Experiment zu SpendenanreizenWas bringt Menschen dazu, Gutes zu tun?
25. März 2021, von Anna Priebe

Foto: Boris Rostami
Während der Corona-Pandemie sind Nähe und Unterstützung wichtiger denn je. Die Doktorandinnen Sabrina Sandner und Sinika Studte aus dem Team der Professur „Marketing & Media“ erforschen, was Menschen bewegt, Gutes zu tun – und haben dafür eine Postkarten-Aktion für eine Seniorenresidenz gestartet.
Sie haben die Teilnehmenden an ihrem Forschungsprojekt gebeten, Seniorinnen und Senioren mit Postkarten eine Freude zu machen. Zusätzlich haben Sie Ihnen die Möglichkeit gegeben, einen Teil ihrer Aufwandsentschädigung zu spenden. Wie sind Sie auf dieses Experiment gekommen?
Sabrina Sandner: Für meine Masterarbeit habe ich ein Online-Experiment mit ähnlicher Grundidee durchgeführt: Die Teilnehmenden sollten einer fiktiven Non-Profit-Organisation bei der Produktion von Marketingmaterialien helfen, indem Feedback zu Texten und einem Werbeflyer gegeben wird. Manche Teilnehmenden haben Belohnungen bekommen, andere nicht. Es macht aber einen Unterschied, ob die Leute hypothetisch helfen oder tatsächlich eine gute Tat vollbringen. Daher wollten wir ein Laborexperiment durchführen, bei dem die Leute aktiv werden.
Sinika Studte: Wir wollten auch, dass jemand von diesem Experiment wirklich profitiert, dass also die gute Tat ankommt. Unter den Eindrücken der Pandemie sind wir dann auf die Postkarten-Idee gekommen. Da die Nachmittagsbetreuung meiner Tochter in dem Gebäude eines Altenheims untergebracht ist, habe ich dort die Heimleiterin angesprochen und die war direkt begeistert.
Wie lief das Experiment ab?
Sandner: Die Probandinnen und Probanden mussten sich vorher anmelden und haben das Experiment dann – auch um äußere Einflüsse zu vermeiden – in abgetrennten Kabinen im WiSo-Labor absolviert. Dabei galten die Hygienemaßnahmen von Ende 2020. Die Karte lag bereits am Platz. Eine Gruppe hatte acht Minuten Zeit, um selbst einen Text zu verfassen, die andere Gruppe hat in derselben Zeit einen vorliegenden Text abgeschrieben.
Danach hat ein Teil der Teilnehmenden eine Flasche Limonade oder eine Flasche Wasser erhalten, der andere Teil dagegen nichts. Nach dem Ausfüllen eines Fragebogens, wo es zum Beispiel um ehrenamtliches Engagement, das Studium und die Einschätzung der Corona-Situation ging, bekamen sie neun Euro Aufwandsentschädigung. Da haben wir dann gefragt, ob sie einen Teil davon ans Altenheim spenden möchten. Das war komplett freiwillig.
Alle haben also eine gute Tat mit der Karte getan – und jetzt ging es darum, wer noch zu einer weiteren guten Tat bereit ist?
Sandner: Genau. Und uns interessiert besonders, welchen Einfluss ein Geschenk wie die Limonade hat.
Studte: Und ob man den Text selbst geschrieben hat oder nicht.
Noch läuft ja die Auswertung, aber können Sie schon erste Ergebnisse nennen?
Studte: Wir können schon sagen, dass vor allem in der Gruppe, die die Karte selbst formuliert hat, ein sogenanntes Incentive – also eine Limonade oder ein Wasser –, den Spendenbetrag signifikant erhöht hat im Vergleich zu der Gruppe, die nichts bekommen hat.
Wie wirkt das Geschenk also?
