neue Studie zu ökologischen Trade-offsWie sich das Klima auf die Pflanzenwurzeln auswirkt
21. Juni 2021, von Newsroom-Redaktion
Foto: Alexandra Weigelt
Die Eigenschaften ihrer Wurzeln sind entscheidend dafür, unter welchen klimatischen Bedingungen eine Pflanze überleben kann. Eine Studie unter Beteiligung der Universität Hamburg beleuchtet diese Beziehung und stellt die Natur der sogenannten ökologischen „Trade-offs“ infrage, also dem Kompromiss zwischen verschiedenen, das Überleben sichernden Eigenschaften. Die Ergebnisse wurden in Nature Ecology and Evolution veröffentlicht.
Pflanzenwurzeln bleiben im Allgemeinen unter der Erdoberfläche verborgen. Doch ihre Rolle für das Überleben von Pflanzen ist nicht zu unterschätzen, denn sie dienen der Aufnahme von Wasser und Nährstoffen. Wenig ist bislang darüber bekannt, welche Rolle die Wurzelmerkmale bei der Verbreitung von Pflanzenarten spielen. Um diese Beziehung näher zu untersuchen, hat ein internationales Forschungsteam die Datenbanken „GRooT“ für Wurzelmerkmale sowie „sPlot“ für das Vorkommen von Pflanzenarten analysiert. Beide Datenbanken sind die weltweit größten ihrer Art.
Temperatur und Wasserverfügbarkeit definieren die Wurzelmerkmale
Die Forschenden analysierten verschiedene Wurzelmerkmale: Einerseits die sogenannte spezifische Wurzellänge und den Wurzeldurchmesser, andererseits die Dichte des Wurzelgewebes und den Stickstoffgehalt in den Wurzeln. Diese Merkmale setzten sie zu den Umweltbedingungen in Beziehung, unter denen die Pflanzen vorkommen.
Mit Blick auf den Lebensraum Wald fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Beispiel heraus, dass Arten mit verhältnismäßig dicken Feinwurzeln und einem dichten Wurzelgewebe eher in wärmerem Klima vorkommen, während Arten mit zarteren und längeren Feinwurzeln sowie einer geringeren Wurzeldichte häufiger in kälterem Klima vorkommen. Ein klassischer Trade-off: Die genetischen Veränderungen erhöhen das Überleben der Bäume im jeweiligen Klima, würden aber mit einem Verlust an Fitness im jeweils anderen Lebensraum einhergehen.
Wurzelmerkmale stellen ökologische Trade-offs infrage
„Auf diesen Trade-offs basieren zahlreiche ökologische Theorien, die davon ausgehen, dass sich unterschiedliche Merkmale zwischen den Arten als Anpassungsreaktion auf Umweltbedingungen herausbilden und entsprechend der Umgebung bestimmte Fähigkeiten wichtig sind“, sagt Prof. Dr. Ina Meier vom Fachbereich Biologie der Universität Hamburg und Mitautorin der Studie.
Doch einige von den Forschenden untersuchten Wurzelmerkmale entsprachen nicht dieser generellen Theorie, sondern waren mit sogenannten unidirektionalen, also einseitig gerichteten, Vorteilen verbunden: Hier zeigten Pflanzen Wurzelmerkmale, deren Umkehrung im anderen Klimaextrem keinen Vorteil bieten würde. „Insgesamt haben wir dieses Phänomen vor allem unter extrem kalten und trockenen Klimabedingungen beobachtet, wenn die Ressourcen knapper sind“, sagt Prof. Meier. „Im Gegensatz dazu fanden wir in warmen und feuchten Klimazonen eine größere Vielfalt an Wurzelmerkmalen vor.“
Wie also bilden sich Merkmale heraus? Und wie beeinflussen sie die Verteilung der Arten auf der Welt? Diese Fragen sollen nun weiter erforscht werden, denn ein Verständnis möglicher Merkmalskombinationen in bestimmten Klimazonen ist wichtig, um Vorhersagen über die Reaktion von Arten auf und die Wiederherstellung von Ökosystemen in einer sich verändernden Welt treffen zu können.
Die Forschung wurde unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Sie ist hervorgegangen aus der sDiv-Arbeitsgruppe sROOT, in der internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Australien, Estland, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und den USA gemeinsam an wissenschaftlichen Fragen rund um die Funktionalität von Wurzelmerkmalen gearbeitet haben. Die Leitung der beschriebenen Studie lag bei der University of Wyoming und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung.
Originalpublikation
Daniel C. Laughlin, Liesje Mommer, Francesco M. Sabatini, Helge Bruelheide, Tom W. Kuyper, M. Luke McCormack, Joana Bergmann, Grégoire T. Freschet, Nathaly R. Guerrero-Ramírez, Colleen M. Iversen, Jens Kattge, Ina C. Meier, Hendrik Poorter, Catherine Roumet, Marina Semchenko, Christopher J. Sweeney, Oscar J. Valverde-Barrantes, Fons van der Plas, Jasper van Ruijven, Larry M. York, Isabelle Aubin, Olivia R. Burge, Chaeho Byun, Renata Ćušterevska, Jürgen Dengler, Estelle Forey, Greg R. Guerin, Bruno Hérault, Rob B. Jackson, Dirk N. Karger, J. Lenoir, T. Lysenko, Patrick Meir, Ülo Niinemets, Wim A. Ozinga, Josep Peñuelas, Peter B. Reich, Marco Schmidt, Franziska Schrodt, Eduardo Velázquez, Alexandra Weigelt, Root traits explain plant species distributions along climatic gradients yet challenge the nature of ecological trade-offs, Nature Ecology & Evolution (2021). DOI: https://doi.org/10.1038/s41559-021-01471-7