Flugzeug, Schiff und SatellitWolkenforscher starten Großkampagne
17. Januar 2020, von Stephanie Janssen
Foto: UHH/Schell
Wolken gelten als Rätsel im Klimasystem. Eine neue, spektakuläre Forschungsmission rückt ihnen jetzt zu Leibe. Vier Forschungsschiffe und vier Messflugzeuge sammeln rund um Barbados mehrere Wochen lang Daten – ein Megaprojekt, das in Paris und Hamburg koordiniert wird. Der Meteorologe Prof. Dr. Felix Ament von der Universität Hamburg fliegt selbst mit.
Herr Ament, die aktuelle Mission EUREC4A erfordert ein riesiges Aufgebot an Wissenschaft und Technik. Ist das gerechtfertigt?
Ja. Für genauere Klimavorhersagen müssen wir die Wolkenbildung besser verstehen. Mit unserer Kampagne untersuchen wir diese jetzt einmal an einem Ort ganz genau. Das erzeugt keine Mehrkosten, sondern mehr Wert. Wir koordinieren die verschiedenen Methoden und schaffen so Synergien. Unsere Erkenntnisse werden auf andere Regionen übertragbar sein.
Was hat die Wolkenforschung in jüngster Zeit erreicht? Und welche großen Fragen sind offen?
Wir wissen seit Kurzem, dass die Organisation der Wolken wichtig für ihre Rolle im Klimawandel ist. Ob sie zum Beispiel gleichmäßig verteilt sind, eine neben der anderen, oder eher in einem Haufen zusammenklumpen, hat unterschiedliche Auswirkungen. Aber welche Faktoren beeinflussen, wie sie sich organisieren? Naheliegend sind Temperatur oder Feuchte, aber diese Faktoren können nicht alles erklären.
Welche weiteren Faktoren untersuchen Sie?
Es gibt Hinweise auf einen anderen Faktor: die Dynamik. Über Windmessungen können wir feststellen, wie sich die Luft in der Atmosphäre bewegt. Strömt sie in einem Zentrum zusammen, dann hebt sie die darüber liegenden Luftmassen an. Strömt sie auseinander, senken sich die Luftmassen. Wir wollen herausfinden, wie das Wolkensystem insgesamt auf diese Bewegungen reagiert.
Wie messen Sie das?
Wir werden eine Kreisfläche mit rund 100 km Radius mehrere Wochen lang komplett überwachen. Die Aufgabe unseres Teams ist es, den Wind an den Rändern des Gebiets zu erfassen. Strömt die Luft hinein oder heraus? Dazu werden wir mit dem deutschen Forschungsflugzeug HALO immer auf derselben Kreisbahn rund um das Areal fliegen, acht Stunden am Tag. Alle fünf Minuten werfen wir eine so genannte Dropsonde ab, die auf ihrem Weg nach unten ein senkrechtes Profil der Atmosphäre misst. So werden an der äußeren Grenze des Areals quasi durch einen Vorhang aus Dropsonden permanent Daten erhoben.
Was machen die anderen Flugzeuge und Schiffe?
Zwei weitere Forschungsflugzeuge registrieren, was innerhalb des Areals passiert. Das deutsche Forschungsschiff METEOR, ebenfalls mit Forschenden der Universität Hamburg an Bord, erfasst parallel die Luft nahe der Meeresoberfläche. Zusätzlich bekommen wir Satellitendaten und das Bodenobservatorium auf Barbados liefert weitere Messwerte. So können wir genau verfolgen, unter welchen dynamischen Bedingungen welche Wolkenmuster entstehen.
Was bringt das für die Klimaprognosen?
Typisch für die Passatwindzone um den Äquator sind kleine und flache, tiefstehende Wolken – die Schäfchenwolken. Sie sind locker und fluffig und regnen selten. Sie reflektieren mehr Sonnenstrahlung als der Ozean und kühlen das Klima eher ab. Eine These ist, dass diese Wolken im Zuge der Erderwärmung weniger werden könnten. Dann würde der kühlende Effekt ausbleiben und die Temperaturen würden steigen. Diesen Mechanismus genauer zu verstehen, ist extrem wichtig, um zukünftige Temperaturen abzuschätzen.
Das Klimamodell ICON kann Wolken bereits mit einer extrem hohen Auflösung von 100 Metern berechnen. Reicht das nicht?
Auch ICON ist in Barbados sozusagen mit vor Ort. Wir werden das Modell täglich mit den aktuellen Daten füttern und können die Ergebnisse dann direkt mit der Realität abgleichen. Diese neuen Rechenmodelle mit höchster Auflösung können wunderschöne Wolkenmuster abbilden. Doch die Ergebnisse müssen immer anhand von realen Messdaten überprüft werden, damit sich die virtuellen Realitäten nicht verselbständigen.
Gemeinsame Pressemitteilung Deutschland zum Start der Kampagne