Quallen-Atlas stellt alle weltweit bekannten Arten vorFaszinierende Wesen unter Wasser
26. November 2019, von Mareen Gerisch/Anna Priebe
Die Quallen-Sammlung am Centrum für Naturkunde umfasst knapp 5.000 Präparate und ist eine der größten ihrer Art in Deutschland. Prof. Dr. Andreas Schmidt-Rhaesa, Abteilungsleiter Wirbellose Tiere, betreut die Sammlung und hat am „World Atlas of Jellyfish“ mitgewirkt, der alle 260 bekannten Quallen-Arten darstellt.
Quallen sehen faszinierend aus, oft ist aber von Plagen die Rede. Wie sehen Sie als Experte diese Tiere?
Die meisten Quallen sind bei näherem Hinsehen sehr beeindruckend. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems Meer: Sie fressen andere Lebewesen, zum Beispiel Plankton und kleine Fische. Dass es manchmal zu Massenvermehrungen kommt, daran sind wir teilweise mitschuldig, weil wir so massiv in das Ökosystem eingreifen. Eine Pest sind sie damit, jedenfalls für mich, noch lange nicht.
Wie kommt es zu Quallenplagen?
Es ist noch immer nicht vollständig verstanden. Es deutet aber vieles darauf hin, dass Massenvermehrungen ein Symptom gestörter Ökosysteme sind. Das betrifft beispielsweise das Verschwinden ihrer Nahrungskonkurrenz durch Überfischung. Aktuell findet in Südafrika eine Konferenz statt, die alleine dem Thema Quallenblüte, den sogenannten „jellyfish blooms“, gewidmet ist, also dem lokal übermäßigen Auftreten von Quallen.
Welche Rolle spielen Quallen in der Wissenschaft?
Es ist wichtig, die Rolle von Quallen im Ökosystem zu begreifen und zu erkennen, was sie uns, etwas salopp gesagt, über die Probleme im Meer sagen können. Wir haben Quallen, oder besser Nesseltiere im Allgemeinen, lange für sehr einfache Organismen gehalten und erkennen zunehmend, dass sie enorm vielfältig und in vieler Hinsicht komplexer und fortschrittlicher sind, als wir uns das vorstellen konnten. Zum Beispiel besitzen Quallen alle möglichen Bautypen von Augen, inklusive hoch entwickelter Linsenaugen.
Wie groß ist die Gefahr durch die Ansiedlung von Arten aus Asien, deren Gift besonders aggressiv ist?
Kurzfristig halte ich das Problem für gering, aber langfristig muss man sich mit den Folgen beschäftigen. Von den einheimischen Arten ist nur die Feuerqualle im Kontakt unangenehm, aber nicht wirklich gefährlich. Wenn sich durch Verschleppung neue Arten ausbreiten können, die aufgrund von Klimaerwärmung auch noch für sie gute Bedingungen vorfinden, kann man natürlich nicht ausschließen, dass sich auch unangenehmere Vertreter bei uns ansiedeln.
Welche ist Ihre Lieblingsqualle im Quallenatlas und warum?
Der neue Quallenatlas enthält eine Reihe faszinierender Abbildungen von ebenso wunderschönen Quallen, beispielsweise einige Mastigias- oder Acromitus-Arten. Zu meinen Favoriten gehört aber die Kompassqualle, beispielsweise die kalifornische Art Chrysaora colorata.
Wie kann man Quallen für eine Sammlung präparieren?
Das ist tatsächlich eine Herausforderung. Wir erhalten die meisten Tiere in 70-prozentigem Alkohol, der sich für Nesseltiere eigentlich weniger eignet. Besser wirkt eine Formalin-Lösung, die wir noch verwenden müssen, obwohl sie gesundheitsschädlich ist. Leider fallen viele Medusen in sich zusammen, wenn wir sie aufheben, sodass sie in der Sammlung nicht mehr so schön aussehen. Wenn man die Tiere kennenlernen will, sind die Bilder im Atlas sicher der bessere Weg.
Drei spannende Fakten über Quallen in der Bildergalerie:
Drei spannende Fakten über Quallen
World Atlas of Jellyfish
Der neue Quallenatlas »World Atlas of Jellyfish« erscheint im November im Dölling und Galitz Verlag. Herausgeber sind Gerhard Jarms und André C. Morandini in Zusammenarbeit mit Andreas Schmidt-Rhaesa, Olav Giere und Ilka Straehler-Pohl. Das reich bebilderte Kompendium ist eine umfassende Bestandsaufnahme des gesammelten Wissens zu den Medusen der Welt. Am 28. November um 19 Uhr stellt der Naturwissenschaftliche Verein Hamburg das neue Werk im Zoologischen Museum des Centrums für Naturkunde vor. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Mehr Informationen in der Pressemitteilung zur Veröffentlichung (PDF).