Team der Universität Hamburg entwickelte Maßnahme mitNeue DIN-Norm soll die Tropenwälder schützen
31. März 2021, von Christina Krätzig
Jedes Jahr werden in den Tropen riesige Waldflächen abgeholzt. Tiere und Pflanzen verlieren ihren Lebensraum, klimaschädliche Treibhausgase entstehen. Der Tropenwaldspezialist Prof. Dr. Michael Köhl hat etablierte Schutzmaßnahmen untersucht – und effizientere mitentwickelt.
Herr Köhl, unter dem Namen REDD+ bündeln die Vereinten Nationen seit 2005 ihre umfangreichen Maßnahmen zum Tropenwaldschutz. Zwei von fünf Ansätzen haben Sie unter die Lupe genommen. Zu welchen Schlüssen sind Sie gekommen?
Leider bewirken die analysierten Maßnahmen nicht die gewünschten Effekte. Im vergangenen Jahr haben wir die Freistellung sogenannter Zukunftsbäume untersucht, die als Maßnahme zur Nachhaltigen Waldbewirtschaftung und zur Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung von Wäldern empfohlen wird. Das Wachstum dieser Zukunftsbäume soll gefördert werden, indem benachbarte Bäume gefällt werden. In Europa ist das eine gängige Methode in der Waldwirtschaft. In Tropenwäldern wirkt sie sich hingegen negativ aus, da die Fällungen zu hohen Kohlenstoffverlusten führen und die Lebensräume von Tieren und Pflanzen beeinträchtigen. Dem Klimaschutz, also dem eigentlichen Ziel, bringen die Maßnahme nichts, wie wir errechnet haben.
Wie hätte das denn funktionieren sollen?
Pflanzen schützen das Klima, indem sie Kohlenstoff binden. Die Zukunftsbäume sollten durch ihr vermehrtes Wachstum besonders viel Kohlenstoff binden – mehr, als wenn man sie gemeinsam mit Nachbarbäumen, mit denen sie um Licht und Wuchsraum konkurrieren, wachsen lassen würde. Abgesehen von den oben erwähnten negativen Nebeneffekten geht diese Rechnung jedoch nicht auf. Es dauert 130 Jahre, bis ein positiver Effekt auf die Kohlenstoffbilanz des Waldes entsteht. Diese Zeitspanne können wir nicht überblicken. Wir wissen nicht, was bis dahin mit dem Klima und den Tropenwäldern geschieht. Es wäre also besser, nicht in das natürliche Waldgefüge einzugreifen.
Wie steht es um die zweite von Ihnen untersuchte Maßnahme im REDD+ Programm?
Wir haben auch analysiert, wie sich finanzielle Entschädigungen für Staaten auswirken, die künftig weniger Regenwald abholzen wollen. Die Länder müssen dabei nachweisen, dass sie weniger Wald als in den Vorjahren zerstören werden. Das benachteiligt jedoch Länder, die ihren Wald schon lange schützen, und bevorteilt Länder, die in jüngster Zeit große Flächen entwaldet haben. Zudem ist so ein Nachweis für die Länder aufwändig und teuer. Oft reichen die Kompensationszahlungen nicht aus, um die Kosten für die Erfassung der veränderten Kohlenstoffvorräte aufzufangen.
Gibt keine wirksameren Instrumente?
Doch. Manchmal könnten ganz kleine, praktische Maßnahmen helfen. Wir haben beispielswiese lokale Sägewerke untersucht und festgestellt, dass sie aufgrund veralteter Technik nur 30 Prozent eines Baumes zu Nutzholz verarbeiten können – im Gegensatz zu 80 Prozent eines Baumes, der in Deutschland in Sägewerken verarbeitet wird. Mehr als zwei Drittel der gefällten Tropenwaldriesen enden also als ungenutzte Sägeabfälle. Würde man die einheimischen Sägewerke besser ausstatten, könnten die gefällten Bäume viel besser verwertet werden. Die meist armen Herkunftsländer müßten in der Folge weniger Bäume fällen und könnten sich mehr Waldschutz leisten.
Relativ neu ist der Ansatz, Lieferketten zu zertifizieren. Mein Team am Institut für Holzwissenschaften der Universität Hamburg hat an einer neuen ISO/DIN-Norm mitgearbeitet. Diese Maßnahme zielt auf uns als Konsumentinnen und Konsumenten in Europa. Denn zerstörter Tropenwald steckt ja in vielen Produkten, die wir kaufen. Sie enthalten beispielsweise Palmöl von Plantagen, die auf gerodeten Waldflächen entstanden sind.
Wird die Norm für entwaldungsfreie Lieferketten bereits verwendet?
Noch ist sie relativ neu. Doch sie wird bereits intensiv auf EU Ebene diskutiert. Und vor ein paar Tagen hat sogar ein großer Lebensmitteldiscounter angekündigt, bis 2025 entwaldungsfreie Lieferketten sicherstellen zu wollen. Ich hoffe, dass viele weitere Unternehmen folgen werden.
Michael Köhl ist Professor für Weltforstwirtschaft am Institut für Holzwissenschaften an der Exzellenzuniversität Hamburg.