Energiewende made in AfrikaWie afrikanische Staaten den Sprung zu einer klimafreundlichen und gerechten Ökonomie gestalten
30. Juli 2020, von Christina Krätzig

Foto: Pixabay CC0
Energiearmut, Stromausfall, Abholzung – solche Bilder prägen die Vorstellungen von Energiefragen in Afrika. Tatsächlich aber sind erneuerbare Energien in Afrika auf Wachstumskurs. Wie verlaufen Energiewenden auf dem afrikanischen Kontinent – und wie gerecht sind sie? Ein Forschungsteam um die neuberufene Juniorprofessorin Franziska Müller hat die erste Vergleichsstudie zur afrikanischen Energiewende veröffentlicht.
„Afrikas Energiebedarf steigt. Wirtschaftswachstum, Konsumbedürfnisse, Tourismus – das alles sind Faktoren, die den Sprung zu innovativen Technologien notwendig machen. Aber mit welchen politischen Weichenstellungen geht das am besten?“, fragt Prof. Dr. Franziska Müller. Gemeinsam mit ihrem Forschungsteam an den Universitäten Hamburg und Kassel hat die Politikwissenschaftlerin die Energiepolitiken 34 afrikanischer Staaten analysiert. Die Ergebnisse zeigen: Es gibt eine Energiewende made in Afrika. Die Zahl der Länder, die auf Solartechnologie oder grüne Fonds setzen, hat sich vervielfacht. Aber: Soziale und ökologische Gerechtigkeit gilt es weiter zu stärken.
Jedes Land geht seinen Weg
Sieben Staaten, darunter Südafrika und Ruanda, weisen den Weg in eine energiepolitische Zukunft. Ihre Programme haben Vorbildcharakter für gutes Regieren in anderen Ländern des Globalen Südens.
Ausgerechnet Südafrika, einer der weltweit größten CO2-Emittenten, probt die Wende. Noch decken die Kohlevorkommen den Strombedarf, tragen aber zu erheblichen Gesundheitsrisiken bei und gefährden das Weltklima. Nun aber bringt ein innovatives Auktionsprogramm, bei dem sich Energieunternehmen um Bauvorhaben bewerben und im Gegenzug Arbeitsplätze und Bildungsprojekte realisieren, Solar- und Windkraftwerke ins Land und sorgt für Technologietransfer. Dadurch sind zwei geplante Atomkraftwerke überflüssig geworden und der neue grüne Strom ist günstiger als der der betagten Kohlekraftwerke.
Auch Ruandas nationale Energiestrategie verknüpft zahlreiche Politik-Instrumente. Das Land setzt auf Mikrokredite, Programme für sauberes Kochen, die Beimischung von Biokraftstoffen oder den Aufbau weiblicher Fachkompetenz in grünen Technologien. Grüne Fonds richten sich an Investoren im Solar- und Wassersektor; faire Stromtarife garantieren, dass auch bei Einkommensschwankungen nicht das Licht ausgeht.
Politische Energiewende oder grüne Kapitalanlage?
In anderen Ländern spielt soziale Gerechtigkeit eine geringe Rolle. So etwa in Sambia, Heimat von 17 Millionen Menschen und bekannt für die Viktoriafälle. Mehrere am Fluss Sambesi gelegene Wasserkraftwerke produzieren bislang fast den gesamten Strom. Sie sind jedoch marode und das staatliche Energieversorgungsunternehmen ist beinahe pleite. Energiearmut ist daher sowohl für die wachsende Mittelschicht in der Hauptstadt Lusaka wie auch auf dem Land ein großes soziales Problem. Gleichzeitig orientieren sich die Energiepolitiken in erster Linie an den Interessen ausländischer Investoren. So wurden Energieauktionen an eine skandinavische Unternehmensberatung und eine britische Kanzlei überantwortet. Partizipation? Fehlanzeige.
Hoffnungen weckt hingegen der neue „Beyond the Grid Fund Zambia“. Er sorgt dafür, dass einzelne Dörfer über Mikrokredite ihre eigenen Solaranlagen erwerben und damit unabhängige Stromproduzenten werden können.
„Wichtig ist, vor dem Hintergrund der globalen Klimakrise direkt auf einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien zu setzen“, sagt Prof. Müller. „Dabei kommt es aber auf die Gerechtigkeitsdimension an. Sonst droht ein Rückfall in koloniale Abhängigkeiten.“