BMBF-Mittel für drei Forschungsvorhaben an der Universität Hamburg„Das Observatorium könnte erstmalig den Urknall selbst ins Visier nehmen“
19. August 2020, von Anna Walter
Foto: MPI für Gravitationsphysik / NIKHEF
Er gilt als Meilenstein im Hinblick auf eine deutsche Beteiligung am geplanten europäischen Einstein-Gravitationswellenobservatorium: Ein Verbund von neun deutschen Universitäten hat beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Mittel für ein Projekt zur Gravitationswellendetektion der dritten Generation eingeworben. Insgesamt drei der 14 Teilprojekte des Verbunds leiten Forschende des Exzellenzclusters Quantum Universe und des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg.
Astrophysikalische Ereignisse wie die Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern erzeugen Schwingungen der Raum-Zeit, sogenannte Gravitationswellen. Sie lassen sich mit besonderen Detektoren, den Gravitationswellenobservatorien, nachweisen. Gravitationswellen wurden vor etwa 100 Jahren von Albert Einstein vorhergesagt, der erste experimentelle Nachweis gelang allerdings erst 2015 am Observatorium LIGO in den USA. Mittlerweile arbeiten Forschende bereits an Observatorien der dritten Generation. Zu ihnen zählt das geplante Einstein-Teleskop.
Das neu bewilligte BMBF-Verbundprojekt unter Leitung der RWTH Aachen will einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung dieses und anderer sogenannter bodengestützter (im Gegensatz zu satellitengestützter) Gravitationswellenobservatorien leisten. „Das neue Verbundprojekt zeigt, dass die Bundesregierung für die Gravitationswellenastronomie ein großes Potenzial in den neuen Technologien sieht. Am Ende könnte ein unterirdisches Gravitationswellenobservatorium wie das Einstein-Projekt im Dreiländereck Deutschland, Niederlande und Belgien stehen, das die heutigen Gravitationswellenobservatorien LIGO und Virgo weit in den Schatten stellt und erstmalig den Urknall selbst ins Visier nimmt“, sagt Professor Roman Schnabel, leitender Wissenschaftler am Exzellenzcluster Quantum Universe der Universität Hamburg.
Auf dem Weg zum Einstein-Teleskop
Im Vergleich zu bereits existierenden Detektoren wie Advanced LIGO oder Virgo soll das Einstein-Teleskop genauere Messungen des Nachvibrierens des Urknalls liefern und detailliertere Einblicke in Verschmelzungsprozesse im Weltall geben. Möglich wird dies durch größere Empfindlichkeiten des Einstein-Teleskops in Frequenzbereichen unter zehn Hertz und über 500 Hertz, in denen bisherige Gravitationswellenobservatorien an ihre Grenzen stoßen. Eine verbesserte Empfindlichkeit ist unter anderem möglich durch eine Vergrößerung der Laserwellenlängen des Interferometers, eine präzise Messung minimaler Positionsänderungen der Spiegel und Kenntnissen über die Dynamiken des seismischen Feldes, um dadurch verursachte Störungen aus den Messergebnissen zu filtern.
Bereits 2018 hat die Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der Universität Hamburg gemeinsam mit zwölf Institutionen aus Belgien und den Niederlanden sowie der RWTH Aachen eine Absichtserklärung unterschrieben, um Forschungen zur Gravitationswellendetektion zu bündeln und das Dreiländereck zwischen Belgien, Deutschland und den Niederlanden als möglichen Standort für das Einstein-Teleskop zu erforschen.
Das BMBF fördert das Verbundprojekt mit rund drei Millionen Euro für drei Jahre. Gut eine halbe Million Euro davon fließen in drei Teilprojekte an der Universität Hamburg. Beteiligt sind neben Prof. Roman Schnabel (Institut für Laserphysik) und Juniorprofessor Oliver Gerberding (Institut für Experimentalphysik) auch Prof. Dirk Gajewski und die Juniorprofessorin Celine Hadziioannou vom Institut für Geophysik.
Die Teilprojekte an der Universität Hamburg
Gravitationswellenforschung in Hamburg
Experimentelle und theoretische Gravitationswellenforschung sind fest verankert im Exzellenzcluster „Quantum Universe“ der Universität Hamburg. Beteiligte Gruppen entwickeln Technologien zur verbesserten Empfindlichkeit von Gravitationswellenobservatorien, insbesondere durch den Einsatz von gequetschtem Licht und Konzepte für die Kühlung der Interferometer-Spiegel auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt. Daneben erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Clusters den Urknall und astrophysikalische Ereignisse als Quellen von Gravitationswellen.
Geophysikerinnen und -physiker des CEN entwickeln Methoden zur Datenauswertung, mit denen sich seismische Einflüsse aus den Messdaten eines Gravitationswellenobservatoriums herausfiltern lassen.
Das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) trägt zur theoretischen Gravitationswellenforschung am Standort Hamburg bei. DESY ist Kooperationspartner im Exzellenzcluster Quantum Universe und assoziierter Partner des neu bewilligten BMBF-Verbundprojekts zur Gravitationswellendetektion der dritten Generation.