Ein Projekt zu Frost und FeuerHamburger Biologe forscht in Angola zur Evolution unterirdischer Wälder
13. Januar 2020, von Anna Priebe
Dr. Manfred Finckh untersucht im südwestafrikanischen Angola holzige Gewächse, die hauptsächlich unterirdisch wachsen. Es geht um Biodiversität, Evolution und nachhaltige Landnutzung.
Mindestens drei Mal im Jahr fährt der Hamburger Geoökologe Dr. Manfred Finckh mit seinem Team nach Angola. Das afrikanische Land bietet Ökosystem-Mosaike aus tropischen Wäldern und Graslandschaften. Seine Arbeitsgruppe in der Abteilung „Biodiversität, Evolution und Ökologie“ erforscht vor allem für die in den Tälern gelegenen offenen Graslandschaften und die dortigen Pflanzen. Das Besondere: Hier wachsen nämlich nicht nur Gräser, sondern Gewächse, die eng mit den Bäumen verwandt sind, deren Äste und andere Holzstrukturen aber unterirdisch wachsen. „Sie haben sich quasi in den Boden verkrochen, ihre Wurzeln reichen zum Teil mehrere Meter in die Tiefe und die unterirdischen ‚Äste‘ bei manchen Arten mehr als fünf Meter in jede Richtung. Nur ihre Blätter sind oberirdisch zu sehen“, so der Biologe.
Es handelt sich um viele verschiedene Arten, etwa Caloncoba suffruticosa, die oft denselben Gattungen entstammen wie die hochwachsenden Bäume in den nahen, auf Hügeln gelegenen Wäldern. In den Hanglagen gibt es sogar Pflanzen, die je nach Wuchsort mehr oder weniger hoch austreiben, laut Finckh „etwas zwischen niedrigen Sträuchern und kleinen Bäumen“.
Die Wurzeln reichen zum Teil mehrere Meter in die Tiefe
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen nun herausfinden, was diese Arten dazu bringt, ihr oberirdisches Wachstum zu begrenzen und sogar unterirdisch zu wachsen.
Frostschutz unter der Erde
Dazu untersuchen und vermessen sie die Wuchsformen der Pflanzen, arbeiten mit Drohnenaufnahmen und messen Bodentemperaturen sowie Klimadaten. Diese verraten ihnen zum Beispiel, wie das Klima in den Tälern von dem auf den Hügeln abweicht. Tatsächlich müssen die Pflanzen in den Tälern während der Trockenzeit von Ende Mai bis Ende August große Temperaturschwankungen aushalten: Während nachts bis zu -3 Grad Celsius vorkommen, herrschen mittags regelmäßig weit mehr als 30 Grad.
„Die meisten tropischen Pflanzen sind nicht an Frost angepasst. Unsere Annahme ist, dass die Blatt- und Blütenknospen im Boden aber geschützt sind“, berichtet Finckh. Da die nächtlichen Frostepisoden so kurz sind, dringt der Frost nicht in den Boden ein. Die oberirdischen Blätter frieren in der Trockenzeit zwar ab, die Knospen an den unterirdischen Ästen überstehen die Kälte und zu Beginn der Regenzeit können die Pflanzen dann wieder neu austreiben.
Diese ungewöhnlichen Wege der Evolution sowie seine bisher wenig erforschte Artenvielfalt machen Angola für Biologinnen und Biologen sehr interessant. Allerdings ist die Biodiversität des südwestafrikanischen Landes bedroht: Durch Unabhängigkeits- und Bürgerkriege war das Land bis in die frühen 2000er-Jahre kaum zugänglich. Inzwischen hat sich das zwar geändert, aber nun beanspruchen die wachsende Wirtschaft und Infrastruktur immer mehr Raum.
Kontrollierte Brände für die Wissenschaft
Finckhs Team untersucht neben der Evolution der unterirdischen Bäume ein weiteres Phänomen: „Man hat in Zentralangola jedes Jahr sehr viele unkontrollierte Brände, die durch die Grasländer und Savannen laufen. Bäume und Sträucher können so geschädigt werden“, erklärt Finckh. Die Feuer gelten gemeinhin als natürliches Phänomen, „aber wenn wir auf Satellitendaten und Statistiken schauen, stellt man fest, dass die Brände fast ausschließlich von Menschen gemacht sind“, berichtet Finckh.
Die Kleinbauern nutzen Feuer quasi als ‚Werkzeug‘, um ihre Felder zu bestellen und Flächen zu roden. Oft geraten die Brände dann außer Kontrolle. Um die Auswirkungen solcher Buschfeuer auf die Ökosysteme zu untersuchen, macht das Hamburger Team in mehreren Gebieten Feuerexperimente: Eine Fläche von je einem Hektar wird in 36 gleich große Quadrate unterteilt. 12 dieser Flächen schützen die Forschenden komplett vor Feuer, 12 andere brennen sie zu Beginn der Trockenzeit ab, also Ende Mai, und die dritte Gruppe kurz vor Beginn der Regenzeit im August.
Empfehlungen für nachhaltige Landwirtschaft
„Wir untersuchen, ob die Jahreszeit des Feuers Auswirkungen darauf hat, ob junge Bäume oder Sträucher überleben und ob sie dann mehr oder weniger in die Höhe wachsen. Wir machen das über Jahre, um einen langfristigen Trend zu sehen“, erklärt Finckh.
Die Brände sind kein natürliches Phänomen, sondern fast ausschließlich von Menschen gemacht
Wenn die Forschenden verstehen, wie unkontrollierte Brände wirken und wann sie am schädlichsten sind, wären laut Finckh Empfehlungen möglich: „Ohne das Feuer können die Menschen ihre Felder nicht bestellen, aber wenn wir zum Beispiel nachweisen könnten, dass Feuer zu Beginn der Trockenzeit weniger schadet als kurz vor der Regenzeit, dann könnten wir technische Empfehlungen geben, die Risiken minimieren und die Ökosysteme nachhaltig schützen.“
Und: Es gibt die These, dass vielleicht auch die Feuer dafür gesorgt haben, dass die Bäume in den Graslandschaften unterirdisch wachsen. „Diese Wuchsform hat sich über Millionen von Jahren entwickelt, die Feuer sind – zumindest in ihrer heutigen Häufigkeit – aus unserer Sicht ein neueres, vom Menschen verursachtes Problem“, gibt Finckh zu bedenken. Feuer sei daher als alleiniger evolutionärer Treiber unwahrscheinlich. „Aber das müssen wir mit unserer Forschung jetzt erstmal beweisen.“