Untersuchung auf Madagaskar zu Infektionen„Artenvielfalt kann vor Krankheitsübertragung schützen“
29. April 2020, von Viola Griehl
Foto: UHH/Ehlers
Krankheitsübertragung vom Tier auf den Menschen ist nicht erst seit der Corona-Pandemie ein Problem. Der Kontakt mit Wildtieren oder der Verzehr ihres Fleisches kann Menschen mit Tollwut- oder Ebola-Viren infizieren. Auch Läuse, Flöhe, Zecken oder Stechmücken können Erreger weitergeben - wie beim Fleckfieber, der Pest, Borreliose und Malaria. Doch auch Tiere können durch Menschen krank werden: In Regionen Afrikas steckten sich Affen bei Menschen an und starben. Julian Ehlers, Doktorand bei Prof. Dr. Jörg Ganzhorn am Fachbereich Biologie, hat auf Madagaskar untersucht, wie Bakterien zwischen verschiedenen Wirtsarten verbreitet werden.
Herr Ehlers, sind Sie gerade auch im Homeoffice?
Ich stehe kurz vor Abgabe meiner Dissertation und bin froh, dass das Schreiben auch im Homeoffice geht. Bei anderen, die noch ins Labor müssen, verzögert sich die Arbeit jetzt.
Durch das Coronavirus sind wir zurzeit sehr sensibilisiert für Krankheitserreger, die von Tieren auf Menschen übertragen werden. Sie haben auf Madagaskar die Übertragung von Bakterien zwischen verschiedenen Tierarten erforscht. Inwiefern ist das auch für uns Menschen relevant?
Tiere bilden ein natürliches Reservoir für Krankheitserreger. Wenn man über mögliche Übertragungswege Bescheid weiß, lässt sich auch das Risiko ableiten für die Menschen, die in unmittelbarer Nähe dieser Tiere leben. Wir wissen, dass zum Beispiel Parasiten wie Flöhe, Läuse oder Zecken Krankheitserreger übertragen. Wir nennen diese Überträger „Vektoren“. Weil sie nicht nur Tiere, sondern auch den Menschen befallen, können sie ihn mit den gleichen Krankheitserregern infizieren.
Worum ging es bei Ihren Untersuchungen genau?
Erst einmal ging es darum zu ermitteln, welche Bakterien und welche Vektoren es im Südwesten Madagaskars gibt. Die Ergebnisse sind dann die Grundlage für weitere Untersuchungen wie zum Beispiel zur Übertragbarkeit. Als erstes haben wir kleinere Säugetiere und auch Haustiere untersucht, um einen Überblick zu bekommen, welche Parasiten auf welchen Wirtsarten vorkommen. Im Labor habe ich dann nach Erregern in den Parasiten gesucht.
Dabei konnte ich in allen Vektorgruppen (Zecken, Läuse und Flöhe) Rickettsien nachweisen, das sind Bakterien, die zum Beispiel Fleckfieber übertragen. Vereinzelt habe ich noch andere Bakterienarten und sogar den Pesterreger gefunden. Tatsächlich gab es aber zwischen Haus- und Wildtieren insgesamt wenig Überschneidungen, was die Parasiten betrifft. Eine Floh-Art wurde jedoch gleich an sechs verschiedenen Wirtsarten - zum Beispiel an Hausratten, Hunden, Katzen oder dem Breitstreifenmungo - gefunden - das könnte ein Übertragungsweg sein.
Man hört meist von Viren, die zwischen verschiedenen Wirten übertragen werden, also auch auf Menschen. Wie gefährlich sind Bakterieninfektionen dieser Art?
Dass man in erster Linie von Viren hört, liegt daran, dass sich Viren und gerade solche, die die Atemwege befallen wie Influenza oder aktuell SARS-CoV-2, äußerst schnell verbreiten können. Viele Viruserkrankungen gehen außerdem oft tödlich aus, wie etwa Ebola oder Tollwut. Es gibt nicht immer einen Impfstoff oder eine wirksame Therapie wie bei bakteriellen Infektionen. In Regionen mit Armut und niedrigen Hygienestandards, in denen Antibiotika oft nicht verfügbar sind, sind bakterielle Erkrankungen wie Pest, Cholera oder Tuberkulose tägliche Realität. Wie gefährlich eine bakterielle Infektion ist, lässt sich also nicht so pauschal beantworten, sondern kommt, wie bei Virusinfektionen, auch auf die Erregerart und Behandlungsmöglichkeiten an.
Welchen Einfluss hat es, dass der Mensch überall immer stärker in Ökosysteme eindringt und damit auch in den Lebensraum von Tieren?
Je mehr der Mensch in vorher unberührte Gebiete eindringt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auf natürliche, unbekannte Reservoire von Krankheitserregern trifft. Dann gibt es auch vermehrt Interaktionen von Wildtieren mit Haus- und Nutztieren, die von Parasiten-Vektoren und Krankheitserregern, bildlich gesprochen, als Brücke zwischen Mensch und Tierwelt in beide Richtungen dienen könnten. Vor allem bedeutet das Eindringen in Ökosysteme aber, dass wildlebende Tiere ihren Lebensraum verlieren, was einen Rückgang der Artenvielfalt zur Folge haben kann. Eine hohe Artenvielfalt kann jedoch vor Krankheitsübertragung schützen, da sie verhindert, dass sich einzelne Reservoir-Wirte übermäßig ausbreiten.
Was können wir tun, um die Infektionsgefahren für Mensch und Tier zu verringern?
Wir können etwa die Zerstörung tropischer Wälder und deren Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen reduzieren. Oder Menschen könnten ihr Essverhalten ändern, da eine der größten Infektionsquellen immer noch die Jagd und der Verzehr von sogenanntem Bushmeat, also Wildfleisch aus Regenwald oder Savannen, darstellt. Aktuell steht ja auch ein entsprechender Markt in Wuhan als Ursprung der COVID-19 Pandemie in Verdacht.
Unsere westliche Esskultur geht allerdings auch mit Risiken einher, beispielsweise darf man nicht vergessen, dass die Fleischwirtschaft in Deutschland nur durch massiven Antibiotika-Einsatz möglich ist. In manchen Regionen Afrikas gibt es in Zeiten von Hungersnot aber auch keine Alternativen zu Wildfleisch. Das muss man sehr differenziert betrachten. Aber zumindest sollte es mehr Aufklärung geben über Gefahrenquellen und wie man sich vor Infektionen schützen kann.
Zur Studie von Julian Ehlers
Die Studie ist ein Kooperationsprojekt der Abteilung Tierökologie und Naturschutz im Fachbereich Biologie der Universität Hamburg mit dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Dennis Trappe), dem Bundeswehrkrankenhaus Hamburg (Andreas Krüger), der Verwaltung des Tsimanampetsotsa Nationalparks und der Universität Antananarivo auf Madagaskar. Untersucht wurden mögliche Übertragungen bakterieller Krankheitserreger zwischen verschiedenen Wirtsarten. Die Studie erfolgte im Südwesten Madagaskars, dessen Ökosystem durch menschliche Aktivitäten stark in Mitleidenschaft gezogen wird.