Unterirdischer KlimaschutzTreibhausgase in der Tiefe speichern
27. Juli 2020, von Julika Doerffer
Foto: UHH/Preine
Um die Erderwärmung zu begrenzen, müssen in Zukunft Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt werden – anders lassen sich die Klimaziele kaum mehr erreichen. Eine Methode wäre, Kohlendioxid dauerhaft unter der Erde zu speichern. Geophysiker Prof. Dr. Christian Hübscher findet jedoch immer wieder Störungen und Lecks in potenziell geeigneten Speicherstätten.
Die Europäische Union (EU) hat sich verpflichtet, ab 2050 klimaneutral zu sein. So möchte sie das im Pariser Klimaabkommen vereinbarte globale Klimaziel erreichen. Doch voraussichtlich werden sich nicht sämtliche Treibhausgase vermeiden lassen. Emissionen aus dem Flugverkehr, der Landwirtschaft oder aus energieintensiven Industrien bleiben laut Bundesumweltministerium sehr wahrscheinlich. Um das Ziel dennoch zu erreichen, muss die EU sogenannte negative Emissionen erzeugen. Dabei werden Abgasen oder der Luft gezielt Treibhausgase wie zum Beispiel Kohlendioxid (CO2) entzogen.
Dauerhaft im Untergrund speichern
Einige Maßnahmen stehen schon heute zur Verfügung, etwa die Technologie CCS. Die Abkürzung steht für „Carbon Capture and Storage“, die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff. Dies kann direkt in Kraftwerken oder Fabriken stattfinden oder mittels chemischer Prozesse direkt aus der Umgebungsluft heraus. Anschließend soll das CO2 in Gesteinsschichten tief unter der Erde gespeichert werden.
In Deutschland gibt es seit 2012 ein Kohlendioxid-Speicherungsgesetz. Es regelt, was zukünftig erlaubt ist und was nicht. Das Gesetz beschränkt beispielsweise die jährliche Speichermenge im gesamten Bundesgebiet auf maximal vier Millionen Tonnen. Eine Länderklausel regelt außerdem, dass die Bundesländer über die Anwendung der Technologie weitgehend selbst entscheiden können. In Brandenburg gibt es bisher das deutschlandweit einzige wissenschaftliche Projekt zu Speichermöglichkeiten. Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben eigene Gesetze verabschiedet und damit die Speicherung von CO2 auf ihrem Gebiet ausgeschlossen.
Prof. Dr. Christian Hübscher ist trotzdem auch in diesen Gebieten unterwegs. Als Geophysiker forscht er am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg. „Obwohl sich die norddeutschen Bundesländer gegen die Speicherung von CO2 entschieden haben, sollten wir den Untergrund trotzdem genau untersuchen“, sagt Hübscher. „Kommt das Thema wieder auf die Agenda, sind wir vorbereitet.“ Mit zwei neuen Studien legen Hübscher und sein Team jetzt Ergebnisse für Norddeutschland und die Nordsee-Region Skagerrak vor.
Eiszeit und Plattentektonik rütteln am Gestein
Für die Speicherung sind vor allem Schichten in 500 bis 4.000 Meter Tiefe geeignet wie etwa poröse Gesteine oder Schichten, die von Salzwasser durchzogen sind. Dies können ausgediente Öl- oder Gasfelder und Salzstöcke sein. Sie müssen allerdings nach oben hin streng abgedichtet sein, zum Beispiel durch eine Lage Tonstein. Solche Deckschichten untersucht Christian Hübscher mit seinem Team. „In Norddeutschland sind mächtige geologische Prozesse am Werk, auch wenn wir davon normalerweise kaum etwas spüren. Dadurch können in diesen Schichten Störungen und Risse entstehen, die teilweise bis an die Oberfläche reichen“, sagt Hübscher. „Viele Prozesse laufen seit dem Ende der letzten Eiszeit und dauern bis heute an. Aktuell untersuchen wir jedoch erstmals auch den Einfluss der Plattentektonik.“
So bewegen sich die eurasische und die afrikanische Erdplatte aufeinander zu und das Atlantikbecken öffnet sich. Für Norddeutschland bedeutet dies zum Beispiel, dass der unterirdische und immer noch aktive Glückstadtgraben weite Teile Schleswig-Holsteins beeinflusst. „Wir konnten aktuell eine frische Bruchstelle im Osten des Grabens direkt über einem Salzstock nachweisen“, sagt Hübscher. „Entlang der Brüche können Flüssigkeiten und Gase aufsteigen. Durch solch ein Leck könnte hier gelagertes CO2 entweichen und wieder in die Atmosphäre gelangen.“ Bei der Auswahl geeigneter CO2-Speicher müssten solche Strukturen deshalb bekannt sein.
CO2 in den Meeresboden pressen?
Auch tief im Meeresboden könnte CO2 eingelagert werden: Zwischen Dänemark und Norwegen gilt eine Sandsteinschicht in ein bis zwei Kilometern Tiefe als geeignet. Diese Schichten hat Hübscher mit seinem Team von Bord des Forschungsschiffes „Alkor“ genau untersucht. Mit speziellen Messungen konnten sie nachweisen, dass dort an vielen kleinen Kratern im Meeresboden Gase austreten. Sie strömen durch Risse und Brüche im Gestein bis an die Oberfläche des Meeresgrundes. Würde dort CO2 eingelagert, könnte es entlang derselben Wege bis ins Meerwasser gelangen. „Alle infrage kommenden Lagerstätten sollten deshalb gezielt auf geologische Störungen in den Deckschichten untersucht werden“, sagt Hübscher. Seine Erfahrung dabei: Es kommt besonders darauf an, die passende Messmethode für jeden Untergrund zu finden. Denn nur wer ganz genau hinsieht, kann abschätzen, ob eine CO2-Endlagerung tatsächlich für viele Jahrhunderte sicher sein kann.