Experimente zum besseren HörenKönnen wir unseren Sinnen auf die Sprünge helfen?
14. Februar 2020, von Christina Krätzig
Foto: UHH/Krätzig
Wie arbeiten Gehirn und Sinnesorgane zusammen? Dieser Frage geht Wahrnehmungspsychologe Dr. Patrick Bruns nach. Als Leiter des Labors für Biologische Psychologie und Neuropsychologie an der Universität Hamburg möchte er herausfinden, ob Menschen lernen können, bewusst besser zu hören.
Dass Menschen ihre Wahrnehmungsfähigkeit trainieren können, ist belegt und bekannt. Doch ist das Gehirn auch in der Lage, die Sinnesorgane selbst zu verändern und ihre Leistungen direkt zu verbessern? Patrick Bruns hält solche Anpassungen außerhalb des Gehirns für möglich. „Das Gehirn selbst verändert sich fortwährend und passt seine Struktur und Funktion an den Bedarf und die Nutzungsweise an. Vielleicht ist es darüber hinaus aber auch in der Lage, Veränderungen in den Sinnesorganen zu bewirken“, begründet Bruns die These, die er in den kommenden anderthalb Jahren untersuchen will. Die Volkswagenstiftung fördert sein Vorhaben mit rund 100.000 Euro in der Reihe „Experiment! – Auf der Suche nach gewagten Forschungsideen.“
Bruns Ansatz baut auf neuen Erkenntnissen von amerikanischen Kollegen der Duke University in North Carolina auf, mit denen er kooperieren will. Sie haben herausgefunden, dass Augenbewegungen auch Bewegungen des Trommelfells hervorrufen. Damit beeinflussen sie, wie der Schall in elektrische Impulse umgewandelt und ins Gehirn weitergeleitet wird. Dies kann möglicherweise dazu führen, dass Schallwellen aus der Richtung, in die jemand blickt, besser wahrgenommen werden. Oder anders ausgedrückt: Der Mensch kann nach einer entsprechenden Augenbewegung besser hören.
Er plant Versuche mit jeweils 20 Probandinnen und Probanden. Er möchte erforschen, ob und wie sie akustische und visuelle Reize bereits im Ohr verknüpfen und ob sie lernen können, die Bewegungen des Trommelfells dauerhaft zu verändern und vielleicht sogar willentlich zu steuern; auch wenn das erst einmal abwegig klingt. „Menschen, die mithilfe bildgebender Verfahren sehen können, welche Hirnareale sie aktivieren, können lernen, diese Areale bewusst anzusteuern“, sagt Bruns. „Eventuell ist bei den Bewegungen des Trommelfells im Mittelohr ähnliches möglich.“
Sollte dies der Fall sein, würde dies unsere Vorstellung von der Anpassungsfähigkeit des Gehirns revolutionieren, meint Bruns: „Wir würden neue Vorstellungen davon gewinnen, wie Lernen funktioniert und wie sich Gehirn oder Sinnesorgane nach Schäden regenerieren können.“
Seine Ergebnisse wird er Anfang 2022 auf einem von der Volkswagenstiftung organisierten Symposium vorstellen – auch im Fall einer Widerlegung seiner Ausgangsthese.