Die häufigste Infektionskrankheit der WeltNeue Ansätze im Kampf gegen Malaria
7. Oktober 2020, von Christina Krätzig
Foto: Mile 91/Ben Langdon / Alamy Stock Photo
Rund eine halbe Million Menschen sterben jährlich an Malaria, der häufigsten Infektionskrankheit der Welt. Nun fördert der Europäische Forschungsrat (ERC) den Hamburger Biologen Michael Filarsky mit 1,4 Millionen Euro, um den Lebenszyklus des Krankheitserregers zu erforschen. Ziel ist es, den Erreger eines Tages vielleicht ausrotten zu können.
Er ist winzig, mit bloßem Auge nicht zu sehen, und doch extrem gefährlich: Der Parasit Plasmodium falciparum, der die roten Blutkörperchen eines Menschen zerstören und ihn im schlimmsten Fall töten kann. Und er ist sehr schwer zu bekämpfen, erklärt der Molekularbiologe und Spezialist für menschliche Parasiten, Prof. Dr. Michael Filarsky.
Der Erreger hat sich jahrtausendelang zusammen mit dem Menschen entwickelt
„Spuren von ihm lassen ließen sich bereits in Mumien aus dem alten Ägypten nachweisen. Seine besondere Anpassungsfähigkeit hat jedoch auch dazu geführt, dass er gegen alle modernen Medikamente Resistenzen entwickelt hat. Darüber hinaus rufen einige dieser Medikamente schwere Nebenwirkungen beim Menschen hervor."
Michael Filarsky erforscht den Parasiten seit Jahren: zunächst als Postdoktorand am Schweizerischen Tropen und Public Health Institute in Basel, seit 2019 an der Universität Hamburg. Hier arbeitet er als Juniorprofessor am Zentrum für strukturelle Systembiologie (CSSB) auf dem Wissenschaftscampus Bahrenfeld. Bei der Wahl seines Forschungsgebietes war ihm die medizinische Relevanz seiner Arbeit wichtig - doch darüber hinaus fasziniert ihn auch die einzigartige Biologie von Plasmodium falciparum.
Denn der Einzeller hat einen äußerst komplexen Lebenszyklus: Er paart sich in einer Mücke und produziert dort Nachkommen, die mit einem Mückenstich in den Körper eines Menschen gelangen. Hier vervielfältigen sie sich durch Zellteilung und lösen heftige Fieberschübe aus, die alle 48 Stunden wiederkehren. Die meisten der so entstandenen Nachkommen bleiben im menschlichen Körper und teilen sich wieder und wieder. Doch einige wenige wandeln sich in männliche und weibliche Formen des Parasiten um, die mit einem weiteren Insektenstich zurück in eine Mücke gelangen, wo der Kreislauf von vorn beginnt.
Noch sind die molekularen Mechanismen bei der Vermehrung des Parasiten rätselhaft
Warum sich einzelne Nachkommen zu geschlechtlichen Formen entwickeln, ist trotz jahrzehntelanger Forschung noch nicht gut verstanden. „Wir wissen, dass bestimmte Proteine, also Eiweißmoleküle, diesen Schritt steuern. Die Moleküle funktionieren wie ein Schalter. Normalerweise steht der Schalter auf ‚aus‘, doch irgendetwas verursacht, dass der Schalter manchmal auf ‚ein‘ springt. Würden wir die Ursache dafür finden, könnten Medikamente diesen Schritt möglicherweise zukünftig unterbinden und die weitere Vermehrung von Plasmodium falciparum stoppen“, sagt Prof. Filarsky.
Wie wichtig der Kampf gegen Parasiten ist, hat auch die Verleihung der Nobelpreise im Jahr 2015 gezeigt. Das Nobelpreis-Komitee zeichnete im Bereich Medizin gleich drei Forschende aus, die sich mit menschlichen Parasiten beschäftigen, darunter die chinesische Pharmakologin Youyou Tu. Sie hatte bereits in den 70er-Jahren ein Medikament entwickelt, welches das Wachstum von Malariaerregern hemmt. Allerdings ist auch dessen Wirksamkeit durch zunehmende Resistenzen von Plasmodium falciparum inzwischen stark gefährdet.
Michael Filarsky forscht jedoch nicht an solchen neuen Medikamenten. Ihm geht es darum, die biologischen Grundlagen zu verstehen. Für die Fortsetzung seiner Arbeit bietet ihm der ERC Starting Grant ideale Voraussetzungen: Zusammen mit einer Postdoktorandin oder einem Postdoktoranden und zwei PhD-Studierenden kann er sich in den kommenden fünf Jahren vollständig seinem Projekt „MALSWITCH: Uncovering the Mechanisms Behind Adaptive Gene Expression Switching in Malaria Parasites“ widmen. „Vermutlich werde ich die vollständige Entschlüsselung aller Geheimnisse des Parasiten nicht mehr erleben“, sagt er. „Denn so funktioniert Wissenschaft normalerweise: Fortschritte geschehen in vielen winzigen Schritten. Anderseits weiß man nie, was man am nächsten Tag findet. Manchmal kann es auch schnell gehen und man erlebt einen plötzlichen Durchbruch.“
Malaria in Europa
Malaria gilt heute als Tropenkrankheit, die vor allem in Afrika und Asien auftritt. Einst kam sie jedoch auch in Europa und sogar in Deutschland vor, zum Beispiel in den Sümpfen im Norden oder am Rhein.
In Italien machte die Krankheit viele Gebiete jahrhundertelang unbewohnbar. Wer das Römische Reich angriff, musste stets damit rechnen, sich zu infizieren. So erging es beispielsweise den gotischen Eroberern Alarich (im Bild in einer Darstellung aus dem 15. Jahrhundert vor den Toren Roms) und Theoderich dem Großen im fünften und sechsten Jahrhundert nach Christus. Beide Invasoren starben nach heutigem Wissensstand vermutlich an Malaria.
Erst im 20. Jahrhundert wurde die Krankheit in Europa ausgerottet; hauptsächlich, indem man Sümpfe trockenlegte und den malariaübertragenden Anopheles-Mücken so den Lebensraum nahm. Allerdings prognostizieren Forschende eine zukünftige Rückkehr der Krankheit, da sich die Mücken durch den Klimawandel wieder nach Norden ausbreiten.