Klimaschutz in der NordseeDer Meeresgrund als Kohlendioxid-Speicher?
29. Oktober 2020, von Julika Doerffer
Foto: UHH/Preine
Um die Erderwärmung zu begrenzen und die Klimaziele noch zu erreichen, müssen in Zukunft vermutlich Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt werden. Der Geophysiker Prof. Dr. Christian Hübscher findet jedoch immer wieder geologische Störungen und Lecks in potenziell geeigneten Speicherstätten für solche Gase.
Die Europäische Union hat sich verpflichtet, ab 2050 klimaneutral zu sein. So soll das im Pariser Klimaabkommen vereinbarte globale Klimaziel erreicht werden. Doch voraussichtlich lassen sich bis dahin nicht sämtliche Treibhausgase vermeiden. Emissionen aus dem Flugverkehr, der Landwirtschaft oder aus energieintensiven Industrien werden laut Bundesumweltministerium sehr wahrscheinlich bleiben. Um das Ziel dennoch zu erreichen, muss die EU sogenannte negative Emissionen erzeugen. Dabei werden der Luft gezielt Treibhausgase wie zum Beispiel Kohlendioxid (CO2) entzogen.
Einige Technologien stehen schon heute zur Verfügung
In Norddeutschland sind mächtige geologische Prozesse am Werk
Die Abkürzung CCS steht beispielsweise für „Carbon Capture and Storage“, also für die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff. Die Abscheidung kann in Kraftwerken oder Fabriken stattfinden oder direkt aus der Umgebungsluft. Anschließend soll das CO2 in Gesteinsschichten tief unter der Erde gespeichert werden.
Ein Kohlendioxid-Speicherungsgesetz regelt in Deutschland seit 2012, was zukünftig erlaubt ist. Das Gesetz beschränkt beispielsweise die jährliche Speichermenge im gesamten Bundesgebiet auf maximal vier Millionen Tonnen. Eine Länderklausel erlaubt den Bundesländern, über die Anwendung der Technologie weitgehend selbst zu entscheiden.
In Brandenburg gibt es bisher das deutschlandweit einzige wissenschaftliche Projekt zu Speichermöglichkeiten. Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben die Speicherung von CO2 auf ihrem Gebiet dagegen ausgeschlossen. Trotzdem ist Prof. Dr. Christian Hübscher dort unterwegs. Als Geophysiker forscht er am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg. „Obwohl sich die norddeutschen Bundesländer gegen die Speicherung von CO2 entschieden haben, sollten wir den Untergrund genau untersuchen“, sagt Hübscher. „Kommt das Thema wieder auf die Agenda, sind wir vorbereitet.“
Eiszeit und Plattentektonik rütteln am Gestein
Für die Speicherung geeignet sind vor allem Schichten in 500 bis 4.000 Meter Tiefe wie poröse Gesteine oder Schichten, die von Salzwasser durchzogen sind. Nach oben müssen sie streng abgedichtet sein, zum Beispiel durch eine Lage Tonstein. Solche Deckschichten untersucht Christian Hübscher mit seinem Team. „In Norddeutschland sind mächtige geologische Prozesse am Werk, auch wenn wir davon normalerweise kaum etwas spüren. Durch sie können Störungen und Risse entstehen, die teilweise bis an die Oberfläche reichen“, sagt Hübscher. „Viele Prozesse laufen seit dem Ende der letzten Eiszeit und dauern bis heute an."
Aktuell untersucht er mit seinem Team erstmals auch den Einfluss der Plattentektonik. Die eurasische und die afrikanische Erdplatte bewegen sich aufeinander zu und das Atlantikbecken öffnet sich. Für Norddeutschland bedeutet dies beispielsweise, dass der unterirdische und immer noch aktive Glückstadtgraben weite Teile Schleswig-Holsteins beeinflusst. „Wir konnten eine frische Bruchstelle im Osten des Grabens direkt über einem Salzstock nachweisen“, sagt Hübscher. „Durch solch ein Leck könnte hier gelagertes CO2 entweichen und wieder in die Atmosphäre gelangen.“ Bei der Auswahl geeigneter CO2-Speicher müssten solche Strukturen deshalb bekannt sein.
CO2 in den Meeresboden pressen?
Auch tief im Meeresboden könnte CO2 eingelagert werden: Zwischen Dänemark und Norwegen gilt eine Sandsteinschicht in ein bis zwei Kilometern Tiefe als geeignet. Diese Schichten hat Hübscher mit seinem Team von Bord des Forschungsschiffes „Alkor“ genau untersucht. Mit ihren Messungen konnten sie nachweisen, dass dort an vielen kleinen Kratern im Meeresboden Gase austreten. Sie strömen durch Risse und Brüche im Gestein bis an die Oberfläche des Meeresgrundes. Würde dort CO2 eingelagert, könnte es entlang derselben Wege ins Meerwasser gelangen. „Alle infrage kommenden Lagerstätten sollten deshalb gezielt auf geologische Störungen in den Deckschichten untersucht werden“, sagt Hübscher. Seine Erfahrung dabei: Es kommt besonders darauf an, die passende Messmethode für jeden Untergrund zu finden. Denn nur wer ganz genau hinsieht, kann abschätzen, ob eine CO2-Endlagerung tatsächlich für viele Jahrhunderte sicher sein kann.
Aktuelle Studien zum Thema
Grob, Seidel und Hübscher (2020): Seismic amplitude and attribute data from Mesozoic strata in the Skagerrak (Danish-Norwegian North Sea): Indicators for fluid migration and seal bypass systems. Marine and Petroleum Geology, Vol. 121. Doi.org/10.1016/j.marpetgeo.2020.104596
Huster, Hübscher und Seidel (2020): Impact of Late Cretaceous to Neogene plate tectonics and Quaternary ice loads on supra salt deposits at Eastern Glückstadt Graben, North German Basin, International Journal of Earth Sciences, Vol. 109, 1029–1050, Doi.org/10.1007/s00531-020-01850-8