Multiresistente KrankenhauskeimeMit moderner Analyse Verbreitung von Krankheitserregern verhindern
28. April 2020, von Britta Weller und Christina Krätzig
Foto: UHH/ Mentz
Ein internationales Konsortium unter der Leitung des Forschungszentrums Borstel Leibniz Lungenzentrum hat mit Beteiligung der Universität Hamburg erstmals die weltweite Populationsstruktur und die Verbreitung des multiresistenten Krankheitserregers des Stenotrophomonas-maltophilia-Komplexes untersucht. Die jetzt in Nature Communications veröffentlichte Studie liefert ein systematisches Verständnis der S. maltophilia-Stämme und ermöglicht eine effiziente Überwachung auf der Grundlage eines neu entwickelten genomischen Klassifikationssystems.
Bakterien aus dem S.-maltophilia-Komplex kommen in verschiedenen natürlichen und mit dem Menschen assoziierten Ökosystemen vor. Zudem handelt es sich bei diesem Keim um einen Erreger, der im Krankenhaus erworbene, antibiotikaresistente Infektionen verursacht. Besonders gefährlich kann dies für Patienten mit Immunsuppression oder bereits bestehenden entzündlichen Lungenerkrankungen wie z.B. einer Mukoviszidose werden. Obwohl fast jedes Organ betroffen sein kann, sind Infektionen der Atemwege, Bakteriämie oder katheterbedingte Infektionen der Blutbahn am häufigsten.
Das Team der Universität Hamburg hat sich an der mehrjährigen Studie durch die Isolierung und Kultivierung neuer Isolate beteiligt und einen signifikanten Beitrag bei der Datenauswertung geleistet. Ziel war es, festzustellen, inwieweit S. maltophilia global als Problemkeim einzustufen ist und inwieweit sich die weltweiten Isolate unterscheiden – vor allem im Hinblick auf die Erbinformation und Antibiotikaresistenz.
„Wir haben dabei vor allen Dingen die Resistenzprofile untersuchen und die genetischen Werkzeuge für den Umgang mit dem kaum bekannten Organismus erarbeiten müssen“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Streit von der Universität Hamburg. Mit seinem Team untersucht der Mikrobiologe seit Jahren das Antibiotika- Resistenzverhalten von Stenotrophomonas maltophilia und entwickelt Strategien, um den Organismus zu bekämpfen.
Proben aus 22 Ländern geben Auskunft über die Verbreitung des Bakteriums
Denn besonders alarmierend ist die Resistenz der S.-maltophilia-Stämme gegen eine große Zahl von Antibiotika, was die Behandlungsmöglichkeiten stark einschränkt. Angesichts der zunehmenden Bedeutung der Erreger sind Erkenntnisse über die Virulenzfaktoren der S.-maltophilia-Bakterien sowie über die lokale und globale Verbreitung dringend erforderlich.
„Jüngste Berichte weisen auf die weltweite Verbreitung verschiedener Erreger im Krankenhausumfeld hin. Über die S.-maltophilia Bakterien liegen jedoch nur wenige Informationen vor, da die Infektionen nicht routinemässig gemeldet und systematisch analysiert werden", so Prof. Stefan Niemann, Leiter des Konsortiums und Leiter der Forschungsgruppe Molekulare und Experimentelle Mykobakteriologie am Forschungszentrum Borstel.
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus insgesamt acht Ländern etablierten zunächst einen Genotypisierungsansatz, der die standardisierte Analyse der verschiedenen Genome von S.-maltophilia-Stämmen ermöglicht, indem die Genomsequenzen in einen einzigartigen und stammspezifischen Barcode übersetzt werden. Im nächsten Schritt führten sie eine groß angelegte genombasierte Analyse einer weltweiten Sammlung von 1305 S.-maltophilia-Isolaten aus 22 Ländern durch, um die globale Phylogenie zu definieren und die internationale und lokale Verbreitung bestimmter Subtypen zu erfassen.
Ein wichtiges Ergebnis dieser Analyse war, dass der S.-maltophilia-Komplex in insgesamt 23 Linien mit unterschiedlichem Vorkommen unterteilt ist. Stämme einer bestimmten Abstammungslinie traten weltweit auf und hatten die höchste Rate an human-assoziierten Stämmen. Zudem war diese "Sm6" genannte Linie durch das Vorkommen wichtiger Virulenz- und Resistenzgene gekennzeichnet. „Dies deutet darauf hin, dass eine spezielle Gen-Ausstattung die Verbreitung verschiedener S.-maltophilia-Subtypen im Krankenhausumfeld, d.h. unter antimikrobieller Behandlung, fördern kann", sagt Matthias Gröschel, Erstautor der Studie von der Medizinischen Fakultät der Harvard Universität.
Neues Wissen verbessert Bekämpfungsmöglichkeiten
Die Übertragungsanalyse konnte zudem mehrere potenzielle Ausbruchsereignisse genetisch eng verwandter Stämme identifizieren, die innerhalb von Tagen oder Wochen in denselben Krankenhäusern isoliert wurden. „Zusammen mit Studien zu anderen Krankheitserregern zeigen unsere Ergebnisse, wie eine systematische genombasierte Überwachung von S.-maltophilia und anderen Erregern im Krankenhausumfeld helfen kann, um Übertragungswege zu definieren und die Infektionskontrolle zu verbessern", fügt Thomas Kohl vom Forschungszentrum Borstel, Seniorautor der Studie, hinzu.
„Diese Analysen werden sehr hilfreich sein, um zukünftig festzustellen, wie Keime sich in einem Krankenhaus lokal ausbreiten und von einer Person auf eine andere übertragen werden. Wenn man diese Mechanismen besser versteht und mithilfe moderner Analysetechnik ständig überwacht, ist es einfacher, die Übertragung zu unterbinden“, ergänzt Prof. Dr. Wolfgang Streit von der Universität Hamburg.
In Zukunft sollen weitere Forschungsprojekte auf den Weg gebracht werden, um mittels genombasierter Instrumente das Verständnis dieses aufkommenden Krankheitserregers zu vertiefen.