Lehrerbildung zwischen Deutschland und Down UnderErste Joint-Postdoc-Stelle mit Macquarie University in Sydney
16. Juli 2019, von Anna Priebe
Foto: Privat
Zur Forschung nach Australien: Erziehungswissenschaftlerin Dr. phil. des. Anja Augsdörfer hat im April die erste Joint-Postdoc-Stelle an der Universität Hamburg und der Macquarie University in Sydney angetreten. Sie forscht dazu, welche Methoden Lehrerinnen und Lehrer aktuell einsetzen, um Schülerinnen und Schülern das sogenannte „Computational Thinking“ zu vermitteln. Eine erste Bilanz.
Drei Jahre Postdoc, die Hälfte davon in Australien. Wie ist es zu dieser Kombination gekommen?
Die Kooperation zwischen der Universität Hamburg, der Macquarie University und auch der Fudan University in Shanghai existiert ja schon länger. Ich selbst habe an der Uni Hamburg meine Doktorarbeit geschrieben und während dieser Zeit einen vierwöchigen Forschungsaufenthalt an der Macquarie University verbracht. Die Abteilung „Internationales“ hat mich dabei unglaublich unterstützt.
Mein Doktorvater Prof. Siemon hatte vorher bereits Kontakt zu Prof. Bower in Sydney. Während meines Aufenthalts dort hat sich herausgestellt, dass unsere Arbeitsbereiche einige Überschneidungen haben und es entstand die Idee, dass ich als Joint-Postdoc zurückkommen könnte.
Was erforschen Sie in Australien?
Prof. Bower, für den ich hier arbeite, forscht intensiv zu „Computational thinking“. Ein weiter, viel diskutierter Begriff, der davon ausgeht, dass Schülerinnen und Schüler im Zeitalter von Globalisierung und technischem Fortschritt vor komplexe Herausforderungen gestellt werden. Für deren Bewältigung bedarf es entsprechend neuer Fähigkeiten. Diese sollen es den Schülern ermöglichen, komplexe Probleme in Teilprobleme herunter zu brechen, Muster zu erkennen, algorithmisch zu denken und zu abstrahieren. Kurz: Lösungen zu entwickeln und so zu formulieren, dass zum Beispiel ein Computer sie ausführen kann.
Wie gehen Sie vor?
Unterstützt durch Unternehmen und die Kommunalpolitik bieten wir im Rahmen des Projekts in Schulen im Großraum Sydney Workshops für Lehrerinnen und Lehrer an. In Australien gibt es seit kurzem neue Curricula zu „Digital Technologies und Computational Thinking“. Für viele Lehrerinnen und Lehrer ist das Neuland und schwierig im Klassenzimmer umzusetzen.
Neben der Forschung dazu, welche didaktischen Theorien und Methoden am effektivsten sind, geht es darum, innovative Fortbildungen für Lehrer anzubieten. Ich habe im Rahmen des Projekts „ProfaLe“ im Bereich Lehrerbildung promoviert. Konkret habe ich mich auf den Einsatz von videobasierter Reflexion und Kompetenzmessung spezialisiert. Die Erkenntnisse der bisherigen Arbeiten bilden daher eine sehr gute Basis.
Wie wird es dann in Deutschland weitergehen?
Idealerweise haben wir am Ende meiner Zeit in Australien zwei Workshop-Durchgänge abgeschlossen und die begleitende Forschung durchgeführt. In Hamburg haben wir am Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik zum einen den Schwerpunkt Medientechnik, also berufliche Lehrerbildung mit einem Fokus auf Ausbildungsberufe im Bereich Medien. Wir werden die Erkenntnisse aus den Workshops und die Konzepte zu „Computational Thinking und Digital Technologies“ in die Lehrerbildung – also die Bachelor- und Masterseminare – einfließen lassen.
Wie unterscheidet sich das wissenschaftliche Arbeiten in Australien und Deutschland?
Es ist schon ein bisschen unterschiedlich. Man merkt vor allem, dass Lehrerbildung eine sehr nationale Sache ist – auch wenn die Welt immer globaler wird. Gerade im Bereich der Lehrerforschung muss man daher immer erstmal sehen, wie es in dem spezifischen Land läuft. Wie wird der Kontakt zu den Schulen aufgebaut? Was muss vor der Datenerhebung an Genehmigungen eingeholt werden? Welche kulturellen Unterschiede gibt es bezüglich Lehr-Lernkultur und Hierarchien an Schulen und Universitäten?
Zudem ist das Hochschulsystem generell anders organisiert. Die Universitäten finanzieren sich durch Studienbeiträge und das Arbeiten ist mitunter kompetitiver. Aber insgesamt ist es eine sehr nette, offene und kollegiale Arbeitsatmosphäre. Auch die Nähe zum asiatischen Raum finde ich sehr reizvoll.
Was vermissen Sie an Hamburg und womit überzeugt dagegen Sydney?
Ich habe 15 Jahre in Hamburg gelebt und liebe diese Stadt. Momentan fehlen mir natürlich meine Freunde und Kollegen, gelegentlich das deutsche Essen, der gut funktionierende Nahverkehr und die Nähe zur kulturellen Vielfalt Europas. Aber ich bin nicht ohne Grund mittlerweile zum sechsten Mal in Australien: die Weltmetropole Sydney mit ihren Pazifikstränden und der australische Outdoor-Lifestyle sind für mich Lebensqualität pur.
Allerdings: Der Plan war eigentlich der „Endless Summer“, aber jetzt bin ich im endlosen Winter gelandet. In einer Stadt, die Zentralheizung nicht kennt, kann es bei fünf Grad Außentemperatur in der Wohnung schon mal unschön frisch werden. Das war irgendwie nicht so gut getimt – vor allem, weil parallel in Hamburg schönstes Wetter ist. Aber solange hier die Sonne scheint, und das tut sie meist, ist alles wundervoll.
Strategische Partnerschaften
Die Macquarie University (MQ) in Sydney (Australien) hat rund 40.000 Studierende. Seit den 1990er-Jahren gibt es Kooperationen zwischen der Universität Hamburg und der MQ, seit 2012 eine strategische Partnerschaft. Angebote wie das Joint-Postdoc-Format mit MQ ermöglichen den Austausch auf wissenschaftlicher Ebene. Insgesamt gibt es 17 strategische Partnerschaften der Universität mit internationalen Hochschulen in unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Dazu gehört auch das trilaterale strategische Netzwerk zwischen Universität Hamburg, MQ, und Fudan University (FU).
Mehr Informationen zu den strategischen Partnerschaften der Universität Hamburg.
Mehr Informationen zur Trilateralen Strategischen Partnerschaft MQ-FU-HAM.