Humboldt-Stipendium am Institut für SlavistikForschung zu jugoslawischen Autorinnen
28. November 2019, von Anna Priebe
Foto: Privat
Autobiografische Texte jugoslawischer Autorinnen und ihre Darstellung von Länder- und Gesellschaftsgrenzen stehen im Mittelpunkt der Forschung von Dr. Anna Bodrova. Die Wissenschaftlerin aus St. Petersburg forscht mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Universität Hamburg.
Besonders interessiert sich die Literaturwissenschaftlerin, die bei Prof. Dr. Anja Tippner am Institut für Slavistik zu Gast ist, für die Besonderheiten, die sich aus dem Zusammentreffen verschiedener Kulturen in Jugoslawien ergaben. Sie erforscht Texte weiblicher Reisender, die sich im frühen 20. Jahrhundert mit den Veränderungen der Moderne, Geschlechterrollen und transnationalen Erfahrungen auseinandersetzten. „Ich untersuche autobiografische Texte, zu denen unter anderem Briefe, Briefromane, autobiografische Romane und Erzählungen, aber auch Reiseberichte und Tagebücher gehören“, erklärt Dr. Anna Bodrova. Unter den Autorinnen sind zum Beispiel Zofka Kveder (1878–1936), Alma Karlin (1889–1950), Jelena Dimitrijević (1862–1945) und Marija Jurić Zagorka (1873–1957).
Das Projekt von Anna Bodrova heißt „Weibliches Ich in Bewegung: autobiographische Texte von jugoslawischen Autorinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ und setzt damit den Fokus auf Mobilität und Raumerfahrungen. Räume sind hier doppelt zu verstehen: zum einen als konkrete Orte, zum anderen auch als Länder- oder Gesellschaftskategorien. Wie wird zum Beispiel das Leben insbesondere in Großstädten beschrieben? Wie werden Grenzübertritte bei Reisen wahrgenommen? Und wie werden die Räume, die Frauen zugänglich waren, dargestellt? Untersucht werden dabei sowohl die frühe Kindheitserfahrung als auch Schilderungen aus dem späteren Leben.
Grenzen im Fokus
Das Spektrum der berücksichtigten Autorinnen ist groß: Sie schrieben in slowenischer, deutscher, kroatischer und serbischer Sprache. Alma Karlin etwa war eine jugoslawische Bürgerin, stammte aber ursprünglich aus Österreich-Ungarn und schrieb auf Deutsch. „Die Autorinnen sprachlich zuzuordnen fällt daher genauso schwer wie eine kulturelle Zuordnung“, erklärt Bodrova. Trotz ihrer kulturellen und sprachlichen Unterschiede hätten sie aber auch viel gemeinsam, etwa ihr Engagement für Frauenrechte.
„Für mich geht es immer um die Grenzen zwischen verschiedenen Räumen, etwa zwischen den Kategorien ‚das Eigene‘, ‚das Andere‘ und ‚das Fremde‘“, beschreibt Bodrova ihr Forschungsinteresse. Der Drang, Grenzen zu überschreiten und fremde Länder, Kulturen oder Gesellschaften zu erkunden, sei in allen autobiografischen Texten von jugoslawischen Autorinnen präsent. Untersucht werden soll daher auch, wie die Darstellung der Räume von der Ethnie, der gesellschaftlichen Klasse und dem Alter der Autorinnen beeinflusst wurde.
Für ihre Forschung wird Bodrova im Rahmen des „Humboldt-Forschungsstipendiums für erfahrene Wissenschaftler“ der Alexander von Humboldt-Stiftung noch bis 2021 in Hamburg arbeiten. Am Institut für Slavistik gehören Formen des (Auto-)Biografischen sowie Phänomene des transnationalen und translingualen Schreibens zu den aktuellen Arbeitsgebieten der literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschung.
Zur Person
Dr. Anna Bodrova studierte von 1995 bis 2000 an der staatlichen Universität von St. Petersburg Slawistik, serbokroatische Sprache und Literatur mit dem Schwerpunkt Slowenische Literatur. 2007 promovierte sie zur „Autobiographischen Prosa von Ivan Cankar“. Seit 2004 arbeitet sie an der St. Petersburger Universität und lehrt dort Slowenische Sprache und Literatur, serbische Sprache und Literatur, Übersetzungswissenschaft, Übersetzungstheorie und -praxis.
Zum Stipendium
Das „Humboldt-Forschungsstipendium für erfahrene Wissenschaftler“ der Alexander von Humboldt-Stiftung gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Ausland die Möglichkeit, ein langfristiges Forschungsvorhaben von sechs bis 18 Monaten in Kooperation mit einem selbst gewählten wissenschaftlichen Gastgeber an einer Forschungseinrichtung in Deutschland durchzuführen.