330.000 Euro für Forschung zum EmissionshandelWie klimawirksam ist die deutsche Energiewende?
3. Juli 2020, von Anna Priebe
Foto: Sebastian Engels
Das Großprojekt „Ariadne“ soll die Energiewende wissenschaftlich begleiten. Prof. Dr. Grischa Perino aus dem Fachbereich Sozialökonomie und dem Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS)“ wird in einem Teilprojekt den europäischen Emissionshandel und seine Auswirkungen auf die nationale Politik untersuchen. Dafür erhält er über drei Jahre eine Förderung von rund 330.000 Euro.
Im Projekt „Ariadne“ werden politische Instrumente zur Gestaltung der Energiewende untersucht. Worum geht es in Ihrem Teilprojekt genau?
Wir wollen die Wechselwirkung zwischen europäischen Vorgaben zum Klimaschutz und den deutschen Energiewendeinstrumenten erforschen – am Beispiel des EU-Emissionshandels. Uns interessiert, wie sich die europäischen Rahmenbedingungen auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Bundesregierung auswirken.
Wie sehen denn Wechselwirkungen beim Emissionshandel aus?
Der Emissionshandel gibt auf europäischer Ebene für verschiedene Sektoren, etwa die Stromerzeugung und die Industrie, eine verbindliche Obergrenze für Emissionen vor. Diese Obergrenze darf in einem bestimmten Zeitraum nicht überschritten werden. Wer weniger Emissionen ausstößt, kann seine nicht genutzten Rechte verkaufen. Diesen Mechanismus muss auch die deutsche Bundesregierung bei entsprechenden Vorschriften für Unternehmen beachten. Sie hat etwa beim Kohleausstieg festgelegt, dass die Emissionsrechte der abgeschalteten Kraftwerke stillgelegt werden. Sonst würden diese nur den Besitzer wechseln und es gäbe keine direkte Klimawirkung durch die Abschaltung der Kraftwerke.
Das Schwierige ist, dass der Emissionshandel durch die sogenannte Marktstabilisierungsreserve auf solche Szenarien reagiert, d. h. die Anzahl der auf dem Markt verfügbaren Zertifikate wird automatisch angepasst. Dadurch entstehen Wechselwirkungen, die sehr schwer vorherzusagen sind und bei den Regierungen zu Unsicherheiten bei der Planung führen. Diese Folgen wollen wir genauso untersuchen wie die Entstehungsprozesse, die zu dieser Ausgestaltung des europäischen Emissionshandels und der Reaktion der Bundesregierung geführt haben.
Wie erforschen Sie und Ihr Team diese Fragen?
Die Aus- und Wechselwirkungen der Emissionsregulierung untersuchen wir anhand theoretischer Analysen, also mit mathematischen Modellen. Zur Entstehung der Regulierungen werden wir empirisch arbeiten und unter anderem Umfragen in der Bevölkerung durchführen. Dabei wollen wir auch mit ökonomischen Experimenten arbeiten: Wir werden gezielt bestimmte Variablen in der Umfrage variieren, um beispielsweise die Rolle bestimmter Informationen für die Meinungsbildung zu verstehen.
Zusätzlich ist geplant, mit politischen Entscheidungsträgern zu sprechen sowie mit Menschen, die direkt in diesem Umfeld aktiv sind und die Politikerinnen und Politiker beraten. Auch dort werden wir quantitative Umfragen machen – eventuell ergänzt durch Interviews.
Ein wichtiger Bestandteil des „Ariadne“-Projektes ist die Einbeziehung von Politik und Zivilgesellschaft. Wie setzen Sie das in Ihrem Teilprojekt um?
Tatsächlich ist „Ariadne“ ein sehr großes, verzahntes Projekt. Es geht darum, zu wissenschaftlich fundierten Empfehlungen für die Politik zu kommen – und diese mit der Zivilbevölkerung sowie mit Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik zu diskutieren.
Wir betreiben vor allem Grundlagenforschung, die aber auch direkt in den Diskurs einfließt. Im Jahr 2021 steht bei der Marktstabilisierungsreserve turnusmäßig die erste Überarbeitung an. Wir werden unsere bis dahin erlangten Ergebnisse über die Kanäle des Projektes „Ariadne“ dann auch den Abgeordneten und Ministerien in Berlin und Brüssel zur Verfügung stellen und so unsere Expertise einbringen.
Das Projekt „Ariadne“
Das Projekt „Ariadne“ – benannt nach der Figur aus der griechischen Mythologie – ist auf drei Jahre angelegt und soll helfen, die Wirkung verschiedener Politikinstrumente besser zu verstehen, um gesellschaftlich tragfähige Energiewende-Strategien entwickeln zu können. Insgesamt sind 26 deutsche Forschungseinrichtungen beteiligt. „Ariadne“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt 30 Millionen Euro gefördert und ist Teil der Kopernikus-Forschungsinitiative. Zusammen bilden die Kopernikus-Projekte eine der größten deutschen Forschungskomplexe zum Thema Energiewende.