Kleinste Forschungsobjekte:Welche Gene reagieren bei Wasserflöhen auf Stress?
4. Dezember 2019, von Maria Latos
Foto: UHH/MIN/Latos
Sie sind winzig und doch wichtig für das Ökosystem Süßwasser: Wasserflöhe. Juniorprofessorin Mathilde Cordellier vom Fachbereich Biologie untersucht die Kleinkrebse und erforscht unter anderem, welche Gene der Tiere sich bei Stress durch Umwelteinflüsse verändern.
Frau Cordellier, Sie erforschen Wasserflöhe. Welche Fragen versuchen Sie zu beantworten?
Wir untersuchen, wie das Zusammenspiel von Umwelteinflüssen und Genen bei Tieren funktioniert. Das heißt, wir prüfen, welche Gene auf Aussehen, Verhalten und Stressantworten der Tiere einen Einfluss haben. Je nach Umweltgegebenheiten sind nämlich andere Gene aktiv, da sich die Tiere den Veränderungen anpassen. Oder wir untersuchen, ob ein bestimmter Genotyp in der Lage ist, sehr viele verschiedene Erscheinungsformen, sogenannte Phänotypen, hervorzubringen. Was sehr interessant ist, wenn man darüber nachdenkt, dass Tiere sich ständig anpassen müssen – auch durch das, was wir ihnen antun.
Stichwort Klimawandel?
Nicht nur. Ich würde eher vom globalen Wandel reden, weil wir nicht nur Veränderungen der Klimaverhältnisse haben, sondern es kommt auch durch Überdüngung zu Nährstoffanreicherungen in den Gewässern. Zudem finden sich Chemikalien wie Arzneimittelrückstände häufig im Süßwasser.
Wie untersuchen Sie diese verschiedenen Einflüsse auf die Wasserflöhe?
Wir setzen die Tiere einem Stressfaktor aus, um zu sehen, wie sie darauf reagieren. Stressfaktoren sind zum Beispiel Pestizide oder Schwermetalle, die oft in einem See vorkommen. Und dann untersuchen wir, wie es den Tieren dabei geht. Gleichzeitig kann man die Gene untersuchen. Wasserflöhe werden seit etwa 15 Jahren auch genetisch betrachtet. Das heißt, es haben sich sehr viele Studien gesammelt, weshalb wir jetzt auch eine Gen-Datenbank entwickelt haben.
Welche Daten sammeln Sie in dieser Datenbank?
In der Forschung kommt irgendwann der Punkt, an dem man sagen kann: Dieser Teil des Genoms ist wichtig, das heißt, dass Anpassung durch diese genetischen Informationen möglich wird. Es gibt aber auch Genabschnitte, von denen man nicht weiß, welche Funktionen sie haben: verbessern sie die Sauerstoffaufnahme oder ermöglichen sie eine schnelle Entgiftung? Deshalb hat meine Doktorandin, Suda Parimala Ravindran, alle Gen-Studien zusammengefügt.
Und welche Erkenntnisse haben sie schon mithilfe der Datenbank gesammelt?
Bei der Zusammenführung der Studien konnten wir bei Daphnia pulex – der Wasserflohart, die am häufigsten untersucht wird – sehen, dass die Expression bestimmter Gene immer geändert wird, egal welcher Stressfaktor angewendet wird. Das ist wie eine universelle Stressantwort. Im Gegensatz dazu gibt es auch Gene, die nur bei bestimmten Stressauslösern reguliert werden. Das heißt, durch diese Zusammenlegung von 90 Studien können wir sagen, dass es verschiedene Gruppen von Genen gibt. Und einige sind eine Art Signatur und sind typisch für Arten aus bestimmten Gewässern.
Gibt es noch andere aktuelle Wasserfloh-Forschungsprojekte?
Wir wollen jetzt speziell die Dauereier untersuchen. Wenn man Lebewesen untersucht, hat man normalerweise keine Wahl: Man nimmt was man findet, nämlich das, was gerade lebt. Wasserflöhe legen allerdings Eier, die für mehrere Jahre lebensfähig bleiben. Das heißt, man kann mehrere Jahrzehnte später vergangene Populationen untersuchen. Das ist für Evolutionsbiologie besonders spannend. In dem Projekt erforschen wir zum Beispiel, wie Hybride zustande kommen, also Lebewesen, die durch Fortpflanzung zwischen verschiedenen Arten entstehen. Das untersuchen wir an den Wasserfloharten in Seen Norddeutschlands.