Un-gesund?!17 Studierende der Kulturanthropologie erforschen Gesundheit in Hamburg
25. April 2019, von Anna Priebe
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Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention sind wichtige Themen auf der politischen Agenda und in der gesellschaftlichen Diskussion. 17 Bachelorstudierende der Kulturanthropologie haben in einem Forschungsseminar die Alltagssituation in Hamburg analysiert.
Über zwei Semester haben sich die Studierenden in dem Seminar zum „Forschenden Lernen“ unter der Leitung von Prof. Dr. Gertraut Koch damit beschäftigt, wie Menschen in der Freien und Hansestadt mit Fragestellungen rund um Gesundheit umgehen. Dabei ging es vor allem darum, welchen Zugang sie zu entsprechenden Angeboten haben. Ein besonderer Fokus lag auf Stadtteilen wie Wilhelmsburg oder Veddel.
Durch Exkursionen in diese Viertel und den Besuch von Gesundheitsprojekten sowie Konferenzen näherten sie sich dem Forschungsgebiet der Medizinanthropologie an – also der Frage, wie medizinisches Wissen generiert und über gesellschaftliche Strukturen weitergegeben wird. Auch die Anwendung des Wissens wird untersucht.
Die 17 Forschungsprojekte, die über zwei Semester entstanden sind, lassen sich wie folgt zuordnen:
Wissen: Gesunde Ernährung von Kindern
Bei den sechs Studien dieser Kategorie stand Wissen über Krankheiten und Präventionsmöglichkeiten im Vordergrund. Pauline Nissen hat in ihrer Studie durch eine Analyse des öffentlichen Diskurses – insbesondere in Form von Medienberichten – untersucht, was unter gesunder Ernährung für Kinder verstanden wird und welche Akteure sich zu diesem Thema äußern. Fragen waren auch, was Kinder über gesundes Essen wissen, mit welchen Essensritualen sie aufwachsen und welche Rolle das Essen außer Haus spielt. In diesem Zusammenhang hat sie ein Nachmittagsprogamm in Wilhelmsburg begleitet, bei dem das Wissen an Kinder vermittelt werden soll. Eines der Ergebnisse: Die theoretische Lehre, die von Expertinnen und Experten öffentlich diskutiert und vermittelt wird, wird im Alltag kaum wie empfohlen umgesetzt.
Subjektivierung: Psychologische Online-Selbsttests
Mit verschiedenen Aspekten der Subjektivierung, also der Selbstoptimierung in Gesundheitsfragen, beschäftigten sich sechs Studien. Psychologische Online-Selbsttests standen bei dem Forschungsprojekt von Laura Arndt im Fokus. Sie ging der Frage nach, wie diese Instrumente das Bild der eigenen mentalen Gesundheit beeinflussen. Arndt stellte fest, dass die Angebote, zum Beispiel in Form von Apps oder Chats, immer mehr werden, wobei sich Privatwirtschaft und Medizin stark vermischen. Dabei seien die Tests für viele Menschen eine niedrigschwellige Möglichkeit, sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen. Sie würden viele Nutzerinnen und Nutzer aber auch verunsichern, da oft eine professionelle Einordnung der Ergebnisse fehle.
Materialität: Gesundheit als Faktor in der Stadtplanung
Die Grundannahme der Studie dieses Bereiches war, dass in sozialen Gefügen die gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure stets ein Netzwerk bilden, in dem sich untereinander beeinflussen, aber auch anderen Einflüssen ausgesetzt sind, etwa durch Apps. Die Stadt als besonderen Raum und die Rolle von Gesundheit in der Stadtplanung untersuchte Ann-Christin Dimon. Sie kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass Projekte wie der Masterplan „Active City“ der Stadt Hamburg, mit dem der Breitensport ausgebaut werden soll, die Stadtplanung stark beeinflussen. So werden etwa Sportflächen neu geschaffen oder ausgebaut. Das solle die Bewohnerinnen und Bewohner dazu verleiten, in ihre eigene Gesundheit zu investieren, so die Autorin.
Gouvernementalität: Selbstbestimmtes Leben im Rollstuhl
Unter diesem Begriff versteht man, dass durch Mechanismen der Kontrolle und Disziplinierung ein bestimmtes gewünschtes Verhalten bewirkt werden soll, etwa durch Gesetze des Staates. Was das im Rahmen von Gesundheit bedeutet, untersuchten vier Projekte des Forschungsseminars. Aileen Rausch konzentrierte sich dabei auf das selbstbestimmte Wohnen von Menschen im Rollstuhl. Wie leben sie zum Beispiel in Wohneinrichtungen, wo der Alltag stark vorgegeben ist? Rausch stellte unter anderem fest, dass Wohnprojekte zwar oft mehr Selbstständigkeit ermöglichen, aber durch fehlendes Personal dennoch keine völlige Unabhängigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner bewerkstelligen können. Lebensqualität sollte laut der Autorin bei zukünftigen Projekten als Kombination aus Standards allgemeiner Lebensbedingungen mit individuellen Werten der Betroffenen definiert werden.
Die Ergebnisse aller Forschungsprojekte präsentieren die Studentinnen und Studenten auf einem Blog.