28.000 Kilometer mit dem Forschungsschiff Sonne„Diese Reise stellt uns vor logistische, wissenschaftliche und mentale Herausforderungen“
11. März 2021, von Christina Krätzig
Foto: privat
Dr. Niko Lahajnar von der Universität Hamburg leitet vom 19. März bis Ende Mai 2021 eine Forschungsreise der Superlative. Er wird im südlichen Atlantik Messgeräte sichern, die pandemiebedingt im vergangenen Jahr nicht geborgen werden konnten, um so drohende Daten- und Geräteverluste zu verhindern.
Herr Lahajnar, was sind die größten Herausforderungen dieser Reise?
Expeditionen mit einem Forschungsschiff sind immer heraufordernd, aber diesmal ist es eine besondere Situation. Die Vorbereitungsphase in Pandemiezeiten war extrem aufwendig – medizinisch, administrativ und organisatorisch. Zudem ist es eine logistische Herausforderung, denn wegen der Pandemie werden wir unterwegs nur einmal vor Kapstadt von einem Tankschiff mit Treibstoff versorgt. Wir selbst dürfen dabei nicht von Bord. Wir müssen also wirklich alles mitnehmen, was wir brauchen. Und es sollte niemand unterwegs krank werden, das ist das Allerwichtigste für uns.
Wir werden übrigens von der gesamten Reise auf einem Blog berichten – wer möchte, kann also quasi live miterleben, wie es uns ergeht.
Erwarten Sie technische Komplikationen beim Bergen der Messsysteme?
Verankerungssysteme sind komplexe Einheiten, die aus mehreren hundert Einzelteilen zusammengesetzt und mehrere Kilometer lang sein können. Wenn ein einziges Teil ausfällt oder kaputtgeht, ist das gesamte System gefährdet. Nach einer so langen Verankerungszeit ist die entscheidende Frage: Laufen die Batterien noch, können wir die akustischen Auslöser der Verankerungen aktivieren und die kostbaren Messdaten und Proben der vergangenen zwei Jahre retten? Denkbar ist auch, dass die Systeme Fischern ins Netz gegangen sind und wir sie deswegen nicht wiederfinden. Je länger wir nicht vor Ort waren, desto größer wird das Risiko.
Ist auch die Länge der Reise eine Herausforderung?
Sicher. Wir werden 67 Tage auf See sein, davor zusätzlich zehn Tage in Quarantäne im Hotel. Da kann es schon einmal Heimweh, Langeweile oder sogar einen vorübergehenden Lagerkoller geben. 10 Tage das Zimmer nicht verlassen zu dürfen, sollte man nicht unterschätzen. Und dann beginnt die eigentliche Reise ja erst. Da ich selbst bereits an 68 Forschungsfahrten teilgenommen habe, kenne ich die mentalen Herausforderungen solcher Expeditionen. Als Fahrtleiter bin ich diesmal für alles verantwortlich: für die wissenschaftliche Leitung ebenso wie für die Forschenden und Studierenden an Bord. Ich plane bereits wissenschaftliche Experimente und Übungen, mit denen wir die Quarantäne- und Anreisezeit sinnvoll nutzen können.
Was zeichnet einen Fahrtleiter aus?
Ein guter Fahrtleiter behält nicht nur die Wissenschaft im Auge. Das ist natürlich eine Grundvoraussetzung, um diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen zu können. Aber wir arbeiten auf Forschungsschiffen Tag und Nacht, es gibt keine Wochenenden, keine Osterfeiertage, und wenn einem etwas nicht passt, kann man auch nicht einfach nach Hause gehen. Das heißt, ich muss aus vielen Individuen, jungen Studierenden wie alten Hasen, ein schlagkräftiges Team formen, das sich gegenseitig hilft und füreinander da ist – und das in diesem Fall über mehrere Monate. Bei 67 Tagen nonstop auf See muss man sich die Kräfte einteilen und gute Entscheidungen treffen. Aber wenn der Zusammenhalt stimmt, dann können wir zusammen jede Herausforderung meistern.
Niko Lahajnar arbeitet am Institut für Geologie und ist Mitglied des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) an der Universität Hamburg.
Eine ausführlichere Version des Interviews finden Sie auf den Seiten des CEN.
Folgen Sie der SONNE auf dem Blog von Niko Lahajnar und den Studierenden der Universität Hamburg.
Hintergrund zur Forschungsreise des Forschungsschiffs SONNE
Am 19. März bricht die SONNE zu einer 67 Tage langen Reise in den südlichen Atlantik auf, um Messgeräte verschiedener Forschungseinrichtungen auszulesen und neu zu verankern. Pandemiebedingt konnten diese Geräte im vergangenen Jahr nicht geborgen werden, durch ablaufenden Batterien droht ein gigantischer Daten- und Geräteverlust. Die Expedition wird von der Leitstelle deutscher Forschungsschiffe an der Universität Hamburg koordiniert. 13 Forschende und Studierende von den Universitäten Hamburg und Bremen, dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde nehmen an der Reise teil.
Über die Forschungsschiffe SONNE, METEOR und MARIA S. MERIAN
Die Universität Hamburg ist Betreiberin dreier im weltweiten Einsatz befindlicher deutscher Forschungsschiffe. Die SONNE und die METEOR sind Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die MARIA S. MERIAN gehört dem Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch das Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten. Die an der Universität angesiedelte Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe ist für den operativen Betrieb der Schiffe verantwortlich sowie für die wissenschaftlich-technische, logistische und finanzielle Organisation aller Expeditionen.