InfektionsbiologieNeuer Ansatz im Kampf gegen die Schlafkrankheit
12. Februar 2020, von Viola Griehl
Foto: privat
Die Schlafkrankheit wird von einem Parasiten ausgelöst, der mit dem Stich der im südlichen Afrika heimischen Tsetse-Fliege übertragen wird. Die Zahl der Betroffenen wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO auf 70 Millionen Menschen geschätzt, die Zahl der Todesfälle auf ca. 50.000 pro Jahr. Unbehandelt gilt die Krankheit als tödlich. Drei Fragen an Prof. Dr. Dr. Christian Betzel, der mit seinem Team mögliche Ansätze für neue Medikamente gegen den Erreger erforscht.
Warum ist es so wichtig, ein Mittel gegen die Schlafkrankheit zu finden?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO versucht seit vielen Jahren, durch intensive Forschung zur Bekämpfung der afrikanischen Schlafkrankheit effektive Wirkstoffe zu entwickeln, die dabei noch einigermaßen verträglich für die Erkrankten sind. Die Schlafkrankheit wird über den Stich der Tsetse-Fliege übertragen, mit dem der Erreger, ein einzelliger Parasit, ins Blut gelangt. Bislang verbreitet er sich ziemlich ungehemmt. Da er einen ungewöhnlich komplexen Lebenszyklus durchläuft und dabei ständig seine Form und Struktur ändert, ist es extrem schwierig, einen geeigneten Wirkstoff zu finden. Bislang lassen sich nur gezielt unterschiedliche Stadien der Erkrankung behandeln, aber mit für den Menschen relativ schädlichen Substanzen.
In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Tübingen erforscht meine Arbeitsgruppe seit einigen Jahren potenzielle Wirkstofftargets, das heißt, wir suchen Moleküle, die für diese Art der Parasiten essentiell sind und deren Blockierung den Parasiten absterben lässt oder zumindest eine weitere Verbreitung massiv einschränkt. Dabei ist wichtig, dass sich diese Wirkstofftargets von verwandten Molekülen im Menschen unterscheiden, damit nur das Parasiten-Enzym blockiert wird, nicht aber das menschliche. Konkret haben wir jetzt ein Enzym analysiert, das in jedem Organismus zum zentralen Inventar gehört – eine sogenannte Inosin-5'-Monophosphat-Dehydrogenase (IMPDH).
Was ist das Neue, das Sie und Ihr Team jetzt entdeckt haben?
Wir konnten im Kontext des Exzellenzclusters "CUI: Advanced Imaging of Matter" zum einen über die hochaufgelöste Röntgenstrukturanalyse die atomare räumliche Struktur des aktiven Zentrums des Enzyms entschlüsseln. Das ist für das Wirkstoffdesign essentiell. Damit können gezielt Hemmstoffe entwickelt oder weiterentwickelt werden, die das aktive Zentrum des Enzyms blockieren. Außerdem konnten wir den molekularen „Schalter“ identifizieren, der die Aktivität dieses Enzymes regelt.
Dazu muss man wissen, dass Enzyme der hier analysierten Art nicht immer voll aktiv sind, sondern sie werden je nach Bedarf über molekulare Signale der Zelle aktiviert oder wieder in den Ruhezustand versetzt. Diese Abläufe sind extrem komplex und werden erst seit einigen Jahren erforscht, konnten aber bislang nur über Modellvorstellungen dargestellt und spekulativ interpretiert werden. Nachdem wir herausfinden konnten, wie der Schalter der IMPDH des Parasiten funktioniert und welche Moleküle für das An- und Ausschalten verantwortlich sind, können wir diesen Schalter zukünftig als Angriffspunkte innovativer Wirkstoffe nutzen, und so die Aktivität des Enzyms komplett „ausschalten“.
Mit welchen Methoden war das möglich?
Wir haben die Methode der Röntgenkristallstrukturanalyse eingesetzt. Sie ermöglicht es, mithilfe von ultrahellen Röntgenblitzen die atomare Struktur von Biomolekülen zu bestimmen. Dazu haben wir zunächst mit der sogenannten in-vivo-Kristallisation in lebenden Zellen nur wenige Mikrometer kleine Kristalle dieser Biomoleküle wachsen lassen. Setzt man sie dann dem hoch intensiven Röntgenlicht aus, erzeugen sie ein charakteristisches Streumuster, das uns ermöglicht, die atomare Struktur des Enzyms genau zu berechnen. Möglich wurde das durch unsere Zusammenarbeit mit den Kollegen Prof. Dr. Lars Redecke von der Universität Lübeck, Prof. Dr Henry Chapman vom DESY und Prof. Dr. Michael Duszenko von der Universität Tübingen.
Zur afrikanischen Schlafkrankheit
Die afrikanische Schlafkrankheit wird insbesondere im zentralen Afrika über einen Stich der blutsaugenden Tsetse-Fliege übertragen, mit dem einzellige Parasiten der Species Trypanosoma brucei ins Blut geraten. Der Parasit verbreitet sich über verschiedene Tiere auch auf Menschen. Nach Angaben des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin leben rund 65 Millionen Menschen in 36 afrikanischen Ländern südlich der Sahara im Risikogebiet. Das Team um Prof. Dr. Christian Betzel von der Universität Hamburg, Prof. Dr. Lars Redecke von der Universität Lübeck sowie Prof. Dr. Henry Chapman von DESY und der Universität Hamburg berichtet darüber in der aktuellen Ausgabe von „Nature Communications“. Prof. Betzel und Prof. Chapman forschen auch im Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“.