Studte: Unsere Grundannahme bei der Gruppeneinteilung war schon, dass das eigene Formulieren der Karte als „größere“ gute Tat empfunden wird als bloß einen Text abzuschreiben. Das Geschenk wirkt hier also wie eine Art Bezahlung und schmälert dadurch das Gefühl, gerade etwas Gutes getan zu haben. Daher ist danach die Spendenbereitschaft deutlich höher. Entsprechend haben die Teilnehmenden, die selbst geschrieben und nichts bekommen haben, auch weniger gespendet. Bei denen, die abgeschrieben haben, hatte das Geschenk keine so große Wirkung.
Das Geschenk wirkt hier also wie eine Art Bezahlung und schmälert dadurch das Gefühl, gerade etwas Gutes getan zu haben.
Was bedeutet Ihre Erkenntnis für Non-Profit-Organisationen, die auf Spenden angewiesen sind, aber wenig Geld für Anreize haben?
Sandner: Es gibt ja durchaus Unterschiede bei der Wirkung von Geschenken – abhängig von der Art und Wertigkeit. Wir wollen nun weiter erforschen, welche Art von Geschenk wie auf positives soziales Verhalten wirkt. Da ist es für eine Aussage jetzt noch zu früh, aber wir konnten hier zeigen, dass die Incentives sich auswirken.
Studte: Die Professur „Marketing und Media“, zu deren Team wir gehören, ist Teil einer Forschungskooperation zu Gesundheitsmarketing mit den Blutspendediensten Nord-Ost, Baden-Württemberg und Hessen des Deutschen Roten Kreuzes. Bei Blutspendeorganisationen sind Incentives durchaus ein probates Mittel, insbesondere um Blutspenderinnen und -spender zu halten. In diesem Zusammenhang ist es natürlich wichtig zu wissen, ob es einen Unterschied macht, ein nützliches Incentive, etwa einen Thermobecher oder einen Kugelschreiber, durch ein Geschenk zu ersetzen, das mehr Freude bereitet, zum Beispiel Schokolade.
Einfach nur Gutes zu tun – ganz ohne Belohnung – ist keine Option?
Sandner: Das kann man so nicht sagen. Es gibt verschiedene Motive für Spenden oder um sich zu engagieren. Manche Menschen sind dabei rein intrinsisch motiviert, sie handeln also, weil sie an die Organisation glauben und sich der Sache wegen einsetzen. Es gibt aber auch die extrinsische Motivation, das heißt, man tut etwas, weil man dafür im Gegenzug etwas bekommt. Da geht es oft weniger um die Sache an sich, sondern darum, was man davon hat. Da ist jeder individuell – und bei Leuten, die rein altruistisch handeln, kann ein Geschenk sogar das Gegenteil auslösen, also zu Ablehnung führen. Hilft das Geschenk oder nicht – das ist eine intensiv geführte Diskussion, die das Forschungsfeld auch so interessant macht.
Studte: Schon allein das Gefühl, anderen zu helfen, ist ja auch etwas, das man zurückbekommt. Dadurch ist es also schon nicht mehr rein altruistisch. Zumal die Menschen, die ausschließlich aus intrinsischen Motiven helfen und keine Anreize brauchen, auch nicht die Mehrheit der Bevölkerung bilden. Non-Profit-Organisationen müssen also auch andere Zielgruppen ansprechen und dann wissen, welche Aufmerksamkeiten zielführend sind, etwa wenn man besonders junge Leute fürs Blutspenden gewinnen will.
Das Forschungsprojekt
Das Experiment fand von September bis November 2020 im WiSo-Forschungslabor der Universität Hamburg statt. Insgesamt nahmen 391 Studierende teil, die dafür neun Euro erhielten. Insgesamt wurden mehr als 600 Euro gespendet, die ebenfalls der Seniorenresidenz zugutekommen. Das Experiment ist Teil der Promotionen von Sabrina Sandner und Sinika Studte, in denen es darum geht, welche vielfältigen Motive Menschen haben, Gutes zu tun.